KAPITEL 17

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Habt einen schönen dritten Advent!

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Juli 1999

Jimmy

Anfang Juli spielen wir wieder fast jeden Tag Konzerte im Rahmen der European Open Air Tour. So sind wir zum Beispiel auf der Wuhlheide in Berlin, in Bremen, Groningen und Brüssel. Ich habe mich noch nicht wieder daran gewöhnt, regelmäßig auf der Bühne zu stehen, die körperlichen und stimmlichen Anstrengungen packe ich noch nicht jeden Tag, aber in Berlin bin ich dabei. Aber ich genieße es auch wieder, länger unterwegs zu sein. Dennoch ist Adam weiterhin dabei, wofür wir alle dankbar sind. Er ist schon eine große Stütze, auch wenn er keine Solosongs singt. Aber da Patricia weiterhin ab und an ausfällt und Joey seinen Sport beinahe verbissen vorantreibt, bin ich froh, dass Adam noch Teil der Band ist. Obwohl Joey alles irgendwie managen kann, und trotzdem immer auf der Bühne steht. Ich für meinen Teil bin froh, dass ich mich nur auf die Konzerte, meine Stimme und sonst nichts konzentrieren muss; damit habe ich genug zu tun. Johnny und Joey haben ihre festen Aufgaben in der Firma, und ich bin froh, da raus zu sein. Joey ist der Geschäftsmann von uns beiden geworden, das alles ist einfach nicht mehr meine Welt. Soll Joey sich da ausleben, wenn sein Sport und Tanja ihn schon nicht genug fordern.

Wir sind erst am 10. Juli wieder zurück in Gymnich, kurz bevor unser Bonus Tracks-Album erscheinen soll. Ich genieße den ruhigen Moment, als ich die Zimmertür hinter mir schließe. Ich atme durch, setze mich auf mein Bett und mein Blick fällt auf den Nachtspind. Ein Zettel liegt da, halb unter der Tischlampe eingeklemmt, und ich runzele die Stirn. Gwens Nummer. Ich wollte den Zettel eigentlich mitnehmen, sie von unterwegs aus anrufen, hab’s aber wohl vollkommen vergessen. Kurz starre ich den Zettel an. Es fühlt sich seltsam an, dass mich nur ein Anruf davon trennt, ihre Stimme nach so langer Zeit wieder zu hören. Das alles ist schon wieder ein Jahr her, und schließlich siegt die Neugierde. Ich will unbedingt wissen, was sie so treibt, wie es ihr geht. Patricia ist eh sofort zu Denis abgehauen, Joey mit Tanja verschwunden und Angelo sowieso nicht mehr von Kira loszueisen. Ich brauche eine vertraute Stimme, hole einmal tief Luft, greife zu meinem Handy und wähle die Nummer.

Es klingelt ein paar Mal und ich atme durch, weil die Nummer wenigstens funktioniert. »Gwen O'Laughlin?«, meldet Gwen sich dann nach ein paar Mal Klingeln und mein Herz stockt kurz, als ich ihre sanfte Stimme wieder höre. »Hello?«, fragt sie, während ich kurz nach Worten suchen muss. »Hello? Somebody there?«
Ich muss mich räuspern, bevor ich etwas sagen kann. »Hi, Gwen. It's… it’s me. Jimmy. Jimmy Kelly.«
»Jimmy?«, überlegt Gwen. »I think I don’t know somebody named Jimmy...«
»Victor James«, helfe ich ihr. »From… we met at the Rutland, remember?«
»James, yeah!«, scheint ihr jetzt endlich ein Licht aufzugehen. »What a surprise! How come you’ve got my number?«
Ich reibe mir verlegen den Nacken, auch wenn sie das natürlich nicht sehen kann. »Well… long story«, gebe ich dann zu. »Short version is that Ryan finally called our company a few weeks ago. He gave Johnny your number and I… well, I guess I just wanted to know how you are?«
»I’m fine, I’m in beautiful Paris at the moment«, schwärmt sie prompt los und ich muss erneut lächeln. Ihre Begeisterung für andere Länder ist unglaublich ansteckend. »I love this place so much. Paris is just so fascinating.«
»I know«, schmunzle ich, auch wenn Paris in meiner Erinnerung immer mit unserer schwierigsten Zeit als Kinder verbunden sein wird. »It’s got beautiful corners. So you’re… travelling again?« Es beruhigt mich beinahe ein bisschen, das zu hören. Anscheinend haben wir uns alle gefangen.
»I couldn’t stay in Dublin«, antwortet Gwen leise. »Too many… bad memories. I’m a travelling girl, you know. What about you?«
»Me? Well, I'm back with the family«, zucke ich die Schultern. »I’m a musician. That’s my purpose. But… no more TV-Shows, no more parties. We live near Cologne again, my father bought a castle there.«
Ich kann quasi sehen, wie Gwen die Augenbrauen hochzieht. »A real castle? Wow, I need to see that one day.«
Ich muss erneut grinsen. »Why not?«, meine ich dann, würde mich doch auch freuen, sie wieder zu sehen. Ihre Stimme wieder zu hören fühlt sich so vertraut an, und auch wenn es nur wenige Worte waren, merke ich, wie ich es vermisst habe, mit ihr zu reden. Und ich würde sie gerne auch wiedersehen, weil ich mich von ihr immer noch so verstanden fühle. »I mean, we’ve got concerts this July, but we won’t be on the road the whole year like we used to. We should find a way so that you can come and visit.«
»Oh wow, that would be great«, freut sich Gwen. »Germany’s on my travelling list anyways.«
»Well, then,  I’m really looking forward to seeing you«, lächle ich und ertappe mich dabei, wie ich mich wirklich freue. Sehr.

Jimmys Geheimnis IIWo Geschichten leben. Entdecke jetzt