Kapitel 13

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Jegliches Bild war vergessen, 

denn an diesem Ort gab es keinen Platz für Erinnerungen.

>> Amara <<

Ich war es gewohnt zu kämpfen, meine Emotionen niederzuringen und die perfekte Maske aufzusetzen, sodass die Außenwelt nichts von meinem inneren Chaos mitbekam. Es war das erste Mal in meinem Leben, dass ich es nicht schaffte. So sehr ich mich bemühte, wirkte jedes Lächeln falsch. Der scharfe Schmerz in meiner Brust ließ sich nicht verdrängen. Es pochte und riss in mir, erinnerte mich daran, was nur wenige Stunden zuvor passiert war.

Ich schluckte den Kloß in meinem Hals herunter, drängte die neuen Tränen zurück. Es musste weitergehen. Immer und immer wieder. Besser ich gewöhnte mich schnell daran.

Ich parkte den Wagen am Bahnhof von New London. Mit Schrotti käme ich nicht mehr so weit, wie ich fahren müsste. Außerdem kannte Trojan den Wagen und wahrscheinlich mittlerweile auch Jace. Es war sicherer das Auto nicht mehr zu nutzen.

Ich schmiss meinen Rucksack auf den Rücken und ließ den Schlüssel stecken. Vielleicht brauchte eine arme Seele das Auto, um fliehen zu können. Mir hatte er gute Dienste erwiesen. Ein bisschen Wehmut ergriff mich, als ich ein letztes Mal auf mein Gefährt blickte. Dann wandte ich mich ab und lief auf das große Gebäude aus roten Backsteinen zu. Es war Zeit von Wisconsin Abschied zu nehmen und meine Zelte in einem anderen Bundesstaat in den USA aufzuschlagen.

Rastlos stand ich vor der Anzeigetafel. Wohin sollte ich als nächstes? Wo dauerte es länger, bis Jace mich fände? Ich hatte keinen Plan. Kein Ziel und auch keine Kraft, aber ich musste mich verdammt nochmal zusammenreißen.

Seufzend fuhr ich mir durch die Haare, um schließlich erneut den Blick über die Tafel wandern zu lassen. In Fünfzehn Minuten fuhr ein Zug nach Minnesota. Es war nicht der weiteste Bundestaat von Wisconsin entfernt, doch als erster Zwischenstopp geeignet. Die Zugfahrt war zudem lang genug, dass ich mir Gedanken über das weitere Vorgehen machen konnte.

Ich trat an den Ticketschalter. Müde blickte mich eine ältere Dame über ihre Brille hinweg an.

„Guten Morgen", murrte es durch den kleinen Lautsprecher.

„Ein Ticket nach Willow River, bitte."

Ich schob Hundertzwanzig Dollar in die kleine Öffnung. Erst dann reichte sie mir das Ticket.

„Vielen Dank", murmelte ich und nahm es entgegen, ehe ich mich nach dem richtigen Gleis umsah.

Ich lief die Stufen hinauf. Auf dem Steig war keine Menschenseele zu erblicken. Ich ließ mich auf eine Bank fallen, die schon bessere Tage gesehen hatte, dafür glänzten die Schienen in der Abendsonne silbern und zogen für einen Augenblick meine Aufmerksamkeit auf sich.

Es schien mir alles so unwirklich. Ich hatte einen Ort gefunden, an dem ich mich wohlgefühlt hatte. Ich hatte ein Heim gefunden, wo ich mich sicher gefühlt hatte. Und es hatte einen Mann gegeben, dem ich beinahe vertraut hätte. All das war innerhalb von ein paar Stunden implodiert. Nichts davon war für mich bestimmt gewesen. Ich hatte mich einfach nur in ein fremdes Leben gepresst. Ich hatte Elize Platz für eine Weile eingenommen. Jetzt hatte sie sich diesen zurückgeholt. So weh es auch tat, verstand ich, warum sie zurück in ihr altes Leben wollte. Wahrscheinlich war das meine Strafe dafür, dass ich etwas wollte, dass nicht für mich gedacht war.

Meine Augen brannten vor nicht vergossenen Tränen. Diese eine Schwäche ließ ich jetzt nicht zu. Ich konnte später zusammenbrechen. Später konnte die Wut gewinnen, damit ich alles hinausschreien konnte. Hier war nicht der richtige Ort dafür. Es war nicht die richtige Zeit, um schwach zu sein.

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