Die Lüge

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Der Zorn brodelt noch immer in mir und droht jederzeit mit aller Gewalt heraus zu brechen. Ich habe kalt geduscht, so eiskalt, dass meine Lippen jetzt blau sind, und lasse mich jetzt in einen Bademantel eingewickelt auf mein Bett sinken. Ich taste nach meinem Handy und werfe es dabei vom Nachtisch. Mit einem dumpfen Laut fällt auf den Teppich. Fluchend bücke ich mich, hebe es auf und lege mich zurück aufs Bett. Ich öffne Netflix und tippe in meinem Profil den Film an, den ich gerade gucke. Das Ein- Jahr- Netflixkonto war mein letztes Geburtstags Geschenk und ich liebe es. Normalerweise, gönne ich mir hin und wieder etwas Fernsehen nach dem Lernen oder Aufräumen, doch heute will ich mich einfach nur von den Geschehnissen des Tages ablenken. Ich habe gestern Abend mit dem Film angefangen, erneut um mich abzulenken, bin aber vor Erschöpfung nach wenigen Minuten eingeschlafen. Verrückt. Es scheint mir, wie aus einer anderen Welt. Gestern noch bangte ich um meine Zukunft, ob Carl sich von mir distanzieren wird. Heute wünschte ich mir, er wäre mir niemals zu nahegekommen. Ich wende meine Aufmerksamkeit To all the Boy; iv'e loved before zu und entspanne mich. Die ganze Zeit spukt in meinem Kopf der Gedanke an Rache herum. Fiberhaft wende ich meinen Fokus auf die Handlung. Doch auch dieses Mal klappe ich den Laptop nach gerade mal zehn Minuten zu. Diesmal jedoch, weil er mich auf eine Idee gebracht hat. Peter und Lara Jean aus dem Film beginnen eine Fake Beziehung, weil Peter seine Ex, Gen, eifersüchtig machen will und Lara Jean ihren heimlichen Schwarm davon überzeugen will, dass sie ihn nicht liebt. Wenn sie das können, kann ich das auch. Und ich, werde beides tun. Entschlossen springe ich auf und greife zu meinem Handy. Ungeduldig wandere ich im Zimmer auf und ab, das Telefon an mein Ohr gepresst. "Hallo?", meldet sich Sams Stimme. "Sam, ich hab einen Plan!", teile ich ihr mit sich überschlagender Stimme mit. Als ich fertig mit der Erläuterung bin, umspielt ein diabolisches Lächeln meine Lippen und beinahe kann ich hören, wie Sam genau das gleiche tut.

Es ist mal wieder viel zu früh, als das markerschütternde Geräusch meines Weckers meine Gehörgänge zerstört. Ich kneife die Augen genervt zusammen, puste mir eine Strähne aus dem Gesicht und taste nach meinem Handy, um ihn auszuschalten. Heute musste ich den Wecker sogar eine Stunde früher als sonst stellen und deshalb fühle ich mich wie damals, als ich meinen ersten Kater hatte. Müde erhebe ich mich und strecke die müden Glieder, beinahe kann ich meine Knochen knacksen hören, als wäre ich über Nacht fünfzig Jahre gealtert. Sam und ich haben gestern noch lange telefoniert und meinen Plan, mich an Carl zu rächen, ins genauste Detail ausgeklügelt. Außerdem war ich noch unter der Dusche, weshalb es sehr spät geworden ist. Das merke ich jetzt. Draußen ist es noch stockfinster, weshalb ich die Deckenlampe anschalte um überhaupt etwas zu sehen. Goldenes Licht flutet den Raum und bildet einen Komplementär- Kontrast zum tiefen Blau vor dem Fenster. Wir haben gerade mal 5:00 Uhr morgens. Entschlossen greife ich mir das bereitliegende Outfit vom Stuhl, dass wir gestern noch ausgewählt haben. Meiner Meinung nach, ist der Rock entschieden zu kurz und das Top zeigt gewagt viel Bauch. Aber Sam hat mir versichert, dass ich darin scharf aussehen werde. Also schlüpfe ich hinein und betrachte mich im Spiegel. Wirklich sehr kurz, aber was solls. In diesem Moment klingelt mein Handy erneut, dieses Mal jedoch wegen eines eingehenden Anrufes. Ich rechne mit Sam und gehe ran, ohne auf das Display zu schauen. Welch dummer Fehler. "Hey Süße was gibt's?", frage ich fröhlich, auch wenn sofort ein Gähnen folgt. "Elle, bitte leg nicht auf". Meine Nackenhaare stellen sich auf, als ich die vertraute Stimme höre. "Verpiss dich Carl!", fauche ich. "Hab ich dich geweckt?", fragt er darauf nur. Ich strafe ihn mit Schweigen und er seufzt resigniert. Ich weiß, ich sollte auflegen. Mein Daumen schwebt über dem roten Knopf aber irgendwie kann ich ihn nicht drücken. Er hat gestern Abend, entgegen meiner Erwartungen, nicht versucht mich zu erreichen, worüber ich ehrleichtert war. Vielleicht hätte ich mein Handy gegen die Wand geworfen, hätte er es getan. "Hör zu, ich wollte nicht das...", setzt er an, doch er wird von dem elektronischen Tuten unterbrochen das ertönt, als ich nun doch endlich auflege. Ich werfe mein Telefon auf die Matratze und trete so fest gegen das Bett, dass ein beißender Schmerz mein Bein hinaufschießt. Fluchend reibe ich meinen puckernden Zeh. Erzürnt greife ich zur Bürste, um meine Haare zu bändigen.

Different worlds- ShamelessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt