KAPITEL 9

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Mitte September

Jimmy

»Jimmy!? I don’t believe it, what the hell are you doing here?« Völlig versteinert steht Patricia in der Tür ihrer Wohnung in Köln und starrt mich fassungslos an. »My God, what happened to you??«
Ich grinse bis über beide Ohren. Natürlich weiß ich genau, was sie meint. Seit Ewigkeiten habe ich mit meinen Haaren gehadert, jetzt habe ich nach Beendigung des Entzugs endlich getan, was längst hätte getan werden sollen: sie abgeschnitten. Okay, und sie blondiert, Kurzentschluss vor dem Abflug aus Irland. »Needed to check out your flat, of course«, behaupte ich, dabei hat mein Auftauchen hier noch einen ganz anderen Grund. Den erkläre ich meiner Schwester aber besser erst, wenn sie sitzt. Und sich festhalten kann.
»So that’s why you wanted to know my address in our last call«, begreift sie.
»Du bist schon wirklich schlau, Schwesterherz«, kichere ich.
Patricia boxt mich sanft in die Seite, dann wirft sie ihre Arme um mich. »Come in, come in, ich hab nicht aufgeräumt, weil wir auf Tour waren, aber ich glaube, es ist okay.«
Natürlich ist trotzdem aufgeräumt, bis auf ein paar Klamotten auf ihrem Bett, was ich sehe, als sie mir die kleine, aber wirklich schöne Wohnung zeigt. Dann bietet Patricia mir einen Kaffee an und ich bitte sie, sich an den Küchentisch zu setzen. »Well, there’s another reason why I’m here«, gebe ich dann zu. »I… I’m back. Also, wenn die anderen einverstanden sind, natürlich. Ich hab’s einfach zu sehr vermisst, hab euch vermisst, und ich wollte ja auch irgendwann zurück kommen. Wenn ich noch darf.«

»Oh wow, I really can’t believe it!« Natürlich kann Trisha nicht sitzenbleiben und muss mich nochmal umarmen. »But… bist du okay, also… bereit für alles?«
Ich nicke. »Ich denke ja. Ich fühl mich gut, und… naja, Konzerte und so werden wir sehen. Aber fürs Covershoot vom neuen Album hätte ich eh nach Gymnich kommen müssen, also dachte ich es wäre ein guter Zeitpunkt, ganz zurück zu kommen.«
»Ist der perfekte Zeitpunkt«, freut sich Trisha. »Ach, ich freu mich so, Jimmy. Aber… this… what happened to your hair?«
»Hairdresser«, antworte ich grinsend. »Just couldn’t stand it anymore. New Jimmy, new look, you know.«
»Wird eine Weile dauern, bis ich mich daran gewöhnt habe«, seufzt Patricia. »Warst du schon auf Gymnich?«
»Nein, ich… wollte erst dich besuchen«, gebe ich zu. Die Wahrheit ist, dass ich kurz vorher doch nochmal Schiss bekommen habe, einfach auf dem Schloss aufzutauchen.
Trisha wirft mir natürlich einen wissenden Blick zu, grinst aber nur. »Ich kann dich nach Gymnich fahren«, bietet sie dann an. »Am Haupttor ist immer Betrieb, da warten meistens Fans.«
»Auch da schon?«, seufze ich. »Die anderen sind doch vor ein paar Wochen erst eingezogen.« Prompt frage ich mich, ob es wirklich eine so gute Idee war, zurück zu kehren. Aber im Grunde hatte ich keine Wahl. Meine Verlängerung wurde nicht weiter genehmigt, der Entzug ist beendet. Die Empfehlungen der Ärzte waren durchweg positiv und eigentlich fühle ich mich wirklich gut und bereit. Vor allem habe ich wieder Bock – richtig Bock, die Bühnen zu rocken.
»Don’t worry, das Gelände ist riesig«, beruhigt mich Trisha. »Wenn du nicht willst, bekommst du von den Fans gar nichts mit.«
»Okay«, nicke ich. »Dann lass mal los.«

Natürlich habe ich auch überlegt, gar nicht ins Schloss zu ziehen, sondern mir auch eine kleine Wohnung zu nehmen, möglichst in Patricias Nähe. Aber ich bin ehrlich mit mir selbst – ich traue es mir nicht zu. Zumindest noch nicht. Zum einen möchte ich zurück zu meiner Familie, zum anderen weiß ich genau, wo ich in Köln Gras bekommen könnte. Ich will einen Rückfall auf jeden Fall vermeiden, zumindest wenn ich es irgendwie beeinflussen kann, und Gymnich liegt nicht nur außerhalb Kölns, ich fühle mich bei meiner Familie einfach besser aufgehoben. Zumindest für den Anfang.
Patricia fährt mich zum Schloss, und ich bin überrascht, wie riesig das Gelände wirklich ist. Es ist viel größer als East Grove, und ich bin mir sicher, dass wir uns hier auch gut aus dem Weg gehen können, wenn es sein muss. Prompt frage ich mich aber auch, wie um alles in der Welt wir die ganze Anlage bewirtschaften sollen, die Nebengebäude, die ganze Parkanlage. Dennoch ist es ziemlich cool, ich bin irre gespannt auf das Schlossinnere. Joey und Paddy kommen gerade von einer Joggingrunde, wir steigen kurz aus und Trisha umarmt Joey und Paddy, bevor sie wieder fährt.

Jimmys Geheimnis IIWo Geschichten leben. Entdecke jetzt