NEO
Erschöpft rolle ich mich neben Luella auf meine Matratze und verschränke die Arme hinter dem Kopf. Schwer atmend starre ich an die dunkle Decke meines Zimmers und höre, wie ihr hektischer Atem sich mit dem meinen vermischt. Im Augenwinkel erkenne ich wie heftig sich ihr Brustkorb hebt und senkt. Fuck, das war der beste Sex meines Lebens. Meine Gefühle fahren Achterbahn. Luella hat mir gestanden, das sie etwas für mich empfindet. Zumindest hat sie es versucht. Gerade wird mir bewusst, das sie wirklich noch nie verliebt gewesen sein kann. Sie hat nie jemanden geküsst, nie mit jemandem geschlafen weil es ihr Vergnügen bereitet hat, außer mit mir. Und seit sie vorhin meinen Namen ins Mikro der Kette geflüstert hat, so hilflos und verzweifelt, dominiert ein warmes Gefühl meinen Magen. Sie nannte mich Diego, woher sie meinen Namen kennt ist mir schleierhaft und ehrlich gesagt ist es mir auch egal. Sie muss ihn irgendwann aufgeschnappt haben. Ob Ara ihn ihr verraten hat? Meine Schwester ist eine Plappertasche, aber sie weiß, wann sie den Mund halten sollte. Meistens zumindest.
Ich drehe meinen Kopf zur Seite und sehe, wie Luella ihre Sachen vom Boden zusammensucht. »Was tust du da?«, frage ich sie und verfolge ihre Bewegungen mit den Augen. Die schwarzhaarige hält inne und schaut mich an. Mit einer Hand streicht sie sich ihre Haare hinter die Ohren. »Ich, ich nehme an ich gehe jetzt lieber. Das... ich weiß nicht ... ich hab so noch nie mit jemanden geschlafen, also ... ich ... sollte jetzt besser gehen«, stottert sie unbeholfen. Mir entgeht nicht wie düster ihr Blick wird und ihre Augen glasig. Gott, was tut sie da?
»Du musst nicht gehen«, erwidere ich auf ihre Worte. »Geh nicht«, formuliere ich es wie eine Bitte, denn es ist eine. »Bleib. Du musst nicht verschwinden«, hauche ich und rolle mich auf die Seite. Skeptisch betrachtet sie das Bett und schlingt sich ihre Arme eng um ihre nackten Brüste. Sie wirkt hin und hergerissen. In diesem Moment ist sie nur eine Frau, die nicht weiß was sie tun soll. Sie ist nicht stark, sondern lässt ihren Gefühlen freien Lauf.
Ich erhebe mich aus meinem Bett und laufe seufzend auf meinen Kleiderschrank zu. »Geh duschen«, weiße ich sie mit dem Rücken zu ihr gekehrt an und wühle in meiner Kleidung, »geh schon.«Als ich mich umdrehe ist sie in meinem Badezimmer verschwunden. Ich schleiche leise hinein, lege ein Shirt auf dem Waschtisch ab und verschwinde mit einem Handtuch um den Hüften in das nächst gelegene Gästezimmer um dort unter die Dusche zu springen. Mit einer Boxershorts bekleidet kehre ich in mein dunkles Zimmer zurück und sehe Luella gerade aus dem Badezimmer zurückkehren. Sie trägt das Shirt, das ich ihr rausgelegt habe. Ich sinke in mein Bett, schlage die Decke für sie zurück und sie legt sich mit dem Rücken zu mir auf die Seite und starrt aus den Fenstern hinaus. Ich weiß, das ihr Herz gerade unaufhörlich rast. Ich decke sie zu, schlinge meine Arme um sie und setze ein Kuss auf ihre Hinterkopf. Ich höre wie sie zitternd ausatmend und nach meine Hand tastest, die um ihren Körper liegt. Sie zieht sie hinauf bis zu ihren Lippen und hält sie fest, als hätte sie Angst, das ich gleich wieder verschwinde. Ihr Herz poltert in ihrer Brust, das spüre ich ganz deutlich. Ihr Atem prallt hektisch gegen meinen Handrücken und ich ziehe sie an mich. »Schon okay«, wispere ich fast nicht hörbar in ihre Haare, »ich hab dich.«
Diese drei Worte, scheinen sie zu beruhigen. Sie zieht die Beine unter der Decke an und presst meine Hand fest gegen ihren Mund, klammert sich daran als wäre ich ihr Rettungsboot. Mit jedem Atemzug, der auf meine Haut prallt, beruhigt sie sich ein bisschen mehr. Ich kann mir nicht vorstellen, wie sie sich gerade fühlen muss. Ihr ganzes Leben ist sie mit Männern ins Bett gegangen und hat nie etwas dabei außer Hass und Schmerz gefühlt. Sie war es gewöhnt, das man sich gleich danach verabschiedet. Das hier, scheint sie zu verwirren. Sie liegt wie ein ängstliches Häschen vor mir, während ihr Herz stolpert als sei sie einen Marathon gelaufen. Ich vergrabe meine Nase in ihren langen, nach Rosen duftenden Haaren und ziehe sie zu mir bis kein Blatt mehr zwischen uns passt und sich ihr Rücken gegen mein Sixpack presst. Ihr Kopf legt sich auf meinen Oberarm und ich schlinge meine beiden Arme so fest um sie, weil ich nicht will, das sie morgen früh nicht mehr da ist. Ich gönnen mir diesen Abend der Schwäche, den wir beide brauchen. Morgen wird alles anders werden. Deshalb genieße ich diesen Moment mit ihr, als sei es mein letzter.~
Tatsächlich liegt Luella noch neben mir, doch anders als gestern, ruht ihr Kopf auf meiner Brust und ihr Bein über meiner Mitte. Ich liege auf dem Rücken und starre seit geraumer Zeit an die kahle Decke. Die Sonne steht bereits hoch am Himmel und fällt durch die Lamellen in den Raum ein. Der Staub tanzt in den Strahlen und lässt eine beruhigende Stimmung aufkommen. Unweigerlich denke ich an gestern Abend zurück. Ich habe es genossen, sie zu vögeln. Ja, das habe ich wirklich. Es ist als hätte sie einen Schalter in meinem Kopf ungelegt, von dessen Existenz ich nichts wusste. Obwohl dies nicht unser erster Sex war, hat es sich so angefühlt. Es war anders...
Und ich weiß nicht, wie wir nach diesem Abend noch zurückgehen können. Gibt es noch einen Weg? Oder wurde uns der für immer versperrt? Ich kenne die Antwort bereits. Die Tatsache, das sie in meinem Bett schlafen durfte, verrät es mir. Gott, was ist nur mit mir los? Diese Frau macht mich weich. Ich will nicht, dass sie das tut. Liebe macht schwach, sie lässt dich dumme Entscheidungen treffen, das weiß ich aus erster Hand. Mein Vater hat damals eine unkluge Entscheidung getroffen und meine Mutter ist dabei ums Leben gekommen. Ich schwor mir, das nie passieren zu lassen. Aber jetzt, genau jetzt, erweicht sie mein Herz und ich glaube nicht, das wir noch zurück können. Nein, ich weiß es gewiss, dafür ist es viel zu spät.Ein kräftiges Türklopfen lässt die schwarzhaarige zusammenzucken. Genervt atme ich aus und fahre mir mit der flachen Hand über die Stirn. »Was ist?«, rufe ich mit rauer Stimme. »Dein Vater wird gleich entlassen. Ryan und Timeo bringen ihn hierher, wie abgesprochen«, ertönt Toros Stimme von der anderen Seite. Stimmt, verdammt. Meine Augen fallen auf den Wecker neben dem Bett und ich nehme meinen Arm von Luella, die neben mir in die Kissen sinkt und sich die Augen reibt. »Wie spät ist es?«, will sie verschlafen wissen. »Kurz nach elf, fuck, ich muss los«, brumme ich und erhebe mich. »Ich bin gleich da!«, rufe ich meinem besten Freund zu und seine Schritte entfernen sich von der Tür. Hektisch sammle ich mir ein paar frische Kleidungsstücke zusammen und nehme eine kurze und kalte Dusche, um wacher zu werden. Als ich umgezogen zurückkehre, sitzt Luella auf meiner Seite des Bettes am Rand und hat ihre Beine über die Kante geschwungen. Ihre Augen fahren meinen Körper hinauf, doch kein Wort kommt über ihre Lippen. »Ich muss los«, sage ich und halte vor ihr stehend inne. Mit einer Hand greife ich mir die Uhr vom Nachttisch und lege sie um mein Handgelenk. »Du solltest was essen gehen. Ara ist sicher auch unten«, schlage ich vor, »außerdem kommt mein Vater bald an.«
»Ja, vermutlich sollte ich mal nach Ara schauen, immerhin ist es auch ihr Vater«, murmelt sie. Nickend schaue ich zu wie sie sich erhebt. Als sie an mir vorbeigehen will, lange ich nach ihrem Handgelenk und bringe sie dazu innezuhalten. »Alles gut? Ich meine wegen gestern«, möchte ich sicherheitshalber wissen. Nun hält sie nichts mehr bei den Vipers und ich werde ihr nicht im Weg stehen. Sie hat ihre Schuld beglichen, und nun ist sie frei. Zumindest von mir. Sie bringt nur ein Nicken herüber und verschwindet aus dem Zimmer, bevor ich sie aufhalten kann. Das rote Kleid hat sie auf meinem Teppich liegen gelassen. Seufzend lege ich den Kopf in den Nacken und massiere mir die Schläfe. Es wird ein langer Tag werden, das weiß ich. Nach dem Wiedersehen mit meinem Vater muss ich noch etwas erledigen. Etwas das mir auf der Seele brennt, aber dazu brauche ich Toro, der mir hilft.
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VIPERS
RomanceDie Prostituierte Luella weiß nichts über die Gang, die Nachts ihr Unwesen in den Straßen von Bogotá treibt. Das ändert sich, als Sie im falschen Stadtteil, zur falschen Zeit ist und eine Begegnung mit dem Kopf der Bande hat, der sie unheimlich attr...