55. Vergangenheit

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Seit unserem ersten Kuss in meinem Bett teilten Janus und ich zahlreiche Küsse. Meistens nur kurze mit geschlossenen Lippen, aber ab und an traute sich mein Gefährte auch mehr.

Mittlerweile wusste ich, dass Flynn ihn dazu gebracht hatte, indem er ihm Mut zugesprochen hatte und ihm auch fortlaufend Tipps gab, was er mit mir tun konnte. Von Händchen halten bis hin zu Zungenküssen. Flynn hatte meinem Gefährten anscheinend alles bis ins Detail erklärt, denn Janus stellte sich bei alldem überraschend gut an. Er traute sich mit der Zeit auch mehr und mehr, wodurch ich bald das Gefühl hatte, dass wir tatsächlich eine richtige, menschliche Beziehung führten.

Zwar war er den Großteil der Zeit noch immer in seiner Wolfsform, aber sobald wir alleine waren, verwandelte er sich in einen Menschen und verbrachte so unsere Zweisamkeit. Dass er auch meinen Namen nun schon problemlos aussprechen konnte, machte mich dabei auch furchtbar stolz und jedes Mal, wenn ich seine tiefe, raue Stimme hörte, schlug mein Herz etwas höher.

Momentan versuchte er sich auch an Flynns Namen, aber das ‚fl' machte ihm ganz schön zu schaffen. Dafür klappte Neo von Anfang an sehr gut.

Janus lag heute wieder draußen auf dem Kopfsteinpflaster und ließ sich von Flynn das Fell bürsten, während mein Bruder mal wieder fröhlich von sich hin plapperte. Heute Mittag sollte es Höchstgrade erreichen, weshalb Janus sicherlich froh war, wenn er ein wenig von seiner dicken Unterwolle losbekam. Außerdem schien er sehr zu genießen, was Flynn da tat.

Gerade als ich aus dem Haus trat, kamen Neo und Benno über den Platz auf mich zu. Ich begrüßte sie gleich und wollte schon ein Gespräch initiieren, als Janus sich plötzlich zwischen mich und Benno schob und mich mit seiner Schulter sogar etwas wegdrückte, damit ein größerer Abstand zwischen uns bestand.

In den letzten Tagen hatte Janus Benno nicht mehr angegriffen, was aber nicht bedeutete, dass er ihn deswegen mochte oder in meiner Nähe tolerierte. Er akzeptierte Bennos Anwesenheit, wenn Flynn in der Nähe war, anders aber auch nicht.

Meine Hand fand seine Ohren und kraulte beruhigend hindurch, woraufhin sich seine abwehrende Haltung ein wenig lockerte, seinen Blick löste er aber trotzdem nicht von Benno.

„Hey", begrüßte dieser ihn mit einem vorsichtigen Lächeln. Benno nahm einfach hin, dass Janus ihn nicht mochte und obwohl ich wusste, dass er eigentlich vorgehabt hatte, meinem Gefährten nach dessen Erwachen eine Standpauke zu halten, verhielt er sich ihm gegenüber doch recht zivilisiert. Wobei das Nicht Mögen wahrscheinlich auf Gegenseitigkeit beruhte.

„Wollen wir später die Grenze ablaufen?", fragte Neo und sah zwischen mir und Janus hin und her.
Der Beta hatte sich von Anfang an schon in unser Rudel eingefunden und Aufnahmen übernommen. Seit er nun offiziell ein fester Teil war, hatte das nur zugenommen. Er half an allen Ecken und Enden, bemühte sich um jedes Rudelmitglied und konnte trotz seiner recht grimmigen Art viele Sympathiepunkte sammeln. Das lag vor allem daran, dass er sich für keine Arbeit zu schade war und immer helfen wollte.

„Ja, eine kurze Runde", antwortete ich, wohl bewusst, wie viel Arbeit in meinem Büro noch auf mich wartete. Dass Janus daraufhin gleich zu wedeln begann zeigte mir, dass das die richtige Antwort war und dass meine Arbeit für ihn ruhig etwas liegen bleiben konnte. Er war zwar in den letzten Tagen auch schon im Wald unterwegs, vor allem, weil er in seinem Revier wieder nach dem Rechten sehen wollte, aber da konnte ich ihn aus Zeitgründen nie begleiten.
Stattdessen hatte Flynn sich ihm angeschlossen und Benno hatte Janus seinen schwangeren Gefährten sogar ohne Weiteres anvertraut. Janus mochte zwar Benno nicht und andersrum genauso wenig, aber Benno wusste, dass Flynn sich längst in Janus Herz gewuselt hatte und der Alpha auf meinen Bruder acht geben würde.

„Ich war eigentlich gerade auf dem Weg zum Trainingsplatz. Janus kommst du mit?" Neo sah auf meinen Gefährten hinunter, dessen Ohren kurz etwas hin und her wackelten, ehe er nickte und mir mit seiner Schnauze sanft in die Seite stupste. Ich konnte nicht anders als ihn anzulächeln und noch einen Kuss zwischen seine Ohren zu drücken.

wild wolf ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt