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NEO

Als der Morgen hereinbricht trinke ich Kaffee in meinem Büro. Der Schreibtischstuhl hat dem Raum den Rücken gekehrt und sich den großen Fenstern zugewandt. Aus dem ersten Stock des Hauses hat man einen perfekten Ausblick auf die Stadt und das Geschehen. Allein deshalb war es so teuer, hier zu bauen. Die Grundstücke sind mehrere Hektar groß aber das meiste Gebiet ist besiedelt mit geschütztem Regenwald. Nur ein Hektar blieb uns noch für die Villa und den Garten, in dem sich eine riesige Obstplantage befindet. Viele der Männer aus den Barrios arbeiten für mich und die Vipers. Sie pflücken die Mangos, Papayas und Bananen jeden Tag frisch von den Pflanzen und bringen sie mit LKWs in die Stadt und ins ganze Land. Vom Hafen in Cartagena landen sie auf Schiffen und werden in die USA und nach Europa übergesetzt. Die Früchte liegen sanft gebettet auf einem Berg feinstem Kokain, verpackt in kleine Quadrate die so gut versteckt sind, das mir noch nie eins verloren gegangen ist. Ich bin klein schlechter Mensch nur weil ich Obstkisten voll Kokain von diesen Männern transportieren lasse. Ich tue das, was die Regierung nicht geschafft hat - ich gebe diesen Menschen Arbeit. Ich gebe ihnen Hoffnung, weil sie so ihre Familien ernähren können und sich nicht Gedanken darum machen zu müssen, ob sie heute etwas essen oder trinken können. Ich gebe ihnen das Geld was sie brauchen, um ihre Kinder und Geliebten am Leben zu halten, damit diese nicht eine weitere Zahl in der steigenden Welle der Hungersnot sind. Ich bin kein schlechter Mensch, nur weil ich illegale Dinge tue. Das ist es nicht, was einen schlechten Menschen ausmacht. Jeder der für die Vipers arbeitet tut es gern, weil die Arbeitsverhältnisse gut sind und es einen guten Betrag an Geld am Ende des Tages gibt. Das hier ist das Imperium meiner Familie und ich werde alles tun, damit es weiterlebt.

Das klopfen an der Holztür überhöre ich das erste Mal fast, aber denke mir schon, wer auf der anderen Seite stehen mag. »Komm rein Toro«, rufe ich und die Tür öffnet sich sofort. Mit großen Schritten läuft er zielstrebig auf mich zu und knallt etwas auf den Schreibtisch hinter mir. »Die Policía hat nichts gefunden«, informiert er mich und ich drehe mich ihm mit dem Stuhl zu. Mein bester Freund hat ein iPad vor mich gelegt. Ich trinke einen großen Schluck aus meiner Kaffeetasse, die ich noch immer in der Hand halte, setze sie schließlich auf dem Holztisch vor dem Computerbildschirm ab und hebe das Tablet an. Auf dessen Bildschirm sehe ich die Fotos die mein Spion geschossen haben muss. Ich swipe mich durch die Bilder, auf denen die Spezialeinheit der Policía aus Cartagena zu sehen ist, wie sie in die Halle einbrechen, in denen Stunden zuvor noch einige hundert Kilo Kokain gelagert haben. Wir konnten sie rechtzeitig auf die Schiffe bringen und sie schwimmen schon nach Miami. Bye bye Policía.
»Wann können wir die Halle wieder in Betrieb nehmen?«, erkundige ich mich und gebe ihm das schwarze iPad zurück. Er lässt seine Arme sinken und blickt auf den Kalender am Rande des Tisches. »Nächsten Monat vermutlich, aber wir sollten es verpachten, damit für eine Weile etwas anderes darin lagern kann. Es ist zu verdächtig sonst«, rät er mir. Das schätze ich so an Toro. Er ist nicht nur wie ein Bruder für mich, er gibt mir auch die ganzen hilfreichen Tipps, die mich nie enttäuschen. Ich nehme mir jeder seiner Worte zu Herzen. »Gut, dann werde ich jemanden suchen der die Halle benötigt. Danke Toro, gibt es sonst noch etwas?«, erkundige ich mich und ahne, was er gleich sagen wird.

»Was soll ich mit unserem kleinen Problem machen?«
»Sitzt es denn noch im Keller?«
Das letzte Mal, das ich die Überwachungskameras gecheckt habe war gestern Nacht, gleich nachdem Toro die kleine Kolumbianerin in ihre Zelle gebracht hat. Ich habe ihr noch eine Stunde zugeschaut, da hat sie schon längst geschlafen. Die kleine Kratzbürste hat eine große Klappe für eine Prostituierte. Ich kenne nicht viele, die immer noch so kess sind, nachdem sie in so einem Drecksloch wie Santa Fé gelandet sind. Was sie wohl auf der richtigen Seite tun könnte? Zu was sie alles fähig wäre? Sie würde sicher eine gute Soldatin sein, aber auch eine unglaublich freche. Luella kleines Mäuschen, ich muss dich noch knacken. Sie ist mir ein Rätsel das ich Zugern lösen würde. Wieso gibt sie mir so viele Widerworte nach all dem, das sie durchgemacht haben muss?
Ich schweife ab, fuck.
Auf dem Kiefer mahlend blicke ich auf die dampfende Tasse. »Gib sie Hernández wieder. Fahr sie runter ins Bordell und gib ihr gleich Kokain mit, das sie aufbewahren soll bis heute Abend«, weise ich ihn an. Toro nickt. »Also kommt Pablo später zu ihr um es abzuholen?«, hakt er nach und meine Stirn legt sich in falten.
»Hast du etwa ein Problem damit?«, erkundige ich mich und blicke ihn düster an. Ich verstehe nicht ganz, wieso ihn das zu kümmern scheint. Sonst interessiert es ihn eine Bohne, wenn Pablo irgendwo die Drogen abholt. Wieso also jetzt?
Mein bester Freund presst seine Lippen aufeinander und schaut mich an. »Nein habe ich nicht, ich ... ich mag ihn nur nicht«, gesteht er mir. Und das soll ich ihm jetzt glauben?

»Solange es nicht an einer kleinen kurvigen Schwarzhaarigen Hure liegt, ist mir das völlig egal, Toro. Vergiss nicht wer du bist, Emmanuel.«
»Tue ich nicht, darauf kannst du dich verlassen. Ich traue diesem Typen nur nicht, dass ist alles. Ich sag dir, der spielt ein falsches Spiel«, verteidigt er sich und erwidert meinen finsteren Blick. Ich beschließe mich nicht weiter dazu zu äußern und deute ihm mit der Hand, dass er verschwinden soll. »Bring sie fort und fahr in den Dschungel zu Rodrigo, wir treffen uns dort. Klar?«
»Kristallklar, Boss.«
»Gut«, brumme ich und leere meine Kaffeetasse. Mit einem Handgriff schalte ich den Computer an und klicke auf die Kamera, die die Zelle zeigt. Ich vertraue meinem besten Freund und sein Gefühl nehme ich auch wahr, aber bis ich keine Beweise habe, das Pablo nicht sauber ist, muss ich annehmen, das die kleine Prostituierte nicht unbeteiligt ist. Toro sollte sich jemand anderen in diesem Schuppen suchen, den er ficken kann.
Ich sehe auf dem Bildschirm wie die Tür der Zelle sich öffnet. Die junge Frau in der Ecke schreckt auf und sagt etwas zu Toro, der sie nur hochzieht und ohne etwas zu erwidern losläuft. Luella boxt ihn und redet auf ihn ein, doch Toros Blick gilt der Kamera in der Ecke. Er sieht mich an während er die kleine aus der Zelle transportiert. Ich weiß nicht was in dem Moment durch seinen Kopf geht, aber ich hoffe, dass er bald nicht nur noch mit seinem Schwanz denkt, wenn es um sie geht. Toro muss bei der Sache bleiben, ihm muss unser Ziel klar sein. Luella mag ich gesagt haben, dass das in der Stadt nicht unser Kampf ist, doch das war eine glatte Lüge. Es hat gerade erst begonnen und Bogotá wird in Flammen stehen, sollte ich nicht das bekommen, was ich will. Gott möge Gnade mit meinen Feinden haben, denn ich habe sie gewiss nicht. Die werden alle brennen.

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