Seit fast einem Jahr lebe ich nun schon hier und so langsam bekomme ich das Gefühl, mich eingelebt zu haben. Gut, außer Sam habe ich keine Freunde, brauche ich aber auch nicht. Schnell konnte ich die Lehrer davon überzeugen, dass ich nicht so unhöflich oder vulgär spreche, wie meine Klassenkameraden und noch nie in meinem Leben eine Zigarette angefasst habe. Und meinen Notendurchschnitt von 1,0 halte ich ohne Probleme, sodass ich schnell zum Liebling jedes Lehrers aufgestiegen bin, ausnahmslos. Das ist zwar auch nicht so schwierig, wenn man bedenkt, was für Hohlköpfe sonst noch in meiner Klasse sind. So etwas würde ich zwar niemals laut sagen, aber es stimmt ja auch. Irgendwie. Viele erfreuen uns ohnehin nur zwei, drei Tage die Woche mit ihrer Anwesenheit und rauchen in den Pausen. Ich sitze in den Pausen meistens mit einem Buch auf einer der Schulbänke oder esse mit Sam zusammen in der Cafeteria. Mich wundert es ja, dass die Eltern nichts dagegen zu haben scheinen, wie sich ihre Kinder verhalten. Meine Eltern vertrauen mir einfach, dass ich keinen Mist baue. Das schlimmste was ich jeh gemacht habe, war, dass ich verschlafen habe.
Als es klingelt packe ich meine Sachen zusammen und verlasse den Klassenraum leise und ohne Aufsehen zu erregen. Da bin ich wohl auch die Einzige. Die restliche Klasse ähnelt einem Tornado der aus der Tür fegt. Eine Schulter rempelt mich an und beinahe wäre ich gestolpert. "Hey! Das tat weh", rufe ich empört, während ich mir die schmerzende Stelle reibe. Der Junge, der mich umgestoßen hat, dreht sich kurz um, um nachzusehen, wer ihm hinterhergebrüllt hat. Es ist Carl, einer der Gallagher Jungs. Beinahe bereue ich es schon, ihm hinterhergerufen zu haben. Selbst ich weiß, mit den Gallaghers legst du dich besser nicht an. "Sorry alta, was machst du hier so'n Stress?", grinst er überlegen. Ich nehme meinen ganzen Mut zusammen. "Du hast mich angerempelt, ich dachte einfach, du könntest dich entschuldigen", bringe ich fistelnd hervor. Carl grinst nur. "Eigentlich, Bücherwurm, standest du mir im Weg, also solltest du dich entschuldigen". Bücherwurm? Er war wirklich unhöflich. "Wie bitte?", frage ich. In diesem Moment legt sich ein Arm um meine Schultern, gerade im richtigen Moment. Sam eilt wie ein Rachengel zur Rettung. "Gallagher, was geht?", fragt sie ihn freundschaftlich. "Sam, hey". Carl wendet sich meiner besten Freundin zu. Ich spüre sofort, wie sich die Situation entschärft und entspanne meine Schultern. "Gibt es hier ein Problem?" Ihre Stimme klingt weder angriffslustig noch wütend, sondern wirklich interessiert, doch ich kann den Unterton vernehmen der Carl verdeutlichen soll Sie gehört zu mir, Gallagher, also lass sie in Ruhe! Er scheint es auch zu verstehen. "Ne mann, alles chillig". Sam nimmt ihren Arm von meiner Schulter. "Na dann. Hör ma, ich hab heute Geburtstag und feier ne Party im Alibis, so ab neun. Wenn du Bock hast, schau vorbei". Na toll. Vermutlich wird Sam mich auch auf diese Party schleppen wollen. Was findet sie nur daran, sich zu betrinken und fremde Typen anzutanzen? "Ja mal schauen". Carl hebt kurz die Hand und verschwindet dann. Kaum ist er weg, dreht Sam mich so, dass ihre Hände auf meinen Schultern ruhen. "Was.War.Das?" Ich verdrehe nur die Augen und mache mich los. "Gar nichts. Carl hat mich nur angerempelt und ich war so doof und habe ihm nachgerufen und ihn gebeten sich zu entschuldigen", sage ich und erreiche meinen Spind. Sam ist mir hinterhergelaufen, auf ihren Highheels, wie auch immer sie das schafft. "Er war total gemein und eingebildet, als wäre er was Besseres!", beschwere ich mich weiter, während ich mein Mathebuch in den Spind räume, der natürlich ordentlich sortiert ist. "Naja. Er ist Carl Gallagher", wendet Sam ein, die sich jetzt an den Spind neben meinem lehnt und mich beobachtet. "Das gibt ihm aber nicht das Recht, mit mir umzuspringen wie mit einem Straßenköter. Oder? Menschenrechte, Gleichberechtigung und so?" Sam zuckt nur die Schultern. "Keine Ahnung. Naja, anderes Thema. Partyyyy!" Sie grinst begeistert. "Ohne mich, Samantha Flynn! Du weißt ich hasse Partys!" Sie zieht einen Schmollmund. "Ja, aber doch nur, weil du noch nie auf einer richtigen warst! Die Kindergeburtstage in der Zweiten zählen nicht!" Ich schüttele Wehemend den Kopf. "Das kannst du vergessen. Außerdem muss ich lernen!" Ich knalle meinen Spind zu, etwas lauter als beabsichtigt. Die Anderen im Gang drehen sich überrascht zu mir um, so etwas kennen sie von mir gar nicht. Ich hebe entschuldigend die linke Hand, mit der rechten ziehe ich den Rucksack wieder über die Schultern. Gelangweilt wenden sie sich wieder ab. "Wofür musst du lernen??? Die nächste Klausur ist in zwei Monaten!" "Und ich will dann gut vorbereitet sein. Ich lerne jeden Abend du nicht?" "Nein". Sie klingt verstört. Eigentlich hatte ich gar nicht vorgehabt heute auch zu lernen, es war ja Sams Geburtstag. Aber auf eine Party hatte ich so gar keine Lust. "Elle, du bist so schlau! Wenn du mal einen Abend Blau machst, wird das deinem Schnitt wohl kaum schaden". Sie hatte ja Recht, aber ich wollte nicht ins Alibis. "Ja aber ich will halt nicht!" Sie schmollte wieder. "Komm das wird super!" "Neiiheinnn!" Meine Schritte wurden schneller und energischer, sie stöckelte mir hinterher. "Aber Elle, es ist mein 17 Geburtstag! Und du bist meine aller beste Freundin!" Ich bleibe stehen und sie wäre beinahe in mich hineingelaufen. "Komm mit, für mich, bitte, bitte, bitte!", bettelt sie weiter. Ich verdrehe die Augen, meine Motivation liegt bei null. "Na gut. Aber nur heute! Und nächstes Jahr fahren wir irgendwie in einen Freizeitpark oder so, ja?" "Danke!", quietscht sie und umarmt mich, da musste ich doch ein bisschen Lächeln. "Schon gut, ich hab Hunger, lass mich los!", beschwere ich mich und sie gehorcht, noch immer ein breites Grinsen im Gesicht.
"So willst du gehen?" Sam's Augenbraue wandert immer weiter nach oben, während sie mein Outfit mustert. Ich trage ein schlichtes, hochgeschlossenes weißes Kleid, das mir bis über die Knie reicht und mein Haar liegt lockig über meinen Schultern. Make Up trage ich keins, ich besitze nicht einmal welches. Sam wollte mich eigentlich erst in einer halben Stunde abholen, weshalb ich mich wundere. Sie ist zwar oft zu spät, aber dass sie überpünktlich ist, ist mir neu. In ihren unglaublich kurzen Shorts, aus dem eine schwarze Netzstrumpfhose herausragt und die in ihren hohen, schwarzen Pumps wieder verschwindet, dem hellblauen, bauchfreien Top und den offenen Haaren, die ihr glatt über den Rücken fallen, sieht sie echt heiß aus. Die Tonne Make Up in ihrem Gesicht und die riesigen Reifen in ihren Ohrläppchen ignoriere ich einfach. Bei sich hat sie eine große Tasche, die eher wie ein Turnbeutel aussieht und eine Kleine, in die vielleicht ihr Handy und etwas Geld reinpasst. Viel mehr interessiert mich jedoch der Turnbeutel unter ihren Arm. "Ja, das war das Kürzeste was ich besitze", erkläre ich zögernd. Sie schüttelt nur den Kopf. "Gut das ich mit denke. Komm!" Mit einer Handbewegung scheucht sie mich zurück ins Haus. "O...ok?" Wir verschwinden in meinem Zimmer und sie präsentiert mir den Inhalt der Sporttasche. Schwarze Stilletos, auf denen ich niemals werde laufen können, Jeansshorts mit Fetzen am Saum, die zumindest ein kleines bisschen länger sind als die, die Sam selbst trägt, und ein enges, schwarzes Top, das die Schultern und etwas Bauch entblößt und sowohl einen ordentlichen Rückenausschnitt als auch ein tiefes Dekolleté besitzt. Die gleichen Ohrringe wie sie sie trägt und ihre Make Up Tasche hat sie auch dabei. Mir wird ganz anders, als ich diese Fetzen Stoff betrachte, die ich tragen soll. "Oh nein! Das kannst du vergessen!" Sie grinst."In dem Outfit das du trägst lassen die dich nie ins Alibi. Also los! Kleid runter und rein in die Sachen!" Nur weil sie Geburtstag hat, zieheich den Reisverschluss hinunter und steige genervt stöhnend heraus. "Warumtust du mir das an, Sam? Ich dachte wir sind Freundinnen?" "Ja und deshalb werde ich dafür sorgen, dass du mindestens ein, zweimal im Leben ein dummer, impulsiver Teenager warst. Und jetzt hör auf zu meckern, ich hab noch einiges zu tun und wenig Zeit". Ich quetsche mich in die Hotpants und will das Top überstreifen, da hält Sam mich schon wieder auf. Missbilligend schnalztsie mit der Zunge. "Stopp! Nichts für ungut, aber dieses Top betont die Titten! Und dein Busen ist nicht wahnsinnig groß, also werde ich ihn puschenmüssen". Sie hält einen BH mit ordentlich Push Up hoch. Ich verdrehe dieAugen und wechsele den BH. Ich bin vielleicht kein flaches Brett, aber in gewisser Weise hat Sam recht, wenn sie sagt mein Busen wäre klein für mein Alter. In dem neuen BH sieht er tatsächlich größer aus. Missbilligend betrachte ich mein Outfit im Spiegel. "Das zeigt mehr Haut als Klamotten Sam!" "Ja und?" Ich verziehe das Gesicht. "Hey, sieh mich an!", befiehlt sie mir. Ich tue es. "Du wirst heute Abend Spaß haben, klar? Mir zu liebe!" Ich verdrehe die Augen und lächele dann doch. "Ich hätte mehr Spaß, wenn wir das nicht tun würden, aber ich werde zumindest so tun damit du glücklich bist, ok Sammy?" "Abgemacht!", freut sie sich und dirigiertmich dann auf den Stuhl meines Schreibtisches. Sie kämmt mir die Haare hoch und bindet sie zu einem straffen, nach unten hin lockig fallenden Pferdeschwanz nach oben, verziehrt mit ein paar schwarzen Haarnadeln. Dann dreht sie mich zu sich um, als wäre ich eine Frisierpuppe und beginnt, mich mit Concealer, Mascara und Lipgloss zu bearbeiten. Dann hängt sie mir die Ringe an die Ohren, die mit dem Gewicht von Steinen an der weichen Haut ziehen und zwingt mich in die Stilletos. Schließlich schiebt sie mich vor den Spiegel. "Tadda!" Der Mensch der ich sein soll, sieht mir nicht mehr im Entferntesten ähnlich. Von dem freizügigen Outfit mal abgesehen, hat Sam meine Wangenknochen hervortretenlassen und Nase und Kinn konturiert, sodass meine Züge härter wirken. Meine Augen sind von Kajal und getuschten Wimpern umrahmt und schwarze und silberne Schatten liegen auf meinem Lid, sodass ich verruchter aussehe und ein spitzer Eyliner lässt meine Augen zudem noch katzenhafter wirken. Nicht einmal meine runde Brille stört das Bild. Die Lippen sehen voller aus und sind tiefrot bemalt, darüber liegt ein glänzender, durchsichtiger Gloss. Die Ohrringe betonen noch einmal die Wangenknochen und dass zurückgebundene Haar steht mir ziemlich gut, dass muss ich ja zugeben. Aber diese freizügigen Klamotten... ich fühle mich etwas unwohl darin. "Und?" Sam wird langsam unruhig."Ich sehe... sexy aus". Das Wort auszusprechen, im Zusammenhang mit Elodie Mellore, fühlt sich seltsam aus. "Genau! Hier ist deine Tasche, dubrauchst nur dein Handy, ich komme für alles auf". Meine Tasche war genauso winzig wie ihre. "Wir können immer noch hier bleiben und Filme gucken!", bettele ich, in einem letzten Versuch mich zu retten."Vergiss es Elle, jetzt wird gefeiert!"
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Different worlds- Shameless
Hayran KurguElodie Mellore ist eine typische Streberin und eine eindeutige Außenseiterin. Ihr Lebensinhalt besteht aus Lernen, Hausaufgaben machen und Eltern im Haushalt helfen. Allein der Gedanke an Drogen, Sex, Alkohol und Partys, alles was der Großteil ihrer...