Wir wünschen euch ein frohes, gesegnet und vor allem gesundes neues Jahr, ihr Lieben, und hoffen, dass ihr einen guten Rutsch hattet.
Eure Reniawen und Patricia_Raven
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9. Oktober 1999
Joey
Der Internationale Nürburgring Lauf am heutigen Samstag ist eigentlich mehr ein PR-Gag als ein ernstzunehmender Wettkampf. Nun ja, zumindest für mich waren die 9 Kilometer ein absoluter Klacks, trotz Fußverletzung eigentlich nicht einmal gutes Training. Dafür war ich viel zu langsam unterwegs, habe ich doch mein Tempo auf das meiner Geschwister Barby und Paddy abgestimmt, die sich zusammen mit mir angemeldet hatten. Natürlich habe ich mich trotzdem gefreut, einmal nicht allein laufen zu müssen und sicherlich schadet es vor dem Start unserer Best Of Tour Ende November nicht, noch ein paarmal in der Öffentlichkeit präsent zu sein. Denn dort wo Paddy ist, da sind auch immer die Fans und die Kameras.
Da die Startlisten des Laufs öffentlich einsehbar waren, ist es diesmal also auch kein Wunder, dass wir bereits in der Früh sofort von Fans umringt waren, sobald wir auftauchten. Wie immer gaben wir geduldig Autogramme und machten Fotos, auch wenn Barby und Paddy in ihren improvisierten Sportshirts heute nicht besonders fotogen aussehen. Im Gegensatz zu mir natürlich, ich trage mein gelbes Laufoberteil mit der Deutschen Post-Werbung und habe meine langen Haare vorsorglich zu einem Zopf geflochten, ganz professionell eben. Mir fällt erst jetzt ein, dass wir für die Bilder vielleicht vorher die Farben hätten abstimmen können, denn mein Gelb beißt sich schon ein wenig mit dem Rot von Barby und dem Dunkelblau von Paddy, wir sehen zusammen echt aus wie die größte Papageientruppe. Nun ja, zumindest fallen wir auf. Als wir nach etwas mehr als einer Stunde ins Ziel kamen, ließen Paddy und ich wie vereinbart als echte Gentlemen Barby vor, was sicherlich für die ein oder andere Schlagzeile in den Klatschblättern nächste Woche sorgen dürfte, ich sehe es schon förmlich vor mir: »Kelly-Schwester besiegt ihren Iron Man-Bruder Joey Kelly bei Amateurlauf«, oder so ähnlich. Im Ziel wartete jedenfalls schon direkt die Presse auf uns, und zwar nicht nur die Lokalzeitung, sondern sogar ein Fernsehteam von Brisant. Ich bin ganz froh, dass ich nach dem gemütlichen Lauf alle Fragen mit relativ ruhigem Atem beantworten kann, während sich Barby und Paddy, abgeschirmt von unseren Bodyguards, eine verdiente Ruhepause gönnen. Natürlich werde ich prompt nach meinen nächsten sportlichen Zielen gefragt und ich protze gerne ein bisschen mit dem „Mount Everest Ultramarathon“, an dem ich in diesem Jahr noch teilnehmen werde. Ein bisschen grinse ich auch in mich hinein, dass niemand von den Pressemenschen hier die eigentlich größte Sensation im Hause Kelly wittert… Tanja und ich werden nächstes Jahr Eltern eines kleinen Jungen. Zwar war es nicht wirklich geplant und ja, wir waren am Anfang durchaus ein bisschen schockiert, aber mittlerweile sind wir stolz wie Bolle und freuen uns total. In Absprache mit meinen Geschwistern sind wir uns aber auch einig, dass die Öffentlichkeit definitiv noch nicht davon erfahren muss.
Gut gelaunt erzähle ich also stattdessen von unserer aktuellen Single Mystic Knights, die vor wenigen Tagen erschienen ist, sowie von einer neuen, noch geheimen Single, die exklusiv auf unserem kommenden Best Of 2 Album zu hören sein wird. Marketing kann ich auf alle Fälle. Bei der noch geheimen Single handelt es sich um By myself but not alone, eine gemeinsame Komposition von Kathy und Johnny, die sie uns vor ein paar Wochen erst vorgestellt haben. Zuerst war ich strikt dagegen, nach dem offiziellen Austritt nochmal ein neues Lied mit Kathy zu veröffentlichen, aber ich wurde schnell überstimmt und habe inzwischen auch eingesehen, dass sich das Lied ideal zum Abschied von den Fans eignet. Und zur Promo sowieso. Ein Video dazu, das auf Schloss Gymnich gedreht werden soll, wird aktuell bereits von Jimmy und John vorbereitet. Ebenso erzähle ich ein wenig davon, dass wir morgen ein Vorab-Konzert zu unserer Tour in Sindelsdorf bei Weilheim geben werden. Eigentlich kaum erwähnenswert, wäre da nicht die Tatsache, dass es sich um ein Konzert in einem Zirkuszelt handelt, das dort für verschiedene Acts aufgebaut wurde, die nacheinander dieses Wochenende dort spielen. Ich weiß noch genau, wie wir im Büro die Anfrage für den Auftritt reinbekommen haben. Besonders John, Patricia und Barby waren richtig begeistert und wir haben sofort zugesagt, nachdem das Sicherheitskonzept mit dem Veranstalter abgeklärt war. Auch ich freue mich wirklich darauf, sind Zirkuszelte für uns doch immer mit vielen nostalgischen Erinnerungen an die Zeit vor dem großen Erfolg verbunden, vor allem natürlich daran, wie wir als Kinder mit Bernhard Paul und dem Zirkus Roncalli in Wien aufgetreten sind.
Paddy
Oktober 1999
Es ist wirklich ein besonderes Gefühl, noch einmal ein Zeltkonzert zu spielen. Barby liebt es besonders, glaube ich, sie blüht richtig auf an diesem Tag. Auch Kathy will sich sowas Besonderes nicht entgehen lassen und so ist sie nochmal dabei. Unsere Befürchtungen, es könnte ähnliches Chaos geben wie vor einigen Jahren, bewahrheiten sich glücklicherweise nicht; alles läuft gesittet ab. Zwar sind immer noch alle Konzerte ausverkauft, aber das große Gedränge scheint es nicht mehr zu geben. Glücklicherweise. Wir können Autogramme an den Gittern vor dem Einlass geben, ohne dass Fans komplett ausrasten und auch das Konzert ist wirklich schön. Wehmut hängt über allem, denn allmählich wird wohl allen sehr bewusst, dass Kathy dann wirklich nicht mehr dabei sein wird.
Zurück in Gymnich fällt es mir schwer, mir einzugestehen, dass wir die nächsten Auftritte vor unserer Best Of-Tour ohne sie planen müssen. Natürlich überkommen mich manchmal Zweifel, ob sie vielleicht geblieben wäre, wenn wir uns bei den Songaufnahmen nicht so oft in die Haare bekommen hätten. Aber der Erfolg unserer letzten Singles gibt mir Recht, dass wir mit unserem Kurs richtig liegen. Und schließlich liegt die Entscheidung über den weiteren Stil der Band in meiner Verantwortung als musikalischer Leiter.
Kathy hat mir mehrfach versichert, dass ihre Gründe nicht in unseren Streits lagen, und ich glaube ihr das auch. Und trotzdem frage ich mich abends, wenn ich alleine in meinem Zimmer am Fenster sitze, wie ich all die Aufgaben ohne sie stemmen soll. Joey hat schon viel in der Firma übernommen, Jimmy unmissverständlich klar gemacht, dass er sich weiter nur um die Videos kümmern wird, sodass alles an mir hängen bleibt. Angelo ist überhaupt nicht in irgendetwas eingebunden, was wohl auch nicht passieren wird, Barby und Maite mit anderen Aufgaben, hauptsächlich zuhause betraut. Barby würde ich das auch niemals zumuten. Dennoch kann ich nicht verhindern, dass Zweifel mich plagen, ob wir nicht viel mehr neue Songs veröffentlichen sollten statt noch ein Best of-Album. Aber es gibt niemanden mehr, den ich fragen könnte, alle erwarten Entscheidungen von mir.
Zudem wird mir wieder bewusst, wie einsam ich eigentlich bin, vor allem seit Joeys und Tanjas Ankündigung, dass sie Eltern werden. Ich freue mich riesig für die beiden, aber prompt denke ich auch daran, dass Joey als werdender Papa natürlich auch öfter fehlen wird. In diesen Momenten frage ich mich oft, ob ich undankbar und schon so abgestumpft bin, dass ich immerzu an die Firma denke, schließlich ist Joey eine sehr wichtige Stütze für mich als Bruder und ich sollte mich in Gottes Namen für ihn freuen.
Aber wie kann ich das, wenn alles an meinen Entscheidungen hängt?
Es wäre dennoch gut, zur Veröffentlichung des Best Of 2-Albums noch eine neue Single auszukoppeln, aber bis auf Mystic Knights und By myself but not alone gibt es keine neuen Songs. Jedes Mal, wenn ich die anderen darauf anspreche, sagen sie, dass sie daran arbeiten, aber es gibt keine intensiven Songsessions mehr wie früher, und ich habe das Gefühl, dass alle nur noch mit ihrer Familienplanung beschäftigt sind und die Band niemanden mehr interessiert.
Bis auf den Song über unsere Mutter, den ich vor einer Weile angefangen habe, habe aber auch ich nichts nennenswertes Neues. Ich kann mir immer noch nicht richtig erklären, warum Mums Tod ausgerechnet jetzt wieder so präsent ist. Sicherlich verstärkten die Bilder von früher, die wir in das Video von By myself but not alone eingebaut haben, die Erinnerung an unsere Mutter, aber Kathys Ausstieg trifft mich doch mehr als ich dachte.
Eigentlich wollte ich den Song auch niemandem zeigen, aber vor ein paar Tagen hat Joey mich wohl spielen hören und darauf angesprochen, als wir die finale Tracklist für das Best Of 2 durchgegangen sind.
»Ich will den Song nicht veröffentlichen, Joey, es ist viel zu persönlich«, wehrte ich sofort ab. »Ich will es eigentlich nicht mal den anderen zeigen.«
»Bro, wenn Eric Clapton einen Song über seinen verstorbenen Sohn herausbringen kann, kannst du auch einen Song über unsere Mutter veröffentlichen«, klopfte Joey mir nur auf die Schulter und brachte mich damit wirklich zum Nachdenken. Schließlich spiele ich den Song doch allen vor, Barby kommen sofort die Tränen und auch die anderen finden den Song sehr berührend. Also schafft es Mama doch auf das Best Of 2 und wird jetzt auch eine Single.
Jimmy
Bevor unsere Best of-Tour wirklich losgeht, besuche ich Gwen in Irland. Ja, ich fliege wirklich zu ihr. Das war mir sehr wichtig, immerhin habe ich mit Joey schon darüber gesprochen, dass ich nicht möchte, dass sie ständig hin und her fliegen muss. Abgesehen davon zieht es mich auch wieder einmal nach Irland, die Gegend um Dundalk, wo sie jetzt lebt, kenne ich noch nicht, da wir ja im Süden Irlands gelebt haben. Und natürlich bin ich auch neugierig, wie sie privat so lebt. Ich war durchaus überrascht, dass Gwen bei unserem letzten Telefonat sofort zugestimmt hat. Immerhin haben wir uns noch nicht so oft gesehen. Aber es zieht mich wieder zu ihr, ich denke viel zu oft an sie und habe mich natürlich auch schon gefragt, ob es ihr ähnlich geht. Nun ja, zumindest möchte sie mich wohl wiedersehen, sogar bei ihr Zuhause.
Gwen holt mich am Flughafen in Dublin ab und ich freue mich viel zu sehr, sie wieder zu sehen. Ich hab es wirklich vermisst, mit ihr zu reden, auch wenn wir öfter telefoniert haben, aber das ist natürlich nicht dasselbe. Ich bin ja eh nicht so der Typ fürs Telefon. Wärme durchflutet mich, als wir uns umarmen. Die Fahrt nach Dundalk dauert etwa eine Stunde und Gwen wählt extra eine schöne Route die Küste entlang.
Ich sauge den Anblick der rauen Felsen und der sich auftürmenden Wellen in mir auf und stelle wieder fest, wie sehr ich Irland vermisst habe. Und Gwen auch, aber aussprechen werde ich das nicht. Obwohl es ja nur die Wahrheit ist, aber noch mehr überrumpeln will ich sie wirklich nicht. Sie hat noch überhaupt gar nichts in diese Richtung angedeutet, aber ich spüre jedes Mal sehr, wie auch sie unsere Treffen genießt. Ich weiß inzwischen, dass sie seit längerem keine Beziehung mehr hatte und auch recht glücklos in der Vergangenheit war. Wie ich ja auch, und ja, ich weiß noch sehr gut, dass das auch meine eigene Schuld war. Ich habe ihr noch nicht viel von Tina erzählt, das hat auch noch Zeit.
Sie zeigt mir zuerst ihre kleine Wohnung in der Nähe der Innenstadt von Dundalk, und obwohl es arschkalt ist, machen wir einen Spaziergang durch die schöne Fußgängerzone. Ich lade sie zu einem Tee in ein Café ein und lehne mich seufzend zurück. Es tut gut, wieder einmal unerkannt bummeln gehen zu können.
»Wow, I really missed the island«, gebe ich unumwunden zu.
»Is that the reason why you came?«, fragt Gwen und ich stocke kurz.
»Not only, of course«, verbessere ich mich. »I don’t want you to always fly after me, Gwen. I mean… if we continue to see each other. That won't always work, but I don’t want you to pay for all the flights and such.«
Ihr Lächeln stiehlt sich in mein Herz und ich muss mich innerlich ermahnen, ihren Blick nicht zu sehr zu erwidern. »Of course I want to«, meint sie. »Otherwise I wouldn’t have let you come. That’s very sweet of you, but don’t you have a lot to do now, I mean, with the tour ahead and everything?«
»My siblings can go without me for at least one weekend«, zwinkere ich. »I just don’t want you to have all the effort alone.«
»That’s really sweet, James«, meint Gwen. »I mean, I would have never asked you to or something.«
»I know«, grinse ich. »That’s why I just decided. I wanted to see how you live and everythin’.«
»It’s cool to have you here«, lächelt sie. »Any plans, anything you want to see? Dundalk’s got a very nice cathedral, if you’re interested in that.«
»Of course«, stimme ich zu. Es freut mich, dass sie gläubig zu sein scheint, etwas, worüber wir noch nicht gesprochen haben, aber neben der Musik eine weitere Gemeinsamkeit.
Nach dem Tee bleiben wir eine Weile im Dom und ich fühle, wie ich mich entspannen kann. Ich genieße die Zeit mit Gwen, aber habe mir doch ein Zimmer in einer Pension in der Nähe ihrer Wohnung gemietet. Gleich bei ihr zu übernachten, wäre wohl doch etwas zu viel des Guten gewesen.
Wie immer unterhalten wir uns den ganzen Abend über, bei einem Glas Wein in Gwens Wohnung. Am nächsten Tag, dem Samstag, fahren wir in der Gegend herum, und ich bedauere es wirklich, dass ich am Sonntag schon wieder nach Köln fliege. Selbstverständlich beteilige ich mich auch an den Benzinkosten, ein bisschen zu Gwens Unwillen, aber schließlich fährt sie mich auch wieder nach Dublin.
»Next time I’ll rent a car at the airport«, schmunzle ich, schultere meinen Rucksack und will mich aufmachen zum Gate.
»James? I really enjoyed to have you here«, sagt Gwen dann aber doch noch. Ich drehe mich um und bin doch etwas überrascht, als sie ihre Arme um meinen Hals schlingt und mich in eine enge Umarmung zieht. Sanft lege ich meine ebenfalls um sie und genieße die Nähe, viel zu sehr.
https://www.youtube.com/watch?v=fkyvkqRC4nE

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Jimmys Geheimnis II
FanfictionApril 1998. Auf dem Zenit des Erfolgs stehen bei der Kelly Family große Umbrüche an. Jimmy nimmt überraschend eine Auszeit, Patricia spielt mit dem Gedanken, ins Kloster einzutreten. Dennoch laufen die Vorbereitungen für das neue Album auf Hochtoure...