Ein Zettel

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Katuski

Ich hatte die Türkamera mit meinem Laptop gekoppelt. Der Flur war so leichter im Auge zu behalten, solange Midoriya bei diesem Halb-Weiß-Halb-Rot-Bastard war. Aber es blieb die ganze Zeit ruhig. Niemand kam und niemand ging.

Ich war nicht der Typ, der sich von Misserfolgen aus der beschissenen Bahn werfen ließ. Dennoch glaubte ich langsam, dass Midoriya mit einem erfahreneren Leibwächter besser dran wäre. In der Zeit, da ich sein persönlicher Bodyguard gewesen war, wurde er fast im Park überfallen, wurde im Club zusammengeschlagen und landete im Krankenhaus, nach dem ihm scheiß Drogen verabreicht wurden. So etwas durfte einfach nicht passieren. Noch mehr solcher Fehler konnte und würde ich mir nicht erlauben.

Es gab mal eine Zeit, da dachte ich, das Leben wäre einfach, wenn du zu den Großen in Japan gehörst. Doch Neid, Hass, Machtmissbrauch und Korruption sind die ständigen Wegbegleiter. Fressen oder gefressen werden. Tokio ist ein einziger Zoo voller freilaufender Vollpfosten, wie diese verfickte Himiko. Ich musste ihn vor dieser Dreckswelt beschützen.

Als Erstes würde ich eine Spy-App auf seinem Handy installieren, sodass ich ihn im Notfall auch aus größeren Entfernungen auffinden konnte. Zudem würde ich mein Büro über jeden noch so kleinen Schritt, den wir machen würden, informieren. Alleine mit ihm auf einen Berg zu wandern, ohne dass jemand davon wusste, kam mir gerade wie kindlicher Leichtsinn vor. Ich würde mir nicht verzeihen können, wenn dem Kleinen etwas zustoßen würde. Nicht auch ihm noch.

Verdammt, es war wichtiger denn je, professionell zu bleiben. Aber dennoch lag mir Izuku mehr am Herzen, als er es sollte. Wenn man quasi Tag und Nacht zusammen verbrachte, blieb das wohl nicht aus. Der Gedanken, dass er bereits zwei Stunden alleine bei seinem beschissenen Ex war, machte mich verrückterweise sogar etwas eifersüchtig. Dabei hatte ich mir doch geschworen, nie wieder einen Menschen auch nur in die Nähe meines Herzens kommen zu lassen, und das würde ich auch nicht. Gefühle machten schwach. Hilflos. Verletzlich. Nichts davon konnte ich mir in meinem Beruf leisten.


Die nächst Woche startete ruhig und Midoryja hatte wohl beschlossen, auf das zu hören, was ich ihm sagte. Selbst die App ließ er auf sein Smartphone installieren und trug zusätzlich rund um die Uhr das Armband.

Am Mittwoch saßen wir nach der Vorlesung in kreativem Schreiben zusammen an unserer Übungsaufgabe. Wir sollten anhand einer Geschichte die Heldenreise aufzeichnen.

„... Sie spürte die Wärme seines Armes durch den Pullover. Wohlig stieg sie an ihrer Schulter nach oben, breitete sich aus und ließ ihren Puls rasen. Sie sah zu ihm. Langsam beugte sie sich vor ..."

Izuku schien fast sehnsüchtig an meinen Lippen zu hängen und ich las weiter.

„Ein schiefes Grinsen breite sich auf Rikus Gesicht auf. Rin erstarrte in der Bewegung. Verwirrung überschwemmte sie, als sie darum kämpfte, sich ihm nicht weiter zu nähern. Sie sollte aufhören, auf seine Lippen zu starren, zumal es irgendwie unheimlich war, die Lippen ihres Schülers anzustarren. Sie hob den Blick und merkte zu spät, dass es das Falsche war. Denn jetzt starrte sie in diese verwegenen mintgrünen Augen, die sie gefangen hielten und von viel zu langen Wimpern umrahmt waren ..." Ich hielt inne. Sah Izuku nur fragend an.

„Hörst du mir zu?"

„Hä? Ja, natürlich." Er senkte den Blick ins Buch. „Heldenreise", las er vor.

„Du hast mir überhaupt nicht zugehört. Was soll der Mist? Stattdessen starrst du mich abwesend an. Lass das!"

Izukus Wangen liefen rot an, als er offensichtlich feststellte, dass sein Blick schon wieder zu meinem Mund gewandert war. „Ich klebe dir halt an den Lippen, weil ...", er brach ab, als hätte er vergessen, was er sagen wollte.

„... weil es so unglaublich interessant ist, was ich vorlese?", half ich weiter.

„Nein! Also doch ... also ... Weil..."

„Weil?"

Er schluckte. „Weil sie so unglaublich perfekt sind."

Bevor ich reagieren konnte überbrückte er die Distanz und küsste mich einfach. Alles in mir spannte sich an. Er löste sich sofort.

„Oh Mist! Das war keine ... Fuck! Sorry!"

Ich lehnte mich zurück und sah ihn an. „Tu das nicht Izuku!"

„Ja natürlich, ich weiß schon. Du bist mein Bodyguard und ich bin nur ein Job und du ein Profi ..."

„Tu das nicht, weil es uns beiden das Herz brechen würde." Dann stand ich auf und eilte in mein Zimmer, gerade so schnell, dass es nicht nach einer scheiß Flucht aussah.

Ich lehnte den Kopf an die Tür. Mein Herz raste und mein Atem ging viel zu schnell. Ich biss mir auf die Unterlippe. Verdammt, warum brachte mich so ein flüchtiger Kuss so aus der Bahn? Ich war kein bescheuerter Teenager. Ich würde mich jetzt zusammenreißen und da rausgehen und meinen scheiß Job machen. Dieser verdammte Deku machte das doch mit Absicht. Wieso schaffte er es, mir unter die Haut zu gehen? Ein beschissener Juckreiz und ich konnte noch nicht mal kratzen, da es dann nur schlimmer werden würde.

In diesem Moment klopfe es an der Tür.

„K... Katsuki ... kannst du bitte mal rauskommen?"

Ich atmete tief durch und öffnete die Zimmertür. Schockgeweitete Augen sahen mich an.

„Izuku, alles klar?", fragte ich alarmiert.

Er schüttelte den Kopf. Hielt mir mit zitternder Hand einen Zettel entgegen. „Der wurde unter der Tür durchgeschoben."

Ich drehte das Blatt um. Mit fröhlich bunten Buchstaben, die sorgfältig ausgeschnitten und aufgeklebt worden waren, stand da: Gib sie uns. Oder du bist tot. Auf die I's hatte jemand rosa Herzen gemalt.

Tränen traten in seine Augen. „I... ich dachte, sie hätten es aufgegeben."

Ganz automatisch schlag ich die Arme um ihn und er krallte sich in mein Sweat-Shirt. „Hey, ganz ruhig. Du bist nicht in unmittelbarer Gefahr." Ich strich ihm über die Haare. „Das war bestimmt diese verrückte blonde Vogelscheuche. Die will sich nur rächen und macht dir Angst."

„Das glaub ich nicht. Es ist eine Weile her. An der Oberschule, um genau zu sein. Aber ich hab schon mehr von diesen Briefen erhalten."

„Und nie ist etwas passiert", versuchte ich ihn zu beruhigen.

„Aber wie haben sie mich hier gefunden? Verdammt Katsuki! Die sind mir so schnell hier auf die Spur gekommen."

Ich wusste von Drohbriefen, hatte aber keinen gesehen. Vielleicht steckte doch mehr dahinter. Aber dass sie ihn offensichtlich gesucht haben, beunruhigte mich. „Okay, wir fahren jetzt zur Polizei."

Es war bereits dunkel, als wir endlich zurück waren. Izuku hatte dem Gesetzeshüter alles erzählt. Alles über die Drohbriefe, die er seit fast einem Jahr erhielt. Sie wollten an die Formel eines experimentellen Mittels, an dem die Firma seiner Mutter geforscht hatte und das nie auf den Markt kam. Mehr durfte er darüber nicht sagen.
Die ganze Zeit hatte er meine Hand gehalten. Der Polizist hatte es bemerkt, verkniff sich aber einen Kommentar. Er hat uns zugesagt, dass in der nächsten Zeit mehrmals täglich eine Streife an unserer Wohnung vorbeifahren würde.

Jetzt saß Izuku auf dem Sofa. Eingewickelt in seine kuschlige Lieblingsdecke. Ich machte ihm einen Tee und setzte mich zu ihm.

„Ich bin so froh, dass du an meine Seite geblieben bist. Es war beruhigend. So konnte ich das alles durchstehen. Danke, dass du selbst den Anruf bei meiner Mutter übernommen hast und mich entschuldigt hast, als du merktest, dass ich nicht mit ihr reden wollte. Wie oft hast du mir in der kurzen Zeit schon aus der Patsche helfen müssen. Ich war wie immer die reinste Belastung."

„Ich hab nur gesagt, dass du dich hingelegt hättest und jetzt etwas Ruhe bräuchte. Du kannst sie ja noch später oder morgen anrufen. Aber als dein Leibwächter habe ich mir nun wirklich keine Lorbeeren verdient."


Bodyguard - Someone to die forWo Geschichten leben. Entdecke jetzt