Koma

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Katsuki

Ich war in diesem Raum. Er war dunkel und kalt. Aber ich fror nicht. Nichts drang zu mir durch. Ich wusste nicht, ob ich stand, oder lag, oder schwebte. Es gab kein oben und kein unten. Hier gab es nichts. Ich wusste nicht, wo ich war, oder wer, oder ob ich überhaupt noch lebte. Ich fühlte nichts. Kein Schmerz, keine Freude. Der Raum schien unendlich zu sein und dennoch sah ich plötzlich zwei Türen, die weit offen standen.

Aus der einen strahlte mir helles warmes Licht entgegen. Lockte mich mit einem Versprechen, das hinter ihr die Erlösung lag. Hier gab es keine Last und Pein, keine Einsamkeit und die Zuversicht, alle zu sehen, die ich verloren hatte. Nur ewige unendliche Glückseligkeit. Dennoch hielt mich etwas davon ab mich direkt hineinzustürzen. Aus der anderen Tür flackerte mir rotes Licht entgegen. Verführerisch und dennoch wusste ich, dass dahinter Angst und Schmerzen lagen. Aber auch eine weitere Tür, die mich zurückbrachte. Ich wusste nicht, wohin zurück, aber dennoch zog sie meine Blicke magisch an. Nein, das konnte nicht die richtige Tür sein. Ich wand mich ab.

Auf einmal echote eine Stimme durch meine Gedanken. Eine Stimme, die so voller Schmerz war, dass ich innehielt. Ich wusste, die Stimme kam aus dem Raum hinter der Hölle.

„Lass mich nicht allein! Bitte Katsuki, bleib bei mir!"

Katsuki? War das mein Name?

„Du darfst mich nicht verlassen!"

Irgendwas in der Stimme kam mir vertraut vor. Trotz dass sie so verzweifelt war, klang sie melodisch. Ich wollte wissen, wem diese Stimme gehörte. Aber warum sollte ich durch diese Hölle gehen? Es ging mir doch gut hier. Ich würde ihr einfach noch eine Weile lauschen. Mir war klar, selbst wenn ich den Raum der Pein durchqueren wollte, fehlte mir die Kraft dazu. Also setzte ich mich mitten in die Dunkelheit.

Ich wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, als ich sie das nächste Mal in meinen Gedanken vernahm und ob es hier überhaupt so etwas gab wie Zeit. Es war eine männliche Stimme und der, dem sie offensichtlich gehörte, kam immer wieder. Oft weinte er, aber manchmal lachte er auch. Das klang so schön. Ich konnte der Stimme nicht folgen, doch je öfter er mir Dinge erzählte, desto besser verstand ich ihn. Seine Stimme schien mich zu wärmen, auch wenn es zunehmend kälter in dem Raum wurde. Sie zog mich an, faszinierte mich und ich rückte immer näher zu der Tür, weiter weg vom weißen Licht. Ich bemerkte noch mehr Stimmen, aber keine davon konnte ich verstehen. Nur seine, als würde uns etwas verbinden.

Heute erzählte er mir von einem Hawks. Kannte ich diesen Namen? Er hatte jemand geschnappt und die Stimme schien erleichtert zu klingen. Jetzt könne er zurück an die Uni.

Er erzählte mir von einem jungen Mann, denn er dort kennengelernt hatte, den er so sehr liebte. Und dass ich wohl derjenige war. Und dann weinte er bitterlich. Ich wusste nicht, ob ich das alles so richtig verstand, aber da draußen, außerhalb des Raumes, gab es jemand, der mich liebte. Und das erste Mal wollte ich meinen Raum verlassen. Alle Instinkte in mir schrien auf und wollten zu ihm, ihn trösten. Doch da war dieser Raum voller Schmerz und Angst. Ich müsste ihn durchqueren. Ich wollte so sehr zu ihm, aber ich schaffte es nicht. Etwas schien mich an Ort und Stelle zu halten. Mich geradezu zu fesseln.

Seitdem war er nicht mehr bei mir gewesen. Hatte er mich vergessen? Die anderen Stimmen um mich herum waren deutlicher geworden, doch ich beachtete sie nicht. Und langsam sickerte die Kälte in mich. Die Kälte, die seine Stimme immer ferngehalten hatte. Ich versuchte, mich zu erinnern. An all seine Worte. An uns. Hatte es denn ein uns gegeben, da auf der anderen Seite?

Und dann war sie wieder da, seine Stimme. Sie klang heiter. Ich war so froh!

„Sie mal, wenn ich dir mitgebracht habe. Sie hatte solche Sehnsucht nach dir. Mindestens so viel wie ich. Weißt du Katsuki, die Ärzte sagen alle, dass du körperlich wieder gesund wärst, aber aus irgendeinem Grund nicht aufwachen willst. Ich weiß nicht, ob etwas von dem, was ich sage, zu dir durchdringt. Aber vielleicht schafft das ja Yuki!"

Yuki? Plötzlich bellte da ein Hund. Laut und aufgeregt. Und Bilder blitzen vor meinen Augen auf. Ich halte ein Handy in der Hand. „Verschwindet von dort! Sofort!", höre ich Hawks Stimme. Sie wollten ihn töten. Ich stand auf. Ich musste zu ihm. Egal, was es kostete, ich musste ihn retten. Und wenn ich durch die Hölle musste. Ich sprengte die Ketten, die mich hielten, und rannte los ...

Bodyguard - Someone to die forWo Geschichten leben. Entdecke jetzt