KAPITEL 2

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Ich melde mich aus dem Urlaub mit Kapitel 2. Nach drei ersten sehr schönen Tagen ist es heute im Bayerischen Wald sehr verregnet. Habt einen schönen Sonntag und DANKE für eure lieben Worte zum Start von Teil 2. ❤️

Reniawen und @Patricia_Raven.

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Mitte Mai 1998

Jimmy

Langsam schließt sich die Tür meines neuen kleinen Reichs hinter mir und ich schaue mich um. Das Zimmer beinhaltet wenig: einen großen, wuchtigen Kleiderschrank, zwei einzelne Betten, Nachttische, Wäschekörbe an beiden Bettenden. Vor dem Fenster, das hinaus in den Park der Anlage zeigt, hängen schwere Vorhänge mit braun-gelben Mustern, passend zu der in freundlichem gelb gestrichenen Wand. Die nette Dame am Empfang unten erklärte mir, dass ich irgendwann einen Mitbewohner bekommen werde, aber vorerst werde ich alleine hier schlafen. Es ist nicht viel. Keine Luxussuite in einem 5 Sterne Hotel mit Pagen, die mir jeden Wunsch von den Augen ablesen wie im Kölner Hyatt, aber das ist mir vollkommen egal. Es ist genau das, was ich jetzt brauche.
Ich stelle meine Gitarrentasche in die Ecke eines der Betten, das ich zu meinem auserkoren habe und trete ans Fenster. Eine saubere Parkanlage öffnet sich unter mir, akkurat geschnittene Bäume, eine Parkbank zum chillen. Die wenigen Bilder der Anlage, die ich im Internet gefunden habe, haben mich sofort überzeugt, dass ich hier genau den richtigen Ort gefunden habe. Und die Eindrücke, als ich eben hier im Rutland Center in Dublin ankam, haben dies nur bestätigt. Warme Farben an den Wänden, eine gemütliche Atmosphäre, ein wenig abgeschieden - genau der richtige Ort, um einen Entzug zu machen.

Schon seit einiger Zeit spüre ich, dass mein Körper erschöpft ist. Ich habe keine Kraft mehr, den Stress durchzuziehen. Das Kiffen hilft nicht mehr, mittlerweile brauche ich anderes Zeug, um klar zu kommen. Spätestens, seit ich auch für das neue Album, das im Herbst erscheinen soll, keinen Song hinbekommen habe, wurde mir klar, dass ich die Notbremse ziehen muss. All das, was wir erreicht haben, gibt mir nichts mehr. Nicht die Konzerte, nicht der Erfolg unserer letzten Alben Almost Heaven und Growin' Up, nicht die Euphorie der Fans, die in den vergangenen zwei Jahren immer mehr zugenommen hat. Und schon gar nicht die Preise, mit denen wir überschüttet wurden.
Natürlich schmerzte die Erkenntnis, dass ich so tief gesunken bin, dass ich nicht einmal Songideen habe, dass ich ohne Joints kein Konzert mehr durchstehe. Patricia hat mir schon vor ein paar Monaten nahegelegt, mir helfen zu lassen, das war kurz nach der Carreras-Gala. Schon damals war mir bewusst, dass es so nicht weitergehen kann. Aber ich war noch nicht bereit für den entscheidenden Schritt. Erst ein Absturz Anfang März in Cottbus, als wir für die European Tour die Messehalle rockten und ich wieder alkoholisiert auf die Bühne ging, machte mir klar, dass ich so nicht mehr weitermachen kann. Aber vielmehr schmerzte, dass mir sofort bewusst war, dass mir niemand diese Auszeit erlauben würde. Nicht in einem Jahr, wo zwei geplante Alben erscheinen sollen. Ich wusste, dass ich auf mich allein gestellt bin, mich selbst um meine Gesundheit und meinen ausgemergelten Körper kümmern muss. Und ich wusste, dass ich einen Entzug nur in Irland machen kann - in absoluter Ruhe und Abgeschiedenheit.

Das Rutland Center fand ich erst nach einiger Recherche und ein paar Absagen anderer Entzugskliniken, denn so kurzfristig einen Platz zu bekommen, ist auch in Irland nicht unbedingt machbar. Aber ich wusste, dass ich den Entzug jetzt machen muss - jetzt oder nie. Weil hier ein Platz frei wurde, durfte ich mich vorstellen, und wurde letzte Woche endlich angenommen. Die restliche Zeit bis zur Zusage habe ich hier in Dublin verbracht und direkt gemerkt, wie dringend ich die Ruhe brauche.
Aber hier, angekommen im Entzug, wird mir sofort wieder bewusst, wie still es jetzt um mich herum ist - still und einsam. Denn bei allen Streits und Meinungsverschiedenheiten war ich doch immer mit meiner Familie zusammen, und schon jetzt fehlen sie mir. Aber dennoch werde ich erst ein paar Wochen verstreichen lassen, bis ich mich bei Kathy oder Paddy melde. Ich habe keinen Bock darauf, dass sie mir das hier ausreden, mich zurück holen wollen, ich brauche das und muss das tun. Für mich. Wenn ich schon eine Weile hier bin, werden sie wohl akzeptieren, dass ich es ernst meine.

Jimmys Geheimnis IIWo Geschichten leben. Entdecke jetzt