Kapitel 3

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Mitte Juni 1998
Kathy

Ich weiß gar nicht mehr, wann und wie genau mein Vater davon erfahren hat, dass Schloss Gymnich zwangsversteigert wird, aber seitdem ist er nahezu besessen von der Vorstellung für unsere Familie ein richtiges Schloss zu kaufen. Zwar haben wir ja schon East Grove in Irland angemietet, im Vergleich zur Anlage in Gymnich ist es aber eigentlich nur eine kleine Villa und kein richtiges Schloss. Ich glaube, das Vater auch von der ehrbaren Geschichte des Schlosses ziemlich beeindruckt ist, denn schon Adelige und wichtige Politiker haben darin übernachtet, es gibt eine eigene Kapelle und der Park ist mit einer Fläche von über 20 Hektar riesig. Außerdem ist es eben in Deutschland, wir müssten nicht wie bisher ständig aus Irland zu Terminen fliegen, denn praktischerweise ist es nicht allzu weit entfernt von unseren Büros in Köln und dem alten Anlegeplatz des Hausbootes im Mühlheimer Hafen.

Vor knapp zwei Wochen, einen Tag vor der Veröffentlichung unseres Konzert-Albums Live Live Live, war ich zusammen mit meinem Vater das erste Mal auf dem Gelände zu einer Besichtigung. Ich habe sofort gemerkt, wie sehr er sich in die historischen Gemäuer und das alte Mobiliar verliebt hat. Kein Wunder, erinnert es ihn doch direkt wieder zurück an die Zeit, in der er in Spanien als Antiquitätenhändler gearbeitet hat. Ein bisschen skeptisch bin ich schon, ob es sich lohnt, dafür mehrere Millionen DM auszugeben, und auch von meine anderen Geschwistern haben einige Zweifel angemeldet. Doch mir ist inzwischen klar geworden, dass Vater in dieser Sache nicht mehr zu stoppen sein wird, zu groß ist sein eigener Wille und seine Begeisterung. Alles, was ich also tun kann, ist ihm unterstützend zur Seite zu stehen und noch das beste aus der Sache rauszuholen.

Heute stand dann der erste von mehreren Verhandlungsterminen vor dem Amtsgericht in Brühl an, wir sind dazu schon früh zusammen mit zwei Securities vom Hyatt in Köln aus aufgebrochen. Allerdings dienten die Sicherheitsmänner diesmal nicht vorrangig unserem persönlichen Schutz, sondern dem Schutz eines unscheinbaren Alukoffers mit einer Anzahlung von 1,3 Millionen DM in bar, auf den mein Vater in traditionell-amerikanischer Manier bestanden hatte. Ein bisschen irrwitzig war die ganze Aktion allemal und ich bin sehr erleichtert, dass alles reibungslos funktioniert hat und wir nicht ausgeraubt wurden, oder schlimmeres. Außerdem scheint uns Gymnich nun durch Vaters Höchstgebot von insgesamt 13,1 Millionen DM so gut wie sicher zu sein, da von den anderen Interessenten heute niemand eine ähnlich hohe Summe geboten hat. Die endgültige Entscheidung vor Gericht wird allerdings erst in einem Monat fallen, dennoch bin ich mir ziemlich sicher, dass dieser Tag dem Leben unserer ganzen Familie noch einmal eine Zäsur verpassen wird. Es bleibt nur abzuwarten ob im positiven oder im negativen Sinn.

Jimmy

Die ersten Tage im Entzug waren die sprichwörtliche Hölle. Nach einigen Untersuchungen hatte ich mit meinem Arzt besprochen, dass mir ein kalter Entzug erspart bleiben soll. Also bekam ich, um die die Entzugssymptome zu lindern, begleitende Medikamente. Aber ich blieb trotzdem beinahe ununterbrochen in meinem Zimmer und war einigermaßen froh, dass ich in den Wochen, bevor ich hier herkam, wenigstens schon den Alkohol größtenteils weggelassen hatte. Natürlich gab es auch Abende, an denen ich getrunken habe, einfach weil mir alles fehlte oder der Frust, dass ich keinen Platz bekam, groß war. Dennoch war auch das, was dann folgte, hart genug.
Schon am ersten Tag nach meiner Ankunft hier litt ich an heftigen Schwitzattacken und Übelkeitsanfällen. »God, I feel so sick«, stöhnte ich, als ich aufstehen wollte.
Sofort wurde mir ein Eimer gereicht, ich übergab mich stöhnend. Mir war speiübel, ich zitterte am ganzen Körper. Irgendjemand war ununterbrochen bei mir, ich sah eine Frau an meinem Bett sitzen. »Patricia?«, fragte ich irgendwann mit wackliger Stimme, blinzelte, aber alles um mich herum war verschwommen in undefinierbarem Nebel. »Is that you?«
»Sie haben Halluzinationen, Mr. Kelly«, legte mir die Frau sanft eine Hand auf die Schulter. »Ich bin Lauren, ich werde bei Ihnen bleiben. Alles ist gut, das ist normal.«
Am zweiten Tag begann mein Herz zu rasen, und als ich aufstehen wollte, hatte ich das Gefühl, dass mein ganzer Körper bebte. Ich konnte kaum schlafen, mein Mund fühlte sich staubtrocken an, meine Gedanken rasten. Was passierte mit meinem Körper? Zum Glück war die Schwester immer noch da und half mir sogar ins Bad, als ich mich erneut übergeben musste.

Jimmys Geheimnis IIWo Geschichten leben. Entdecke jetzt