𝟬𝟰𝟰 : Abschied von Eddie

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Menschen laufen an ihr vorbei, hängen neue Vermisstenanzeigen auf oder bringen anderen etwas zu Trinken, während Liz sich schwertut, aus ihrer Starre aufzuwachen. Erst, als sich eine Kante von Eddies Plektrum schmerzhaft in ihre Handfläche gräbt, wacht sie wieder auf und atmet tief durch.

"Mr. Munson!", sagt sie mit erstaunlich fester Stimme, weshalb der Mann, der vorher Eddies Plakat aufgehängt hat, innehält und seinen Kopf leicht in ihre Richtung dreht.

"Können... können wir reden?", fragt das Mädchen, wahrscheinlich bloß in der Lage, zu reden, weil sie high ist. Liz kennt Wayne Munson nicht persönlich, hat ihn nie getroffen, aber wenn sie bei Eddie zu Besuch war, hat sie ein paar Bilder sehen können oder Eddie selbst hat ein wenig von ihm erzählt, deshalb konnte sie sich erschließen, dass der Mann Eddies Onkel ist.

Wayne dreht sich zu der Brünetten und will sie wohl schon abwimmeln, doch als Liz dann Eddies Halskette aus ihrer Jackentasche holt und der Mann ihr Hellfire-Shirt sieht, stoppt er. Kurz betrachtet er das Mädchen, schaut in ihre müden, traurigen Augen und etwas in ihm weiß sofort, dass Liz Eddie ebenfalls kannte.

"Mein Junge ist unschuldig", meint Wayne und schluckt hart, die Halskette fixierend. Liz nickt leicht und presst kurz ihre Lippen aufeinander, als sie merkt, wie ihr langsam erneut die Tränen kommen. Die letzten Tage über hat sie viel geweint, war allein, jetzt in der Öffentlichkeit will sie das unbedingt vermeiden.

"Ich weiß... glauben Sie mir, das weiß ich. Eds, er... er hat niemanden umgebracht, und mich schon gar nicht als Geisel gehalten", bringt sie irgendwie hervor und schluckt hart, bevor sie weiter auf Eddies Onkel zugeht und ihm die Halskette in die Hand drückt.

"Du bist Liz, richtig?", kommt es leise von Wayne, weshalb Liz kurz fragend die Augenbrauen hebt, dann aber einfach darauf schließt, dass er sie aus den Nachrichten kennt. Sie nickt leicht und schluckt hart, bevor sie von der Halskette ablässt, wieder etwas zurücktritt und die Kette so dem Mann vor sich überlässt.

"Ich kannte Eddie, er ist unschuldig. Ich war keine Geisel, ich bin freiwillig bei ihm geblieben und ich wollte ihm helfen", erzählt Liz, nun mit unsicherer Stimme und sie atmet tief durch, um die Fassung zu wahren.

Wayne betrachtet das Mädchen vor sich eine Weile und glaubt ihr sofort, was sie sagt. Er geht wieder zu ihr und hebt die Halskette an, um sie der Brünetten vorsichtig umzulegen und dann das traurigste Lächeln zu lächeln, das Liz jemals gesehen hat.

"Du bist die Kleine aus Eddies Schulclub, richtig? Er hat von dir erzählt", murmelt Wayne und deutet kurz auf Liz' Hellfire-Shirt, weshalb sich ihre Augen weiten. Eddie hat Wayne von ihr erzählt?

"Wir haben nie viel geredet, auch weil ich viel arbeiten muss, aber wenn, dann hat er gern von einem Mädchen erzählt. Erst dachte ich, dass es dieses Cheerleader-Mädchen ist, aber er meinte, dass sie jetzt Teil des Hellfire-Clubs ist und sie gern Black Sabbath hört, und... und dass er sie 'cool' findet."

Ein leises, trauriges Lachen entflieht Liz und sie senkt den Blick, um eine Träne entwischen zu lassen, bevor sie dann doch antwortet.

"Ja, ich fand ihn genau so cool."

Wayne lächelt ebenfalls, den Tränen genau so nahe wie Liz.

"Ihr seid euch also doch noch näher gekommen", stellt er fest und Liz bringt nichts weiter als ein kurzes Nicken zustande, bevor sie sich über die Augen reibt und tief durchatmet.

"Eddie ist als Held gestorben, er ist... er ist mein Held. Es tut mir leid, dass ich... nichts weiter tun konnte, es...", stottert Liz in einem Versuch, mehr zu erzählen, doch Wayne schüttelt leicht seinen Kopf.

"Ist okay, du trägst keine Schuld. Aber ich danke dir, dass du... dass du mir das gesagt hast. Ich hätte sonst wohl noch ewig weiter nach jemandem gesucht, der... gar nicht mehr da ist."

Die Traurigkeit und Gebrochenheit in Waynes Stimme jagt Liz einen Schauer den Rücken herunter und sie beißt sich fest auf die Unterlippe, um das drohende Schluchzen zurückzuhalten.

"Pass auf dich auf, Kleine, okay? Eddie scheint dich wirklich gemocht zu haben, trag' das bei dir. Er wird immer bei dir sein."

Wayne deutet auf Eddies Plektrum, das er Liz kurz vorher umgelegt hatte, und sie nickt sanft, bevor sie nach der Halskette greift und schlucken muss.

"Mein... mein Beileid, Mr. Munson", haucht das Mädchen zum Abschied, bevor sie sich umdreht und die Kapuze ihrer Jacke wieder tiefer ins Gesicht zieht. Sie kämpft sich durch die Menschenmassen und an den vielen Betten vorbei, jeden um sich herum weitestgehend ignorierend, bevor sie dann doch fast in jemanden hineinrennt. Erschrocken schaut sie hoch und als sie Steves besorgte Augen sieht, will sie sich sofort wieder abwenden.

Der Harrington-Junge greift sanft nach ihrem Arm und hält sie so zurück, doch Liz reißt sich sofort wieder los und wirft dem Jungen einen giftigen Blick zu, trotz der Tränen in ihren Augen mehr als unmissverständlich.

"Liz, bitte. Wir machen uns alle Sorgen, Dustin hat erzählt, was mit Eddie passiert ist. Er und dann noch Max... das muss schwer für dich sein."

Liz lacht ungläubig über seine Worte.

"Ja, Harrington, das ist schwer für mich. Hör zu, mein Leben ist scheiße und Max als meine beste Freundin und Eddie als mein Freund waren die einzigen, die mir wirklich richtig geholfen haben. Also verzeih' mir, wenn ich nicht wie ihr alle so einfach darüber hinwegsehen und fröhlich weiterleben kann, denn im Gegensatz zu euch trifft es mich, dass Eddie tot ist und Max vielleicht nie wieder aufwachen wird!", erklärt sie, wobei sie zum Ende hin immer lauter und wütender wird, inzwischen doch die ein oder andere Träne über ihre Wangen laufend. Steve währenddessen mustert sie überrascht, diesen Gefühlsausbruch hatte er nicht erwartet.

"Woah, sag mal, bist du high oder so?", fragt er, eigentlich eher als Scherz gemeint, doch Liz verdreht nur ihre Augen und fährt sich über das Gesicht, wütend die Tränen wegwischend.

"Und wenn schon, was interessiert dich das? Euch allen scheint's ja prima zu gehen, ich habe eben meine eigene Methode, um überhaupt klarzukommen!"

Mit diesen Worten dreht sie auf ihrem Absatz um und stürmt aus der Turnhalle, Steve vollkommen überrumpelt zurücklassend. Sie versucht, ihren Atem wieder unter Kontrolle zu bringen und steigt aufgebracht ins Auto, um die Tür hinter sich dann wieder zuknallen zu können und eine Weile auf das Lenkrad einzuschlagen. Es war keine gute Idee, herzukommen, aber es tat gut, sich zumindest kurz mit Wayne unterhalten zu haben.

In Liz flammt das Bedürfnis auf, einen weiteren Joint anzuzünden, aber bevor sie dem nachgeben kann, startet sie den Motor und parkt schnell aus, um sich dann auf den Weg zu ihrem eigentlichen Ziel zu machen.

Dem Friedhof.

eddie "the hero" munson || s.t. ffWo Geschichten leben. Entdecke jetzt