Kurzschluss

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Katsuki

Am Nachmittag machte ich einen Spaziergang den Strand entlang. Midoriya war in Sicherheit und ich brauchte dringend Abstand, um meinen Kopf freizubekommen.

Die Sonne stand hoch am Himmel, doch der Wind wehte kühl und brachte Wolken mit sich. Das Meer war so aufgewühlt, wie ich mich fühlte. Unaufhörlich rauschte die Brandung an Land. Die Gischt lief am flacher werdenden Ufer aus. Griff mit kalten, weißschäumenden Fingern nach meinen nackten Knöcheln, als wollte sie mich ins Wasser locken. Weg von Midoriya. Was für ein absurder Gedanken und dennoch verpasse er mir einen Stich. Verdammte Scheiße, was war nur los mit mir? War ich völlig bekloppt?

Es hätte nicht mehr viel gefehlt, und ich hätte ihn heute Morgen geküsst. Von diesen so weich aussehenden Lippen gekostet. Ah Fuck! Ich konnte doch nicht meinen Klienten küssen. Das hier war ein Job und ich ein scheiß Profi. Das musste ich mir nicht das erste Mal ins Gedächtnis rufen. Wieso brachte mich der grünhaarige Mistkerl dazu, meine in Stein gemeißelten Prinzipien infrage zu stellen? Was zum Henker ging in meinem Kopf bloß vor. Das hier war doch so überhaupt nicht meine Welt. Wäre er vom Mars gewesen, hätten unsere Welten nicht weiter auseinandergelegen und hätte mir nicht fremder sein können. Izuku war jung und wie ein Prinz aufgewachsen. Er konnte wahrscheinlich gar nicht begreifen, wie unterschiedlich wir waren. Zogen wir uns gerade deshalb so an? Ich setzte mich auf den Steg, der zu einem Bootshaus führte. Gedankenversunken betrachtete ich die sich brechenden Wellen.

„He Katsuki, du holst dir noch den Tod."

Erschrocken fuhr ich herum und sah in das freundlich lächelnde Gesicht von Izuku. Ich hatte ihn nicht kommen hören. Zu laut war die Brandung. Er streckte mir eine Jacke entgegen.

„Fuck warum erschreckst du mich so? Deshalb kommst du hier her? Das hättest du dir sparen können. Ich brauch keine Jacke."

„Sei nicht so ein Sturkopf! Wenn du krank bist, kannst du mich nicht mehr beschützen."

„Ich werde nicht krank." Vor mich hin grummelnd, schnappte ich mir die Jacke, die er mir immer noch entgegenhielt. Dieses kleine grünhaarige Monster wusste ganz genau, was er zu mir sagen musste, damit ich das machte, was er wollte. Und ich wusste das auch und dennoch zog ich sie an.

Lächelnd setzte er sich neben mich. „In dem Bootshaus liegt mein Katamaran. Wenn das Wetter wieder besser wird, zeig ich dir, wie man segelt. Weißt du Katsuki, deine große Freiheit mögen die Berge sein. Meine ist das Meer."

„Du segelst?"

„Ja, hat mir mein Vater beigebracht, bevor er gestorben ist."

„Ich hab das Bild in deinem Zimmer gesehen." Gab ich zu. „Das tut mir leid mit deinem Vater. Der Absturz seines Hubschraubers war damals groß in der Presse."

Er atmete tief durch und lehnte sich an meine Schulter. So saßen wir schweigend da, bis die ersten Regentropfen uns zurück ins Haus trieben.

Das Abendessen nahm ich in meinem Zimmer zu mir. Nach dem Duschen telefonierte ich mit Hawks, der hatte aber noch keine Neuheiten für mich. Es klopfte leise an meiner Tür und Izuku trat herein. Er hielt zwei Gläser und eine Flasche irischen Whisky in der Hand.

„Lust auf einen kleinen Schlummertrunk?" Er strahlte mich an, mit einem Lächeln, das Sterne vor Neid verblassen ließ. „Hab ich aus der Bar meiner Mutter geklaut." Ohne eine Antwort abzuwarten, zog er den Verschluss mit den Zähnen ab und füllte die Gläser bis zur Hälfte. Dann reichte er mir eines und stellte die Flasche auf den Schreibtisch, neben meinen Laptop.

„Sollen wir auf was anstoßen?"

„Tss ... Wüste nicht auf was."

„Auch wieder wahr." Er nahm einen großen Schluck und ich bemerkte wie sein Adamsapfel dabei hüpfte. Warum fand ich das gerade so sexy? Verdammt. Ich wandte den Blick ab.

Der Whisky war echt gut und zauberte mir ein Lächeln ins Gesicht.

Izuku setzte sich auf mein Bett. „Und, gibt es was Neues von Hawks?"

Ich trank einen weiteren Schluck und schüttelte dann den Kopf. „Nein absolut nichts."

„Wie wär es, wenn du mir ein bisschen Selbstverteidigung beibringst? Ich meine, das könnte doch nicht schaden, oder?"

„Nein, das könnte es wohl nicht. Aber ich denke nicht, dass ich ein guter Sensei wäre."

„Klar wärst du das. Aber morgen gehen wir erstmal segeln. Da bring ich dir was bei."

Wir unterhielten uns noch eine Weile übers Segeln. Ich merkte ihm an, mit wie viel Herzblut er dabei war. Bei den Begriffen wie Steuerbord und Backbord kam ich ja noch mit. Doch bei allem andern ...

Er holte mir sogar ein Buch aus seinem Zimmer, um es mir besser erklären zu können. Er setzte sich direkt neben mich. Es war so süß, wie begeisterungsfähig er war. Wir blätterten das Buch durch und er wies mich immer wieder auf irgendwelche Besonderheiten hin. Aber alles, was ich denken konnte, war, dass sein Knie meines berührte. Und an die grünen Augen, die so hoffnungsfroh strahlten.

Ein Schalter legte sich in meinem Verstand um und verursachte einen Kurzschluss. Ich starre ihm auf seinen Lippen, ohne mitzubekommen, was er eigentlich sagte. Dann glitt mein Blick etwas tiefer. Bis zum ersten verschlossenen Knopf seines Pyjamas. Ohne aufzublicken, zog ich das Buch weg und legte es auf das Bett. Als bewegte sich mein Köper von ganz alleine, wanderte meine Hand genau zu diesem Knopf. Mit zwei Fingern fuhr ich innen an der Kopfleiste entlang und öffnete ihn. Izuku hielt den Atem an. Meine Finger fuhren tiefer und öffneten den zweiten. Ganz leise hörte ich Izuku keuchen. Sachte legte ich die Hand an seine Brust und spürte sein Herz flattern wie das eines Kolibris. Sein Atem beschleunigte sich.

„Katsuki ..."

Ich sah auf. Sah in geweitete Augen und augenblicklich setzte mein Gehirn wieder ein. Ich zog die Hand weg und rutschte ein Stück zur Seite.
„Du solltest jetzt in dein Bett gehen. Wir reden morgen weiter."

Für einen Moment sah er mich verwirrt an. Dann stand er auf, griff sich die Flasche Whisky und verließ ohne ein weiteres Wort das Zimmer.

Ich vergrub mein Gesicht in den Händen. Was zur Hölle stimmte mit mir nicht. Ich durfte es nicht noch einmal so weit kommen lassen. Ich schaltete das Licht aus und legte mich in mein Bett, aber Schlaf fand ich nicht. Wieso ging mir dieser verdammte Deku nicht mehr aus dem Kopf. Er war doch nur mein Job.

Erschrocken fuhr ich hoch, als ich nebenan ein Scheppern und Klirren hörte. Ich riss die Tür auf. Izuku saß auf dem Boden. Der Idiot hatte die gesamte Flasche leer getrunken und sie dann mit Wucht an die Wand geworfen.

„Gottverflucht Deku! Bist du völlig bescheuert? Willst du dich ins Koma saufen."

Er versuchte aufzustehen, schaffe es aber nicht. Ich hob ihn hoch und trug ihn zu seinem Bett.

Er sah mich an und Tränen funkelten in seinen Augen. „Kacchan, du bist ein ver... verdammter Her... Herzensbrecher", lallte er, dann dämmerte er davon.

Verflucht, ich konnte ihn hier nicht alleine liegen lassen. Was, wenn er sich im Schlaf übergab und daran erstickte. Ich deckte ihn zu. Dann zog ich den Ohrensessel aus der Ecke an sein Bett und setzte mich hinein. Durch das Fenster fiel das fahle Licht des Mondes, der immer wieder zwischen den Wolkenkratern durchblitze. Er malte Muster aus Licht und Schatten auf Izukus helle Haut und verlieh ihm so etwas Übernatürliches. Etwas Engelsgleiches. Der Anblick hielt mich gefangen und meinen Herzschlag beschleunigte sich. Wie sollte ich gegen diese fast übermenschliche Anziehung ankommen? Das würde eine lange Nacht werden.

An nächsten Morgen begrüßte ich ihn mit einem großen Glas Wasser und zwei Kopfschmerztabletten.

„Ich glaube, ich bin tot. Oh scheiße nein. Ich wünschte, ich wäre tot. Ahh! Mein Kopf ...!"

Langsam schälten sich seine Augenlider auseinander. Er versuchte, sich aufzusetzen. Vergeblich. Ich unterdrückte jeglichen Kommentar, setzte mich zu ihm und strecke ihm das Wasser und die Tabletten entgegen.

Er blinzelte mich an. „Du musst so was wie ein Heiliger sein." Beim zweiten Versuch setzte er sich auf und griff danach. „Danke Mann." Er fuhr sich durch das zause Haar. „Können wir unseren Segelausflug verschieben?"


Bodyguard - Someone to die forWo Geschichten leben. Entdecke jetzt