Sein Vater

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„Für wen machst du dich so hübsch?", ich drehe mich zu Mayx um, der sich noch immer nicht aus dem Bett gequält hat und mich mustert, während ich mich fertig mache.

„Wärst du ein Mädchen, dann wüsstest du, dass ich das tue, damit dieser Arsch sieht, was er verloren hat.", sage ich grinsend, wobei dieses eigentlich nicht echt ist.

Mayx hebt abwehrend die Hände, „Ich kann nichts dafür, dass du keine Freundinnen hast.", sagt er zwar eher als Witz, aber es ist die Wahrheit, weshalb ich mich schnell wieder umdrehe, damit er mein Gesicht nicht sieht.

Es ist nicht so, als hätte ich noch nie Freundinnen gehabt, bloß schon einige Zeit nicht mehr wirklich, weil die Mädchen vor allem an meinem besten Freund interessiert sind, wobei das wahrscheinlich nicht der einzige Grund ist. Ich bin einfach anders, als sie.

Ich werde von einem Handyklingeln aus meinen Gedanken gerissen.

„Geh endlich ran.", meine ich, als ich Mayx sein Handy zuwerfe. Es klingelt schon seit gestern ständig, aber er hat es ignoriert.

Jetzt jedoch steht auch er endlich aus meinem Bett auf und verzieht sich mit seinem Handy auf meinen Balkon.

Ich beobachte ihn, wie er sich immer mehr anspannt, wie sein ganzer Körper sich verkrampft, wie er seine Fäuste ballt. Wer auch immer gerade mit ihm spricht, was auch immer er sagt, es gefällt meinem besten Freund ganz und gar nicht.

„Taria.", die Stimme meiner Mutter reist mich aus meinen Gedanken.

Ich drehe mich langsam zu ihr um, darauf bedacht mir ein Lächeln aufs Gesicht zu setzen.

Ich strenge mich an, mir nichts anmerken zu lassen.

„Was war gestern Abend los? Warum hat Mayx hier übernachtet? Warum wart ihr noch so lange wach?", fragt sie skeptisch und blickt kurz zwischen mir und dem auf den Balkon stehenden Mayx hin und her.

„Er wollte gestern nicht nach Hause...", versuche ich mir etwas zu überlegen, was meine Mutter nicht weiter ansprechen würde.

Ihr Ausdruck wird mitleidig, als sie stumm nickt und aus dem Zimmer verschwindet.

Hätte ich eine andere, einfachere Wahl, dann hätte ich niemals das benutzt, um sie dazu zu bringen, nicht weiter zu fragen.

Flashback: „Kann ich noch mit dir nach Oben?", ich fange schon an die Treppen rauf zu rennen, warte nicht auf eine Antwort.

„Taria.", ruft mir mein bester Freund nach und ich merke seine veränderte Stimme, weshalb ich schnell stehen bleibe und mich zu ihm umdrehe. „Es ist besser, wenn du nicht mit kommst.", flüstert er, so dass ich es kaum verstehen kann. Er versucht meinen fragenden Blick auszuweichen und setzt sich dann neben mich auf die Treppe.

„Warum willst du nicht, dass ich mit dir komme?", frage ich ihn langsam, während ich meinen kleinen Kopf auf seine Schulter lege.

Er räuspert sich, wobei ich mir nicht sicher bin, ob es deshalb ist, weil er im Stimmbruch ist, oder weil seine Stimme nicht sicher ist.

„Ich will nicht, dass du das siehst, ich will nicht, dass du traurig bist und vor allem will ich nicht, dass dir jemand wehtut.", ich bin mir sicher, ich brauche Ewigkeiten, bis ich darauf reagiere.

„Mir wird doch nichts passieren, du bist doch bei mir.", total bescheuert, hätte ich gewusst, was ich dort sagte, hätte ich es niemals getan, aber er nickte.

Während Mayx die Tür aufschließt, hören wir die Schreie, das Weinen.

Ich blicke ihn etwas verängstigt an und er nimmt meine Hand.

„Dir wird er nichts tun.", flüstert er mehr zu sich selbst als zu mir.

„Junge, bist du das?", ruft sein Vater lallend.

„Ja.", antwortet er leise.

„Bring mir ein Bier, deine Mutter ist zu dumm dafür.", ruft er nun wütend.

„Ich habe Besuch, ich kann nicht.", seine Stimme zittert.

Was danach passierte ist verschwommen, wahrscheinlich auch, weil ich es einfach versuche zu vergessen.

Sein Vater kam zu uns und beachtete mich mit keinem Blick, er packte seinen Sohn, riss ihn von mir weg, schleuderte ihn gegen die Wand, zog ihn hoch, schrie ihn an und schlug ihn. Immer und immer wieder landete seine Hand in Mayxs Gesicht. Er weinte nicht, er schrie nicht, er tat gar nichts. Irgendwann sagte er mit bedacht fester Stimme, „Geh Prinzessin.", dabei versuchte er sogar mir noch ein Lächeln zu schenken.

Zuhause wollte ich jemanden davon erzählen, aber ich konnte es nicht erklären. Heute wissen meine Eltern, was bei Mayx Zuhause los ist, aber heute ist Mayx kein Kind mehr, er ist 18 Jahre alt. Dennoch ist sein Vater bis heute ein Scheißkerl und ich weiß, dass Mayx sich wünscht, er wäre nicht sein Vater. Wir reden bis heute kaum darüber, einfach, weil er meint, er kommt damit klar und will nicht drüber sprechen.

Das macht er mit vielen Dingen so, alles was ihn belastet, er ist immer für mich da, ich kann ihm alles erzählen, ich erzähle ihm alles, aber er, er tut das nicht. Tat er noch nie.

„Alles klar bei dir Prinzessin?", riss mich eine behutsame Stimme aus meinen Gedanken. Ich blicke in die Augen meines besten Freundes und entlarve sein falsches Lächeln.

„Bei mir schon, wie sieht es bei dir aus?", frage ich fordernd.

„Du weißt doch, ich komme klar.", er zieht mich leicht von meinem Stuhl hoch und lässt sich dann schnell unter mich gleiten.

„Wir sollten in die Schule."

„Ich will erst wissen, wer dich dort angerufen hat und was er so schlimmes gesagt hat.", ich lasse ihn mit meiner Stimme verstehen, dass ich es ernst meine.

„Jay.", gibt er nach einiger Zeit frustriert zu.

Maybe I never wasWo Geschichten leben. Entdecke jetzt