Der Club

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Izuku

Wir fuhren in meinem Lieblingsclub. Kyoka Jiro, DJ und Tochter des Clubbesitzers, war eine alte Freundin von mir, weshalb ich auch in den Genuss eines Parkplatzes in der Tiefgarage kam. Man kannte mich hier, warum ich auch die lange Schlange vor dem U.A. ignorieren konnte und wir direkt zum Türsteher gingen.

Aus dem Augenwinkel sah ich wie ein Mann uns von der Seite verfolgte. Geschickt schirmte Katzuki mich ab, ehe der Mann Fotos machen konnte. Schon wieder so ein dämlicher Paparazzo. Schnell schlüpfte ich an Rikido Sato, dem Türsteher vorbei.

„Hey Izuku, danke für den Buchtipp. Moby-Dick ist wirklich großartig", sagte er und öffnete uns die Tür.

„So ein Dreck. War ja klar. Diese Goldtaler scheißende Schwuchtel und seinen wasserstoffblonden Stecher lässt du rein", pöbelte ein Mann mit Bürstenhaarschnitt uns an.

Ich ignorierte ihn. Stattdessen zeigte ich auf meine Kommilitoninnen, die noch in der Reihe standen, und Rikido winkte sie durch.

Wir waren noch keine fünf Meter weit gekommen, als mir mein alter Kumpel Denki Kaminari über den Weg lief. Er legte den Arm um meine Schulter und schob mich regelrecht zu einer Sitznische. Itsuka Kendo und Neito Monoma, saßen bereits dort. Ich bestellte erstmal eine Magnum-Flasche Champagner für uns alle.

„Ich werde an der Wand dort stehen und ein Auge auf dich haben", knurrte Katzuki und ich sah ihm seine schlechte Laune an.

„Vergiss es, du setzt dich zu mir."

Huschte da ein Lächeln über sein Gesicht? „Ich hab da einen besseren Überblick."

„Ach komm schon! Feier doch ein bisschen mit mir."

„Ich muss meinen Job machen, Deku!"

Ich zucke mit den Schultern und wandte mich Denki zu, den ich schon lange nicht mehr gesehen hatte.

„Der ist doch dein neuer Lover." Es war keine Frage.

„Wieso meinst du?"

„Na ja, er lässt dich nicht aus den Augen. Aber es ist eher, wie du ihn ansieht. Da ist doch eindeutig ein Knistern." Er zwinkerte mir zu. „Wo hast du denn aufgerissen? Bei einem Fotoshooting?"

Ich schüttelte den Kopf.

Er zog gespielt erschrocken die Luft ein. „Oder ist er ein Host?"

Jetzt musste ich lachen. Ich lehnte mich zu ihm und flüsterte an seinem Ohr. „Behalte es für dich, aber er ist mein Bodyguard."

Denki sah mich an, als würde er mir kein Wort glauben.

Irgendwann zogen mich Ochako und Momo auf die Tanzfläche, weil sie mir unbedingt einen dieser neuen Tänze beibringen wollten, den man wohl jetzt überall tanzte. Es machte wirklich richtig Spaß.

Das Lied wechselte und die Tanzfläche leerte sich ein wenig. Ein Stich jagte durch mein Herz, als ich ihn sah. Da stand er. Mein Ex, flirtend mit diesem Kirishima. Scheiße was machte er ausgerechnet hier? Falscher Ort, falsche Zeit. Mit einem Schlag war die gute Laune dahin. Ich brauchte dringen frische Luft und machte mich auf den Weg zur Dachterrasse.

Um diese Uhrzeit war die Terrasse menschenleer. Die Bar hatte geschlossen und die Stühle standen auf den Tischen. Ich stellte mich ans Geländer und blickte nach Süden. Am Tag konnte man von hieraus das Meer sehen. Der Mond zog seinen einsamen Kreis über das nachtschwarze Firmament. Sterne waren, wie so oft, über Tokio keine zu sehen.

Ich musste ein für alle Mal mit der Sache abschließen. Aber die erste große Liebe ist immer am schwersten zu vergessen und der Schmerz ihn verloren zu haben, hatte mir tief ins Fleisch geschnitten. Die Wunde war bis heute nicht verheilt. Wir hatten schöne Zeiten. Wir waren Rebellen und fühlten uns wie Könige. Doch dann ging alles den Bach runter. Er schrieb mir noch einen Brief, in dem er die Beziehung beendete. Sein Vater hatte ihn nach Europa geschickt. Auf ein strenges Internat in Südengland. Seitdem hatte ich nichts mehr von ihm gehört. Wir waren verliebte Teenager gewesen. Er war weitergezogen. Natürlich, was hatte ich erwartet. Auch für mich war es Zeit weiterzuziehen. Es war nicht so, als ob ich wie ein Mönch gelebt hatte, aber eine neue Liebe hatte ich nie gefunden. Tief atmete ich die kühle Nachtluft ein, dann drehte ich mich um und wollte die Dachterrasse verlassen.

„Wohin so schnell Schwuchtel?"

Verdammt der Bürstenhaarschnitt. Für den hatte ich nun wirklich keinen Nerv.

„Halt die Fresse du Mistkerl und lass mich vorbei!", pöbelte ich zurück.

„Du schreist geradezu nach einer Abreibung."

Er baute sich mit geballten Fäusten vor mir auf. In den schwarzen Augen funkelte tiefer Hass und Mordlust. Oh verdammt, ich saß in der Klemme. Da fiel mir mein Armband ein. Doch bevor ich den Knopf drücken konnte, kam der Typ, mit vor Abscheu verzogenem Gesicht, wie ein Berserker auf mich zu. Ich wich panisch zurück. Seine Faust landete in meinem Gesicht. Schmerz explodierte in meinem Hirn. Vor meinen Augen tanzten dunkle Flecke. Ich taumelte gegen die Absperrung und rutsche daran herunter. Scheiße, das hatte gesessen. Ich war am Arsch.

Ich riss die Arme schützend vor meinen Kopf. Wollte den nächsten Schlag abfangen, als der Drecksack nach hinten gezogen wurde, weg von mir. Wie aus dem Nichts war Katsuki zwischen uns. Der Bürstenhaarschnitt ging auf ihn los. Schneller als ich es erfassen konnte, lag er mit blutigen Lippen auf dem Boden. Den Arm auf den Rücken gedreht, kniete Katsuki über ihm.

„Scheiß Schwuchtel, lass mich sofort los!"

„Verschwinde du homophober Wichser, bevor ich die Bullen rufe!"

Er ließ ihn los und wandte sich augenblicklich zu mir. Tränen rannen ungehindert über mein geschundenes Gesicht. Ich klammerte mich an ihn. Er zog mich schützend in seine Arme.

„Scheiße, alles okay?"

Ich nickte, aber in meinen Kopf drehte sich auf einmal alles und mir wurde schlecht.

„Kannst du mich nach Hause bringen?"

„Komm, wir gehen." Er legte seinen Arm um mich.

In dem Moment stürmte Bürstenhaarschnitt auf uns los. In einer schnellen Bewegung drehte mein Bodyguard sich um und rammte ihm den Ellenbogen auf die Nase. Der Typ fiel um wie ein Sack Reis. Rikido kam mit einer weiteren Security auf die Terrasse und schnappte sich den Mistkerl. Ich saß wie erstarrt da und Katsuki musste mich auf die Beine ziehen. In meinem Kopf surrte es. Wir verließen den Club durch den Hinterausgang. Er brachte mich zurück in die Tiefgarage und setzte mich ins Auto. Ich zitterte an ganzen Leib. Bänder aus Eis legten sich um meinen Magen. Dieser Verrückte hatte es todernst gemeint und mich ernsthaft verletzten wollen. Und ich wäre ihm ausgeliefert gewesen, wenn Katsuki nicht ...

Ich atmete tief durch. Riss mich aus meinen Gedanken und sah ihn an, konnte aber seinen Gesichtsausdruck in der Dunkelheit nicht deuten. War es Wut? Sorge? Er griff nach meiner Hand und drückte sie leicht.

„Dieser Wagen ist eine Festung." Er sprach mit leiser, beruhigender Stimme. „Hier drin kann dir nichts passieren."

Ich spürte, dass das Zittern nachließ. Er startete den Motor und fuhr mit quietschenden Reifen aus der Garage.

Mein Kopf tat verdammt weh und ich schloss die Augen. Das alles war einfach zu viel. Im Halbschlaf bekam ich mit, dass die Lichter der Stadt an uns vorbei jagten und wir irgendwann auf das Campusgelände einbogen.

Vorsichtig rüttelte er an meiner Schulter und weckte mich aus dem Dämmerzustand. „Wir sind da. Du musst aussteigen."

Ich zog die Beine an den Körper. „Können wir nicht in dieser Festung bleiben."

„He, alles gut. Ich bin da und pass auf dich auf."

Ich schüttelte den Kopf.

„Tss, sei nicht so kindisch. Ich hab gesagt, ich pass auf dich auf."

Ich war unendlich müde, sodass ich mich kaum auf den Beinen halten konnte. Er half mir aus dem Wagen und in die Wohnung.

Erschöpft lag ich im Bett und starrte an die Decke. Mein Auge pochte unangenehm. Katsuki kam mit einem Eisbeutel ins Zimmer, setzte sich neben mich und legte ihn mir vorsichtig auf die Schwellung. Ich wusste nicht warum, aber seine Nähe war tröstend und tat mir unheimlich gut.

„Scheiße Kleiner, das hätte nicht passiert dürfen. Ich hätte dich beschützen müssen."

Machte er sich Vorwürfe?

„Nicht deine Schuld", versuchte ich durch die zusammengebissenen Zähne hervorzupressen.

Er fuhr mir durch die Haare. „Hast du Schmerzen?"

Ich nickte.

„Warte, ich bring dir ein Aspirin."

Er strich mir nochmals tröstend über den Kopf, dann stand er auf und verließ das Zimmer. Sofort erstarb das beruhigende Gefühl der Sicherheit und mein Puls beschleunigte sich. Für einen Moment hatte ich die Befürchtung nicht genügen Luft zu bekommen, doch dann betrat er erneut mein Zimmer mit einem Glas Wasser, in dem sich gerade eine Tablette auflöste. Er setzte sich wieder zu mir und reichte mir das Glas. Etwas umständlich setzte ich mich auf und leerte es in großen Schlucken. Erst jetzt bemerkte ich, wie trocken eigentlich meine Kehle war. Er nahm mir das Gas ab und wollte aufstehen, doch ich vergrub meine Finger in seinem Shirt.

„Kannst du hierbleiben? Bei mir? Nur noch für eine Weile?"


Er nickte, wuschelte mir durchs Haar und stellte das Glas auf dem Nachtschränkchen ab. „Rück mal ein Stück!"

Ich machte ihm Platz und er legte sich neben mich. Seine Hände hinter seinem Kopf verschränkt. Ich legte mich gerade so nah an ihm, ohne ihn zu berühren. Ich atmete tief durch. Dann fielen mir die Augen zu.


Bodyguard - Someone to die forWo Geschichten leben. Entdecke jetzt