Peinliche Sachen

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Izuku

Es war dunkel hier. Etwas versuchte mich in dieser Finsternis zu halten. Es gab kein Licht. Kein Geräusch. Kein Garnichts. Auf einmal vernahm ich ein Blubbern an meinem Ohr. Es wurde lauter. Nein, es war kein Blubbern. Jemand rief meinen Namen.

„Izuku! Verdammt, mach die scheiß Augen auf!"

Ich blinzelte ins Licht. Da war ja Katsuki. Hatte der schon immer so gut ausgesehen? „He Kacchan, mein Hübscher. Hi, hi."

„Verflucht komm zu dir."

„Ist ja schon gut." Ich fuchtelte mit dem Arm vor meinen Augen, um all die lästigen Glühwürmchen zu vertreiben. Langsam setzte ich mich auf. Irgendwie drehte sich alles. Aber es ging mir gut. So gut hatte ich mich schon lange nicht mehr gefühlt. So leicht, als könnte ich davonfliegen.

„Was hast du getrunken?" Seine Stimme klang viel zu ernst.

„Ach, mach dir nicht ins Hemd, Kacchan! War nur zwei Schluck Champus. Wo ist eigentlich Himiko?"

„Verdammt, dieses Decksgöre hat dir Drogen in dein Glas gekippt."

„Ach, das erklärt einiges. Komm Süßer, lass uns zurück auf die Party! Ich will mit dir singen und tanzen. Spaß haben."

„Izuku, es tut mir leid. Ich habe dich schon wieder nicht beschützt. Ich bin nicht der beste Bodyguard, ich bin der mieseste."

„Keine Ahnung wovon du redest. Aber auf jeden Fall bist du der, der am hübschesten ist. Hi, hi. Hat dir schon mal jemand gesagt, wie unglaublich sexy du bist? Ich glaub, ich hab mich in dich verguckt. Magst du mich auch, Ka ... Kacchan?"

„Vielleicht sollten wir ins Krankenhaus. Wer weiß, was das für ein Zeug war."

Ich schob die Unterlippe vor. „Och nö, lass uns zur Party gehen. Ich will mit meinem heißen Bodyguard angeben."

Katsuki sagte nicht.

Ich boxte ihm an den Oberarm. Zumindest versuchte ich es. „He Kacchan, warum guckst du denn so traurig. Hör mal! Ich flirte mit dir. Du solltest jetzt so was sagen wie: He Izuku, du bist auch sehr attraktiv. Und ich will dich küssen." Ich versuchte, meine Stimme wie seine klingen zu lassen.

Jetzt musste auch er kurz grinsen. „Ich weiß ja, dass die Drogen aus dir sprechen, aber so etwas solltest du nicht sagen."

„Pff... wieso nicht? Ich mag dich. Zumindest meistens. Gerade nicht so, glaub ich. Aber wieso eigentlich nicht?"

„Ich bin dein Bodyguard und du mein Job. Wenn schon solltest du so was sagen wie: Verdammt, mach deinen Job besser."

„Autsch! Versehe. Okay, noch einen Grund mehr auf die Party zu gehen. Vielleicht reiß ich mir da ja einen netten Jungen auf, oder auch ein nettes Mädchen. Ich hatte schon seeeehr lange keinen Sex mehr. Zumindest nicht mit jemand anderem, als mit meiner rechten Hand. Hi, hi."

„So wie diese blonde Bitch?"

„Ja genau. Die war wenigstens nett zu mir."

„Ich muss dich enttäuschen, Deku. Die hatte es auf was ganz anderes abgesehen."

„Na und, ist für mich nix Neues. Ich geh jetzt auf die Party! Ich will feiern!"

Ich stand auf. Ein bisschen zu schnell. Und spürte nur noch, wie meine Knie nachgaben und wie ich in Katsukis Arme fiel. – So starke Arme. Dann wurde es erneut dunkel.

Als ich aufwachte, blickte ich an eine weiße Decke, die viel zu hoch war, für mein Schlafzimmer. Ich ahnte sofort, wo ich war. Ein Blick zu Seite bestätigte meine Befürchtungen. Ich war im Krankenhaus. Mal wieder. Mein Leibwächter saß auf einem Stuhl neben dem Bett. Er hatte die Arme verschränkt, den Kopf auf der Brust und war eingenickt. Hätte ich mein Handy gehabt, hätte ich ihn fotografiert, so süß und friedlich sah er aus.

Die Erinnerungen des letzten Abends sickerten in mein Gedächtnis und ich lief rot an. Oh verdammt. Ich hatte ein paar ziemlich peinliche Sachen gesagt. Aber eigentlich war jede davon wahr. Und es war auch wahr, dass ich den größten Korb meines Lebens bekommen habe. Nun ja, ich war halt nur sein Job. Meine Laune sank direkt auf einen Tiefpunkt. In dem Moment wachte er auf.

„He, geht's dir gut?"

„Ja Mann, lass uns nach Hause gehen!", keifte ich und schlug die Decke weg. „Erledigst du den Papierkram? Ich zieh mich um."

Seine Augenbrauen wanderten nach oben, aber er sagte nichts.


Den Rest des Sonntags verbrachte ich in meinem Zimmer mit Lesen und Lernen und Grübeln, nachdem ich all die beunruhigten Nachrichten auf meinem Handy beantwortet hatte. Als Letztes rief ich meine Mutter an. Katsuki hatte sie offensichtlich benachrichtigt. Das fuchste mich am meisten. So ein unnötiger Aufstand.

Ich wusste, dass er nichts falsch gemacht hatte. Dennoch fühlte ich mich schlecht. Abgewiesen zu werden, tat weh. Aber ob es gekränkter Stolz war oder doch was anderes, wusste ich nicht.

Was es auch immer war, wir hatten uns angenähert, bis vor eine unsichtbare Grenze. Zumindest hatte es sich so angefühlt. Doch jetzt machte er zwei große Schritte zurück. War es Zeit zu akzeptieren, dass selbst echte Freundschaft zwischen uns nicht zu erreichen war? Was hatte diesem Mann nur so verletzt, dass er so hohe Mauern um sich gebaut hatte? Wahrscheinlich würde ich es nie erfahren. Doch mir wurde etwas klar. Er war wichtig für mich geworden. Ich wollte ihn nicht aufgeben. Irgendwie würde ich einen Weg finden. Ich wusste, dass er hinter dieser harten Fassade und hinter diesen Stacheln, die er immer ausfuhr, einen guten Kern hatte, der es wert war, ihn zu entdecken.

Und noch etwas wurde mir klar. Etwas war noch viel faszinierender. Ich hatte die ganze Zeit kein einziges Mal an Shoto gedacht. Und selbst jetzt tat es nicht weh, an ihn zu denken. Ich würde zu ihm gehen und mit ihm reden. Heute noch. Es stand so viel Unausgesprochenes zwischen uns, das zu klären war. Wir konnten Freunde sein. Denn auch er war es wert, ihn als solchen bezeichnen zu können.

Gegen Abend hatte ich Shoto besucht und konnte Katsuki nur mit Mühe überreden, mich alleine gehen zu lassen. Er bestand darauf, dass ich das Notruf-Armband trug. Traute er Shoto nicht? Wenn er ihn besser kennen würde, wäre das sicher anders.

Shoto hatte mir von der Zeit in London erzählt und auch, wie er Eijiro kennengelernt beziehungsweise wiedergetroffen hatte. Und auch davon, dass seine Mutter schon vor Jahren gestorben war. Sie hatte ihm ein beträchtliches Vermögen hinterlassen. Jetzt, da er volljährig war, konnte er darüber verfügen und hatte es so auch geschafft, sich endgültig von seinem Vater loszusagen. Doch dieser hatte zumindest akzeptiert, dass er schwul war. Und offensichtlich akzeptierte er es auch, dass Shoto auf eigenen Füßen stehen wollte. Ob Shoto ihm aber je vergeben konnte, stand auf einem anderen Blatt.


Bodyguard - Someone to die forWo Geschichten leben. Entdecke jetzt