31. Kapitel

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< Wincent >

Ich starre durch die Scheibe und sehe sie an. Meine Beine bewegen sich einfach nicht mehr weiter. Der Anblick bricht mir das Herz.
Da liegt sie nun in ihrem Krankenbett, überall Schläuche und Monitore, die sie überwachen. Im Koma.

Sie liegt wegen mir im Koma und sie ist wegen mir die Treppe hinutergestoßen wurden.
Glaubt ihr nicht? - Doch, indirekt ist es meine Schuld. Uns wisst ihr warum? - Weil sie meine Freundin ist.
Ich hätte mir nie erträumt, dass mal so eine Situation kommt. Und ich hätte nie im Leben damit gerechnet, dass Menschen, die ich über alles liebe, wegen mir in Gefahr kommen. Und ich hätte auch nicht damit gerechnet, dass dieser Hype um mich so außer Kontrolle gerät.

Mein Name ist Wincent Weiss, ich bin 29 Jahre alt, wohne in München und im Norden und ich bin von Beruf Sänger.
Richtig erkannt, Sänger ist mein Beruf. Ein Teil von mir, aber eben nur ein Teil. Und ich liebe meinen "Beruf". Für mich ist das eine Berufung. Ich kann mit meinen Lieder tausende von Menschen erreichen und sie meine Gefühle spüren lassen oder ihnen vielleicht auch aus der Seele sprechen. Ich bin immer nahbar, mache Fotos, gebe Autogramme, rede mit meinen Fans. Weil ich das liebe - ich liebe es von Beruf Sänger zu sein. Aber dann kommen da diese dunklen Seiten von einigen "Fans" zum Vorschein, die mich das Ganze überdenken lassen, die mich zweifeln lassen, ob es der richtige Weg ist. Ob es richtig ist, auch über den Typen zu sprechen, der nicht nur Sänger ist.
Und es gibt diesen anderen Typen, der einfach ein ganz normaler Kerl ist, der Leute kennenlernt, ne Freundin hat, der Freunde und Familie immer an erster Stelle stellt und der einfach normale Dinge tut. Und der eben nicht alles von sich preisgeben möchte, weil er deine Privatsphäre schützen möchte und die Leute, die er liebt.
Was beide Typen gemeinsam haben? - Sie hätten irgendwann über ihre Freundin gesprochen, wenn es sich etwas gefestigt hat.
Sie hätten den Fans nichts vorenthalten.
Und sie hätten sich beide gewünscht - also der Sänger und der private Typ - dass diese Beziehung akzeptiert wird und nicht, dass es so eskaliert.
Und der Typ, der aus beiden Typen besteht, fragt sich seit letzter Nacht, wie sein Leben weitergehen soll. Mit oder ohne Rampenlicht, mit oder ohne Musik, weil er gesehen hat, was Hass und Missgunst mit einem machen können. Er fragt sich, ob er je wieder so locker mit seinen Fans umgehen kann oder ob er überhaupt noch in der Lage ist so auf der Bühne zu stehen. Und vor allem fragt er sich, wie das Leben für Sandra weitergeht. Wird sie Folgeschäden haben, wacht sie wieder auf, will sie danach noch mit ihm zusammen sein?

Ich habe die restliche Nacht kein Auge zugemacht. Meine Mum hat geklopft, kurz nachdem ich in mein Zimmer gegangen bin. Ich habe nicht reagiert. Die Bilder, wie sie auf der Trage lag und abtransportiert wurde, meine Mum, die das Mädel an die Polizei übergeben hat, Shay, die geweint hat...das war alles zu viel!

"Wincent?", fragt eine Stimme hinter mir. Eine Hand liegt auf meiner Schulter.
Ich werde aus meinen Gedanken gerissen und zucke leicht zusammen. Als ich mich umdrehe, sehe ich eine junge Frau mit langen braunen Haaren, die mich leicht anlächelt. Ich habe sie schon einmal auf einem Foto gesehen.
"Ich bin Katja."
Ich umarme sie kurz. Wir sitzen im selben Boot. Wir bangen um das Leben von Sandra.
"Hallo, schön, dass du kommen konntest."
"Das würde sie auch für mich tun. Sie ist meine beste Freundin. Was sagen die Ärzte?"
"Sie ist stabil. Aber sie wissen nicht, wann sie aufwachen wird. Tage, Wochen, vielleicht sogar Monate. Das ist alles meine Schuld."
Ich wende mich von ihr an und starre wieder durch die Scheibe.
"Du darfst dir daran nicht die Schuld geben. Du hast niemanden dazu animiert, Sandra eine Treppe herunter zu schubsen. Das hat dieses Mädchen ganz alleine entschieden, hörst du?"
Ich nicke.
"Trotzdem, wenn sie nicht meine Freundin wäre..."
"Dann wäre es vielleicht trotzdem passiert, weil sie die falsche Haarfarbe hat. Es ist nicht deine Schuld. Vielleicht sollten wir zu ihr gehen, damit sie merkt, dass wir da sind."
Ich nicke. Mit Katja zusammen schaffe ich es das Zimmer zu betreten. Wir setzen uns jeder an eine Bettseite. Ich zögere, aber nehme dann doch ihre Hand und streichle ihr über die Wange. Tränen sammeln sich in meinen Augen. Es tut so weh, sie da so reglos liegen zu sehen. Wann ist dieser Albtraum endlich vorbei?

Katja und ich erzählen einfach miteinander. Wir lernen uns kennen und ich kann verstehen, warum sie Sandra's beste Freundin ist. Sie erzählt mir viele Geschichten aus der Kindheit und wie aufgewachsen sind. Ich finde es schön, dass mir jemand etwas mehr über sie erzählt.
Katja ist stark. Aber man merkt ihr an, wenn ihre Stimme bricht, dass es sie mehr mitnimmt, als sie zu gibt. Sie muss heute noch zurück nach Hannover und verspricht so schnell wie möglich wieder zu kommen.

Am Abend fahre ich nach Hause. Es ist bereits nach 10. Ich bin einfach noxh herumgefahren, um den Kopf noxh ein bisschen frei zu kriegen. Hat nicht geklappt.
Als ich in die Einfahrt bei meiner Mum biege, sehe ich ein Auto mit Münchner Kennzeichen dort stehen - Kevin.
Als ich die Haustür aufschließe, kommt meine Mum schon auf mich zugestürmt und umarmt mich. Sie hat sich Sorgen gemacht. Ich sehe das an ihrem Blick.
Kevin sagt kein Wort. Er nimmt mich einfach in den Arm, reicht mir ein Bier und schweigt mit mir. Ich bin froh, dass er da ist. Mit ihm und Marco kann ich immer sprechen. Vor den beiden ist mir nichts unangenehm und ich habe keine Hemmungen über meine Gefühle zu sprechen.

Aus den Gesprächen zwischen meiner Mum und Kevin höre ich heraus, daß auch Philipp und Lisa noch kommen. Lisa möchte Sandra gern besuchen und uns unterstützen. Ich bin für jeden Hilfe, Unterstützung und Ablenkung dankbar. Ich habe die besten Freunde der Welt.

Fanfiction Wincent Weiss - Wer, wenn nicht wir?!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt