Epilog

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Er gehörte mir und ich hatte vor alles dafür zu geben diesen Mann glücklich zu machen.

>> Amara <<

Kalt lag seine Hand in meiner. Die Haut über seinen Fingerknöcheln war rau. Die Blässe in seinem Gesicht schien mir unerträglich.

Ich war unglaublich müde, doch an Schlaf war nicht zu denken. Ich musste auf ihn aufpassen. Ich musst da sein, falls er erwacht.

„Wie geht es ihm?", wurde ich aus meiner Trance gerissen.

Ich sah nicht zur Seite. Mir war klar, wer neben mir stand. Ohne ihn dürfte ich gar nicht in diesem Raum sitzen. Trojan und ich waren nicht verheiratet. Dafür hatten wir aber bereits ein ganzes Leben voller Leid hinter uns. Einiges davon hatte ich ihm beschert und wegen mir lag er in dieser viel zu sterilen Umgebung.

Sein verdammtes Herz hatte aufgehört zu schlagen. Die Liebe meines Lebens war in meinen Armen gestorben und ich wäre beinahe daran zugrunde gegangen. Ich hätte jeden Schlag, jede Bestrafung von Jace erneut ertragen, wenn Trojan dafür all diese Verletzungen erspart geblieben wären. Aber er hatte sich dazu entschlossen mich zu schützen. Ich war erstarrt, als er sich auf Jace geschmissen hatte. Es war nicht die Angst, die mich gefangen gehalten hatte, sondern der Schock. In meinem Kopf hatte sich etwas verändert. Ich hatte plötzlich alles gewusst. Jedes Detail, der verlorenen sieben Jahre, war zurückgekehrt. Es war nicht wie die Male zuvor passiert. Ich war nicht wegetreten oder hatte ein bestimmtes Bild gesehen. Es war einfach da gewesen.

Hätte ich nicht so lange an Ort und Stelle verharrt, wäre Trojan vielleicht die Schusswunde erspart worden.

„Keine Veränderung", beantwortete ich Roberts Frage.

„Die örtliche Polizei hat die Ermittlungen gegen dich eingestellt", informierte mich der Agent.

„Sie haben wirklich ermittelt?", hakte ich beinahe tonlos nach.

„Du hast zwanzig Mal auf ihn eingestochen. Da kann man schon mal stutzig werden", sagte er. Ich hörte ein Lächeln in seiner Stimme. Was war daran lustig? Ich hatte einen Menschen getötet, weil ich völlig durchgedreht war. Sämtliche Erinnerungen zurückzuerhalten war Fluch und Segen zugleich. Ich hatte rotgesehen. Jace hatte mir schon mein Kind genommen. Ich wollte ihm nicht die Gelegenheit geben mir auch Trojan zu nehmen.

„Du solltest nach Hause und ein bisschen schlafen."

Konnte Robert nicht einfach gehen? Er tauchte hier jeden Tag auf und versuchte mit mir zu sprechen. Ich wollte aber nicht mit ihm oder einer anderen Menschenseele reden. Ja, ich war ihm dankbar. Ich durfte an Trojans Seite bleiben. Das hieß aber nicht, dass ich gerade Gesellschaft sonderlich gut ertrug.

„Mir geht es gut", murrte ich daher nur.

Ich vernahm sein Seufzen, weshalb ich die Augen verdrehte. Ich hatte ihn nicht darum gebeten vorbeizuschauen. Ich hatte um nichts gebeten.

Roberts Hand tauchte in meinem Sichtfeld auf. Er stellte eine Tüte auf den Nachtschrank des Krankenhauses.

„Iss wenigstens etwas", bat er mich leise, ehe seine Schritte durch den Raum hallten, bis ich das Schließen einer Tür vernahm.

Erleichtert atmete ich aus. Ich war endlich wieder allein mit Trojan. Erschöpft rutschte ich vor und legte meine Stirn auf ein kleines Stück freier Matratze. Selbst diese roch nach Desinfektionsmittel und Krankenhaus. Missmutig verzog ich das Gesicht. Ich vermisste seinen Geruch. Trojan roch für mich nach einem sicheren Ort. Nach meinem Zuhause. Ich hatte mich schon ewig nicht mehr angekommen gefühlt.

Seufzend schloss ich die Augen. Wie lange noch? Wann wurde er endlich wach? Ich wollte in seine schwarzen Augen blicken und mich vergewissern, dass er wirklich okay war. Ich musste sehen, dass die Herzdruckmassage tatsächlich etwas gebracht hatte. Ich wollte doch nur meinen grantigen Kerl zurück.

Ein leises Stöhnen drang an meine Ohren. Sofort hörte ich auf zu atmen. Sämtliche Muskeln gefroren. Ich wagte es nicht mich zu bewegen, um besser hinhören zu können. Es war wieder still. Hatte ich mich verhört?

Vorsichtig hob ich den Kopf. Ich konnte es nicht fassen. Ich glaubte es einfach nicht! Da! Seine Augen waren offen und er sah mich ein bisschen desorientiert an.

„Du bist wach!", konnte ich mich nicht kontrollieren. Trojan verzog das Gesicht. Selbst in meinen Ohren hatte meine Stimme viel zu laut geklungen.

„Offensichtlich. Fuck, mir tut alles weh. Habe ich überlebt?", erkundigte er sich erstaunt.

Ich hätte fast gelacht, wenn ich nicht so unruhig gewesen wäre. Ehrlicherweise wartete ich gerade nur auf die nächste Katastrophe. Das Unheil schien mir an den Fersen zu haften.

„Ich hätte dich nicht sterben lassen", gab ich zurück und drückte leicht seine Hand. Trojan drehte die Handfläche herum und verschränkte unsere Finger miteinander.

„Du siehst scheiße aus", stieß er hervor, nachdem er mein Gesicht ausgiebig betrachtet hatte.

„Du bist so liebevoll zu mir."

Er lächelte mich schwach an.

„Wann warst du das letzte Mal zuhause? Moment. Wie lange liege ich schon hier?"

„Soll ich nicht zuerst einen Arzt rufen? Du bist gerade erst erwacht, Honey", wollte ich ihm nicht zu viel aufbürden.

„Honey?", stürzte er sich auf mein Kosewort.

„Stört es dich?"

Das Lächeln wurde tatsächlich breiter. Langsam schüttelte er den Kopf.

„Nein. Ich mag es. Keinen Arzt. Noch nicht. Erzähl mir lieber, was passiert ist", gab er nicht auf.

Ich widersetzte mich ihm nicht. Ich war zu müde und zu glücklich für irgendwelche Diskussionen.

Also erzählte ich ihm von der Herzdruckmassage. Ich erzählte ihm, wie die Polizei durch die Scheibe in das Gebäude eingedrungen ist. Sie hatten mich verhaftet, weil sie dachten, ich hätte beide Männer umgebracht. Ich hatte die ganze Nacht auf dem Revier verbracht, ehe mich Robert da rausgeholt hatte. Mir hatte Niemand glauben wollen und Trojan konnte meine Geschichte nicht bestätigen. Ich hatte nicht einmal gewusst, ob er überhaupt überlebt hatte.

„Ich hatte eine Scheißangst um dich. Ich wusste nicht, wo du warst und ob du noch lebst. Mir war egal, ob sie mich einbuchten. Ich bat immer wieder nur darum mir zu sagen, ob du es geschafft hast. Aber sie sagten nichts", beendete ich die Erzählung.

Ich ließ dabei aus, dass uns Jace schon eine ganze Weile beobachtet hatte. Das FBI hatte sein Lager in Maple Creek gefunden. Mein Exmann hatte nur auf den passenden Augenblick gewartet, um mich umzubringen. Trojan war dabei nur ein Kollateralschaden.

Trojans Händedruck verfestigte sich. Er versuchte mir Trost zu spenden, obwohl ich ihm jetzt Halt sollte.

„Ich bin hier", bekräftigte er.

Ich sah von unseren Händen auf. Seine wundervollen Augen funkelten mich an. Ich hatte es bisher nur einmal gesagt, aber jetzt begriff ich es umso mehr. Trojan war alles für mich. Er war das, wonach ich schon mein ganzes Leben gesucht hatte.

„Ich liebe dich", konnte ich mich nicht bremsen.

„Bitte mach das nie wieder. Stürz dich nie wieder in den Lauf einer Waffe für mich", flehte ich weiter.

„Weil ich dich liebe, würde ich mich immer wieder vor dich werfen, Süße", erwiderte er. Das Lächeln verschwand aus seinem Gesicht. Ernst blickte er mich an.

Ich wusste, dass ich hier keinen Kampf beginnen konnte. Ich würde verlieren, denn auch ich würde mich für ihn immer vor eine geladene Waffe schmeißen. Daran bestand kein Zweifel.

Wir zwei waren weit davon entfernt perfekt zu sein, aber er war es für mich. Trojan lebte und ich würde nie wieder von seiner Seite weichen. Auch wenn seine verdammte Exfrau wieder auftauchen sollte. Er gehörte mir und ich hatte vor alles dafür zu geben diesen Mann glücklich zu machen. 

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