33. Kapitel

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< Wincent >

Seit 2 Wochen bin ich jeden Tag im Krankenhaus. Es hat sich nichts verändert. Ihr Zustand ist stabil und wenn sie kann, darf sie aufwachen. Das sagen jedenfalls die Ärzte.
Wann tut sie es denn endlich, verdammt!?

Sie waren alle hier bei ihr. Mum, Shay, Kevin, Lisa, Philipp, sogar Marco. Katja kommt an den Wochenenden - arbeitstechnisch ist es leider nicht anders bei ihr möglich. Aber das ist egal. Hauptsache sie weiß, dass Katja da ist.

Meine Laune verschlechtert sich von Tah zu Tag und meine Familie und meine Freunde merken das. Ich igele mich ein, weil ich es falsch empfinde etwas zu unternehmen, wenn sie es nicht kann. Ich gebe mir immer noch die Schuld an allem.

Ich habe die letzten Wochen viel nachgedacht und beschlossen, die Flucht nach Vorn zu wagen. Ich habe auf meinen Social-Media-Accounts ein Statement abgegeben.

'Moin Leute,
zu allererst möchte ich euch sagen, dass es mir momentan sehr schwer fällt diese Zeilen zu schreiben.
Die Meisten von euch wissen bereits, was in Hamburg passiert ist und wer es nicht weiß, darf sich gern informieren. Ich kann und werde hier und heute nicht darüber sprechen.
Aber ich möchte euch Folgendes sagen: Die junge Frau von der immer gesprochen und geschrieben wird, ist tatsächlich meine Freundin. Wir haben uns bereits vor ein paar Monaten in München kennengelernt. Bevor ich mit sowas an die Öffentlichkeit gehe, wollten wir dies allerdings noch etwas festigen und ein paar Momente nur für uns genießen. Das ist nun leider nicht mehr möglich.
Sie liegt seit dem Sturz im Krankenhaus. Im Koma. Wir wissen nicht, wann sie wieder aufwacht und ob es eventuell Folgeschäden geben wird.
Ich kann nicht verstehen, was in dem Kopf mancher Leute vorgeht, dass sie zu solchen Taten bereit sind und Menschenleben in Gefahr bringen.
Hier hoffen einfach nur Freunde und Familie, dass sie ganz schnell wieder aus dem Koma erwacht und wieder ganz gesund wird.
Ich habe viel darüber nachgedacht, wie es in Zukunft weitergehen soll. Und ich bin zu dem Entschluss gekommen, dass es im nächsten halben Jahr keine Konzerte, keine Auftritte in Sendungen etc. und auch keine neue Musik geben wird. Ich muss mich auf meine Freundin konzentrieren und für sie da sein.
Ich hoffe, dass das die Meisten von euch verstehen werden.
Ich bin ehrlich, ich weiß momentan nicht, wie ich euch entgegen treten soll, weil ständig der Gedanke im Hinterkopf ist, dass das was passiert ist, immer wieder passieren kann. Auch mir.
Ich werde euch in der nächsten Zeit darüber informieren.
Weiterhin werde ich mich bis auf Weiteres aus der Öffentlichkeit zurückziehen, d.h. es wird nur noch auf der Crew-Seite durch Amelie Aktivitäten geben. Ich hoffe auf euer Verständnis und ich bitte euch, mir und meiner Familie die nötige Privatsphäre zu geben.

Danke, Euer Wincent'

Es ist mir schwer gefallen, diesen Cut zu ziehen. Aber im Endeffekt ist es die einzig richtige Entscheidung. Ich habe das lang und breit mit Anna und Amelie besprochen und für mich führt kein Weg daran vorbei. Ich bin froh, dass Anna da so hinter mir steht und mir den Rücken frei hält.

"Wincent, du bist doch nachher hier, wenn Oma und Opa kommen, oder?", reißt meine Mum mich aus meinen Gedanken.
"Ehrlich gesagt, weiß ich es noch nicht. Ich fahre gleich ins Krankenhaus."

Meine Mum, Shay und meine Großeltern werden enttäuscht sein, wenn ich nachher nicht kommen sollte.

Es ist Heiligabend.
Den habe ich mir auch anders vorgestellt. Ich hatte das perfekte Geschenk und hatte mir schon vorgestellt, wie sie es auspackt und wie sie reagiert. Heiligabend. Unser erstes Weihnachten. Es könnte nicht beschissener sein in diesem Jahr.

"Komm' wenigstens zum Abendessen, Junge", sagt meine Mum, "Shay würde sich sicher auch freuen, wenn du da bist. Ich weiß, die Situation ist nicht einfach. Aber du musst auch ein bisschen leben, hörst du?"
"Ja, Mum. Ich weiß. Aber es fällt mir einfach so schwer. Ich komme zum Abendessen, versprochen."
Ich gebe ihr einen Kuss auf die Wange und mache mich auf den Weg ins Krankenhaus.

Ich habe für die Station kleine Presente mitgebracht. Sie kümmern sich hier wirklich so aufopferungsvoll um Sandra und die anderen Patienten, dass ich ihnen so an Weihnachten wenigstens irgendwie meine Dankbarkeit ausdrücken kann.

"Hey schöne Frau", sage ich zu ihr und gebe ihr einen Kuss auf die Stirn. "Es ist Weihnachten. Unser erstes gemeinsames Weihnachten. Das hatte ich mir alles etwas anders vorgestellt." Ich seufze.
Die Reaktion, auf die ich jedes Mal hoffe, wenn ich mit ihr spreche, bleibt auch dieses Mal wieder aus. Langsam habe ich Mühe meine Ungeduld und meinen Zorn darüber zu unterdrücken. Kann sie nicht endlich die Augen aufmachen?

Ich erzähle ihr, dass Mum den Baum geschmückt hat und das sie im diesem Jahr mal wieder mit den Geschenken übertrieben hat und natürlich erzähle ich ihr vom Weihnachtsessen und dass ich auch noch ein Geschenk für sie habe. Dabei halte ich, wie jedes Mal, ihre Hand. Immer in der Hoffnung, dass sie sie vielleicht drückt und mir ein Zeichen gibt. Aber wie immer - nichts.

Nach einer Weile lege ich meinen Kopf an die Seite des Bettes und döse ein.
Ich träume...ich träume, dass sie immer wieder meine Hand drückt und irgendwelche Laute von sich gibt. Ein Traum, den ich in letzter Zeit oft hatte.
Diese Handdrücken hört nicht auf. Eine Stimme krätzt.
Mhh?

Ich schrecke hoch und merke, dass es dieses Mal kein Traum ist. Das ist Realität! Ich hebe den Kopf und sehe in Sandra's geweitete Augen.
Sie zeigt mit der Hand immer wieder auf den Schlauch und ich verstehe sofort. Ich drücke den Knopf und renne zur Tür, um jemanden zu rufen.

Ich glaube, ich habe gerade das schönste Weihnachtsgeschenk bekommen!

"Hallo? Ich brauche hier jemanden! Schnell! Sie ist aufgewacht!", rufe ich aufgeregt.
Dr. Meyer kommt um die Ecke und ruft eine Schwester.
"Herr Weiß, sie müssen bitte kurz draußen warten. Wir müssen den Schlauch für die Beatmung entfernen und eine kurze Untersuchung durchführen."
Ich nicke. Ich kann es immer noch nicht glauben! Sie hat tatsächlich die Augen aufgemacht! Tränen laufen mir über's Gesicht. Ich könnte gerade nicht glücklicher sein.

Ich öffne den Gruppenchat, den wir extra angelegt haben, damit alle auf den neuesten Stand sind, und schreibe *Sie ist wach!*
Es dauert nicht lange bis sich die Nachrichten überschlagen. Kevin, Lisa, Mum, Shay, Noah, Marco, Philipp und die anderen. Alle freuen sich einfach nur, dass der Albtraum mit dem Koma nun endlich ein Ende hat. Ich hoffe, dass sie bald wieder hundertprozentig fit ist und wir unser Leben zusammen genießen können.

Fanfiction Wincent Weiss - Wer, wenn nicht wir?!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt