KAPITEL 5

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Habt einen schönen Sonntag, ihr Lieben!
Wir freuen uns auch über Kommentare, also her mit euren Meinungen! ☺️🤗

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Mitte Juli 1998

Patricia

Schon seit Tagen überlege ich, ob ich Jimmy darum bitten soll mit mir Please don't go aufzunehmen. Mittlerweile habe ich von ihm zwar auch eine Nummer bekommen, unter der ich ihn in der Klinik in wichtigen Fällen erreichen kann, aber noch konnte ich mich nicht dazu überwinden anzurufen. Eigentlich will ich seinen Entzug nicht durch Gedanken an das Business und das neue Album stören. Dennoch weiß ich, dass mir die Zeit davon rennt - Ende Juli reisen meine Geschwister nach Cork ins Studio an und die Aufnahme von meinem Song Please don't go ist schon fest für die Tage eingeplant.
Ich erinnere mich noch sehr gut daran, wie ich den Song kurz nach meiner Ankunft hier in Killarney an einem betrübten Abend geschrieben habe. Die ersten Tage allein waren wirklich nicht leicht, alles war auf einmal so still. Niemand von meinen Geschwistern war in der Nähe und ich hatte alle Zeit der Welt um tief in meinen noch frischen Liebeskummer abzurutschen. An ein paar Tagen habe ich es sogar fast nicht aus dem Bett geschafft, ich hatte keinen Hunger und auch sonst keine Motivation zum Aufstehen. Um nicht völlig abzudriften habe ich mir dann einen strikten Wochenplan geschrieben, um mich mit allerlei Aufgaben und Aktivitäten von meinem Kummer abzulenken: Einkaufen, Wandertour, Joggen, Theaterprobe, Gottesdienst...
Der Song war schon von Anfang an als Duett konzipiert gewesen, als eine Art fiktiven Dialog zwischen Liam und mir, aber ich war mir damals noch nicht so wirklich sicher, wer von meinen Brüdern den anderen Part am besten singen soll. Neben Jimmy war auch Joey lange eine Option für mich gewesen, denn ich erinnere mich noch sehr deutlich an die Trennung von seiner ersten Freundin vor etlichen Jahren, eine Zeit, in der ich viel für ihn da war. Natürlich ist Jimmys Trennung von Tina viel frischer, aber er hat mich lange nicht so nah an seine Emotionen rangelassen wie Joey damals.

Erst seit Jimmys Ausreißer in den Entzug ist mir klar geworden, dass er es ist, der dieses Duett mit mir singen soll. Zu gut verstehen wir uns, was diesen gewissen Grad an Eigensinnigkeit und das Streben nach Unabhängigkeit angeht. Außerdem merke ich mittlerweile deutlich, wie sehr ich es vermisse meinen Lieblingsbruder um mich zu haben. Und ein bisschen passen die Lyrics inzwischen sogar zu uns und nicht mehr nur zu Liam und mir. Please don't leave me, please don't go, please believe me, I need you so...
Gestern Abend habe ich noch meine Freundin Aine von der Theatergruppe um Rat gebeten und sie war gleich dafür Jimmy einfach zu fragen: »Dublin's not too far from Cork, tú should go and ask your brother, cailín, it doesn't hurt to ask!« Natürlich hat sie recht, denn vom Rumsitzen und Grübeln löst sich mein Dilemma sicher nicht. Seufzend greife ich also nach dem Hörer und wähle die Nummer der Klinik, bevor ich es mir noch einmal anders überlegen kann.

Jimmy

»Oh shit, wait, I'm here, wait!«
Das Telefon auf meinem Nachtspind hab ich schon auf dem Flur gehört, wo ich noch kurz mit Tom aus der Band stand und geredet habe. Ich stürze zum Telefon und melde mich sofort: »It's me, who's there?«
»Hi bro, it's just me, Patricia«, lacht meine Schwester am anderen Ende der Leitung.
»Trisha, sorry. I'm just coming from a session with the guys and Gwen and talked to Tom a bit.«
»So you already made friends in there?«, fragt meine Schwester, und ich kann nicht leugnen, dass es guttut, sie wieder zu hören. Wir haben eine Weile nicht telefoniert, weil sie natürlich mit unseren Geschwistern unterwegs war, ich mich aber auch auf die Therapien konzentriert habe. Ich fühle mich inzwischen einigermaßen stabil, es gab noch keinen Rückfall. Natürlich ist mir klar, dass das anders sein kann, wenn ich wieder im Alltag bin, aber daran mag ich noch nicht denken.
»This is no prison, Trisha«, schmunzle ich. »But yeah, I've made friends. Tom, Ryan und Gwen aus der Band sind ziemlich cool. Wir treffen uns fast jeden Tag, ich brauch das auch inzwischen... to make music, you know. I mean for me we're like a band, wir spielen jeden Tag, jetzt auch Danny Boy und so... They don't know who I am, and I'll leave it like this for now, I guess. Ich mag, dass sie mich ganz normal behandeln, you know.«
»That's so good to hear, Jimmy«, meint Patricia. »Und wie geht's dir sonst?«, fährt sie beinahe vorsichtig fort. Ich spüre, dass hinter ihrem Anruf wohl noch mehr hinter steckt, so gut kenne ich meine Schwester.

Jimmys Geheimnis IIWo Geschichten leben. Entdecke jetzt