15. Kapitel

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< Wincent >

Seit Wochen fühle ich endlich wieder etwas. Ich spule nicht nur mein Programm herunter - nein, ich lebe wieder! Dank ihr.
Ich habe ihr gestern nicht gesagt, dass meine Mum recht hat und ihre Angst, dass ich wieder in eine meiner Phasen abrutsche, gar nicht so unbegründet ist.
Ich habe es die letzten Wochen, in denen wir getrennt waren, deutlich gespürt. Da war wieder diese Gleichgültigkeit, diese Leere, diese Einsamkeit, obwohl auf der Tour so viele Leute um mich herum waren.
Amelie und die Band haben das natürlich sofort gemerkt. Ich habe mich wieder zurückgezogen, kaum etwas an den Off-Days mit ihnen unternommen. Eigentlich gar nicht so typisch für mich. Aber dieser Liebeskummer hat mich langsam aber sicher eingenommen gehabt.  Letzendlich war es Marco, dem es sofort bei unserem ersten Treffen aufgefallen ist und mir gut zugeredet hat. Das hat mir noch ein Stück weit die Augen geöffnet.Ich bin froh, dass ich wieder aus diesem Loch raus bin und ich kann mir vorstellen, wie Sandra sich gefühlt hat. Das Allerschlimmste für mich ist, dass es meine alleinige Schuld ist, dass sie so etwas durchleben musste.
Das wird noch eine Weile an mir nagen.

Ich bin so froh, über diese zweite Chance, so dankbar. Ich kann ihr das gar nicht genug zeigen. Meine Liebe und mein schlechtes Gewissen.
Ich habe das Gefühl, ich habe eine Seelenverwandte getroffen. Sie merkt genau, wann ich grübele, wann es mir nicht so gut geht und wann es mir wirklich gut geht. Unsere Gespräche sind so intensiv und tief.
Dennoch bin ich schon wieder etwas unsicher, wie es weitergeht, wenn sie in ein paar Tagen wieder nach Hause fährt. Ich bin dann auch wieder in München und muss wieder arbeiten. Es steht noch eine kleine Hallentour an, auf die ich mich eigentlich schon wahnsinnig freue. Allerdings überschattet die räumliche Trennung von Sandra das doch etwas. Ich habe noch nicht mir ihr darüber gesprochen, obwohl ich ihr versprochen habe, dass ihr sage, wenn mich etwas belastet, dass mit uns zu tun hat. Ich bin in solchen Sachen nicht gut, ich kann nicht so gut über meine Gefühle sprechen - außer ich schreibe vielleicht ein Lied darüber. Das ist etwas anderes - da bin ich quasi in meinem Element. Trotzdem werde ich wohl oder übel nicht drum herum kommen mit ihr darüber zu sprechen, sonst frisst es mich wieder auf. Und ich kenne mich, ich treffe dann wieder eine Entscheidung, die ich wieder bereue und ich möchte ihr nicht nochmal so weh tun. Das habe ich mir geschworen.

"Du denkst schon wieder über irgendetwas nach", sagt Marco, als er gerade zur Tür reinkommt.
"Ich sehe dir das an, du kannst mir nichts vor machen. Also los, hau's raus!", fordert er mich auf. Er kennt mich halt einfach viel zu gut. Leugnen bringt jetzt sowieso nichts mehr.
"Ach, ich weiß auch nicht. Ich mache mir schon wieder Gedanken, wie das mit Sandra und mir funktionieren soll, wenn sie wieder in Hannover ist. Die Hallentour steht an und ich bin unterwegs. Sie ist arbeiten und hängt in Hannover fest. Wir werden uns einfach nicht viel sehen und ich weiß nicht, ob das dann mit uns funktioniert. Wir kennen uns doch noch gar nicht so lange."
"Ihr habt euch gerade wieder gefunden. Du wusstest, dass das passieren wird - schon bevor du dich bei ihr entschuldigt hast. Hast du mal mit ihr darüber gesprochen?"
"Nein, du weißt doch, dass das nicht so einfach für mich ist."
"Mensch, Wincent! Du musst das klären. Sonst geht es wieder schief. Du willst doch auch nicht, dass es ihr nochmal so schlecht geht, weil sie nicht weiß, was in deinem Kopf vorgeht, oder?"
"Nein, natürlich nicht.", sage ich leise. Ich denke oft daran, wie ich ihr weh getan habe.
"Also, dann sprich mit ihr! und jetzt komm', die anderen warten!"

Marco und ich machen uns auf den Weg zum Strand. Wir sind da mit alten Schulfreunden verabredet. Einfach mal quatschen, lachen und ein oder zwei Bier trinken. Einfach der normale Typ von nebenan sein. Das fehlt mir manchmal so sehr!
Man darf das nicht falsch vestehen, ich bin so dankbar, dass ich das alles so erleben darf und das ich Musik machen darf und das ich eine so tolle Crew habe. Aber manchmal wünsche ich mir einfach, auch mal der normale Typ von nebenan zu sein, der einfach alles machen kann - ohne dabei im Fokus zu stehen.
Der Abend ist super. Ich habe so viel Spass und es sind so viele Menschen, die mir etwas bedeuten, um mich herum. Ich kann mich einfach fallen lassen und auch mal die nicht so guten Gedanken vergessen.

Am nächsten Tag bin ich mit Sandra verabredet. Ich finde sie im Liegestuhl. Ich glaube, dass ist ihr Lieblingsplatz am See. Es sind nur noch 2 Tage bis sich unsere Wege erstmal trennen. Und ich weiß nicht mal wie lange. Woher auch. Ich habe noch nicht mal gefragt, wie es weiter geht. Das muss ich dann wohl jetzt.
"Hey schöne Frau", sage ich, als ich auf sie zu gehe.
"Hey du", sie strahlt mich an. Ich beuge mich zu ihr herunter und gebe ihr einen Kuss.
"Wie war es gestern mit den anderen? Hattest du Spass?"
"Ja, war echt super alle wieder zu sehen."
"Aber?"
"Kein Aber."
"Komm' schon. Irgendwas ist doch. Du bist etwas komisch." Sie setzt sich auf und schaut mich erwartungsvoll an. Ich stoße einmal Luft aus und fahre mir mit der Hand über's Gesicht.
"Wincent, sag schon. Du machst mir gerade etwas Angst."
"Ach, ich weiß auch nicht. Ich grübele seit ein paar Tagen darüber, wie es ist, wenn du in 2 Tagen abreist. Ich mache mir Gedanken, wie das alles funktionieren soll, wann wir uns wieder sehen. Wie wir das alles hinbekommen. Wir kennen uns noch nicht so lange und haben uns gerade erst wieder gefunden. Du hast es noxh nixht erlebt, wenn ich viel unterwegs bin, Konzerte spiele und nebenbei im Studio am Album arbeite." So jetzt ist es raus. Endlich. Ich vergrabe meinen Kopf in meinen Händen, damit ich sie nicht ansehen muss. Ich weiß nicht, wie sie jetzt reagiert.
"Weißt du...mir geht es ähnlich. Ich mache mir auch Gedanken. Vor allem habe ich mir aber darüber Gedanken gemacht, ob du wieder kalte Füße bekommst. Muss ich jetzt wieder Angst haben, dass du mich wieder hängen lässt und ich nichts mehr von dir höre, wenn ich wieder in Hannover bin? Dann sag' es bitte gleich. Ich weiß nämlich nicht, ob ich das nochmal durchmachen kann." Ich sage nichts.
"Wincent? Sprich' mit mir!", sagt sie und kniet sich vor dem Liegestuhl. Sie nimmt vorsichtig meine Hände von meinen Gesicht und sieht mich mit einem kleinen Lächeln an.
"Weißt du", spricht sie weiter, "ich möchte so gern, dass das mit uns funktioniert, aber dafür musst du mir bzw. uns vertrauen. Wenn wir beide daran glauben, kann es auch funktionieren. Aber du musst das auch wollen. Nur, weil es vielleicht vorher schon mal mit jemand anderen schief gelaufen ist, heißt das nicht, dass es jetzt mit mir auch schief geht."
Ich nehme sie in den Arm und halte sie einfach fest.
"Ich möchte auch so gern, dass es funktioniert. Ich stehe mir selbst mal wieder im Weg. Ich...ich hab mich total in dich verliebt und ich habe einfach Angst, dass es schief geht." Ich sehe sie einfach nur an.
"ich habe mich auch in dich verliebt, du kleiner Idiot!", sagt sie und gibt mir einen Kuss.
"Wir bekommen das schon hin. Ich komme dich an den Wochenende einfach da besuchen, wo du gerade bist und wenn du mal einen freien Tag hast, schaffst du es vielleicht auch zu mir, wenn die Entfernung nicht zu weit ist. Klingt doch gar nicht so schlecht, oder?"
"Klingt eigentlich ganz gut". ich lächele sie leicht an.
"Und jetzt küss' mich!"
"Nichts lieber als das", sage ich lächelnd an ihrem Mund.

Fanfiction Wincent Weiss - Wer, wenn nicht wir?!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt