49. Janus Gesundheit

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Obwohl ich mir nichts mehr gewünscht hatte, als in Janus Armen zu liegen und mein Instinkt mich regelrecht dazu drängte, konnte ich mich nicht dazu durchringen unter seine Decke zu rutschen. Ich wusste, dass sie ihn angezogen hatten. Er trug eine Hose, wodurch es auch nicht unangebracht wäre, wenn ich mich ohne seiner Erlaubnis zu ihm legen würde, aber trotzdem konnte ich die Decke nicht einfach heben.
Stattdessen lag ich wie sonst auch auf dem Beistellbett direkt an seinem Bett und lauschte einem Herzschlag und seinen gleichmäßigen Atemzügen, während ich irgendwie damit kämpfte mich zurückzuhalten.

Zumindest seine Hand hatte ich unter der Decke hervorgeholt und hielt sie nun schon die ganze Nacht fest in meiner. Sie war größer als meine eigene und seine Finger waren länger, dadurch passte meine aber perfekt in seine und ließ mich allein damit schon auf Wolke sieben schweben. Wie oft hatte ich mir vorgestellt, wie es wäre seine Hand halten zu können? Und jetzt konnte ich es endlich erleben.
Es war atemberaubend. Meine Haut kribbelte bei jeder Berührung mit seiner nackten Haut und die Wärme, die von seiner auf meine, überging, verteilte sich gleich in meinem ganzen Körper. Am liebsten würde ich sie nie wieder loslassen wollen.

Trotz meiner Müdigkeit konnte ich meine Augen nicht schließen. Ich beobachtete Janus die ganze Nacht, prägte mir sein Gesicht ein und genoss die sanften Regungen, die er ab und an hatte. Er hatte ein schönes Gesicht. Ein sehr schönes.

Es war so surreal, dass mein Gefährte doch ein Wandler war. Dass ich das hier jetzt wirklich erleben durfte. Die Angst, dass das alles nur ein Traum war und morgen alles wieder beim Alten sein würde, war zu präsent, als dass ich richtig zur Ruhe kommen würde. Deswegen wollte ich meine Augen auch nicht schließen.

Ich hoffte einfach nur, dass er bald aufwachen und sich dann auch mit seiner menschlichen Form arrangieren konnte. Es musste immerhin einen Grund geben, warum er sich so lange gegen seine menschliche Form entschieden und seine Wolfsform vorgezogen hatte. Vielleicht konnte ich ihn nun davon überzeugen, dass das Menschsein auch seine Vorzüge hatte.

Es dämmerte bereits, als ich nach langem meinen Blick kurz von seinem Gesicht löste.
Ich wusste, dass ich mich heute wieder um das Rudel kümmern und meinen Pflichten nachkommen musste. Außerdem musste ich heute dringend das Gespräch mit dem Doktor führen, dass ich gestern so vehement abgeblockt hatte. Ich wollte über Janus Gesundheit bestens informiert sein.
Für all das musste ich mich aber von meinem Gefährten trennen und ihn alleine hier lassen. Das schürte wieder die Angst, dass das alles schlussendlich doch nur ein Traum war. Ich würde es nicht ertragen, wenn ich heute Abend wieder herkommen und Janus Wolf im Bett vorfinden würde.

Ich zuckte überrascht zusammen, als es sanft an der Tür klopfte und nach einem brummigen „Herein" mein Bruder mit einem Tablett im Raum stand.

„Frühstück", strahlte er und stellte es auf einem Tisch beiseite, ehe er plötzlich etwas Anderes hochhob. „Benno meinte, dass ein zu langer Bart irgendwann jucken kann. Vielleicht möchtest du Janus Bart ja rasieren oder zumindest etwas stutzen." Er wackelte mit dem Rasierer in seiner Hand etwas hin und her.

Ich setzte mich langsam auf, strich mir erst durchs Gesicht, kratzte mir durch meinen Bart, der auch mal wieder eine Rasur vertragen könnte, und musterte dann meinen Gefährten eingehend.
Flynn hatte damit tatsächlich recht. Es war Sommer und obwohl es hier klimatisiert war, war es doch noch immer war. Janus war zwar dickes Fell gewohnt, aber ein etwas freieres Gesicht war sicherlich auch nicht schlecht.
Ich nickte langsam, ehe ich seine Hand vorsichtig zurück unter die Decke legte und penibel darauf achtete, dass die Leinendecke alles bedeckte. Zwar würde Flynn ihm nichts wegschauen, aber mein Instinkt trieb mich dennoch dazu.

„Und ich habe dir Frühstück mitgebracht. Neo ist heute morgen mit auf Patrouille gegangen. Offenbar streunen wieder ein paar fremde Wölfe aus anderen Rudeln an unserer Grenze herum. Er kümmert sich darum, hat er gesagt."

wild wolf ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt