Heftig atmend komme ich vor dem Haus der Gallaghers zum Stehen. Noch immer tropft der Regen von meiner Nase und mein Haar liegt strähnig auf meinen Schultern. Adrenalin schießt durch meine Adern, sodass ich die Kälte nicht spüren kann. Ich will schon klingeln, doch da kriecht Unsicherheit in mir hoch. Was, wenn er mich gar nicht sehen will? Was, wenn ich es endgültig versaut habe, mit meiner Dummheit und meiner Habgier. Ich schließe die Augen und atme tief durch. Hinter der Fassade aus Abscheu, die er mir gegenüber aufgesetzt hat, versteckt sich noch immer die Sehnsucht und der Schmerz, da bin ich mir sicher. Ich habe es in einem Moment der Schwäche gesehen, als ich auf dem Boden hockte und meine Stifte aufsammelte. Ich öffne die Augen wieder, gebe mir einen Ruck und drücke auf den Knopf. Ich höre das Signalgeräusch im Inneren des Hauses und mein Puls beschleunigt sich. Ich kann es nicht leugnen, ich habe eine scheißangst vor Carls Reaktion. Und wenn er mich doch wieder wegstößt? Kann ich das verkraften? Wird er nicht, Elle, reißt dich zusammen! Die Tür öffnet sich. Zuerst kann ich nicht erkennen, wer in dem dunklen Flur steht, doch dann zeichnen sich deutlich Carls Umrisse aus den Schatten ab. „Carl", hauche ich, noch immer außer Atem. Seine Nähe berauscht mich, gegen meinen Willen und mein Denken benebelt sich. Er erkennt mich und seine Miene verdüstert sich. „Verschwinde Elle!", grollt er und es fühlt sich an, als hätte er mich geohrfeigt. Ich hebe abwehrend die Hände. „Nein bitte, lass mich erklären", haspele ich, doch ich finde keine Worte. Ich hätte mir Karteikarten schreiben sollen! „Ich hab gesagt du sollst verschwinden", brüllt er drängt mich mit seinem Körper zurück. Ich weiche, ein, zwei Schritte, die Treppe hinunter, er folgt mir. Jetzt benetzt der Regen auch seine Haut und augenblicklich ist er klitschnass. Es gibt mir ein seltsames Deja Vu zu unserem letzten Streit über seine Vergangenheit im Knast. Ich hoffe, dass auch diese Situation zur Vergebung führen wird. „Bitte, es ist ein großes Missverständnis!", keuche ich, während wir beide immer weiter auf die Straße zugehen, die zum Glück gerade unbefahren ist. Er schnaubt und wendet den Blick ab, dann funkelt er mich mit einer solchen Intensität an, die mich erneut zusammenzucken lässt. „Was gibt es daran nicht zu verstehen, Elle, sags mir!", brüllt er. „Du bist nicht viel besser als all die anderen, auch wenn ich das im ersten Moment angenommen habe. Allein aus Hass, gibst du dich mit einem Arschloch wie Jacob ab und lässt dich betrügen, ohne dass es dir etwas ausmacht! Sag mir, was sollte ich daran falsch deuten?" Während er redet fuchtelt er mit seinen Händen herum und mir wird sein Standpunkt noch einmal bewusster. Ich muss billig auf ihn wirken und er wollte keine billigen Schlampen mehr. Aber so war es ja gar nicht. So ähnlich zumindest. Ich schäme mich sosehr. „Es ist längst aus mit Jacob. Ich wusste nicht, dass er mich betrügt, dass musst du mir glauben! Ich hab mich falsch ausgedrückt, das war nur darauf bezogen, dass du dich mit ihm geschlagen hast, wirklich!" Er presst die Lippen zusammen. „Na immerhin. Aber das ändert nichts daran, dass... ach du weißt schon". Ich blicke zu Boden und jetzt wird mir das erste Mal deutlich wie bescheuert die ganze Sache wirklich war. „Ja... ich weiß ich hab Mist gebaut", murmele ich kleinlaut. „Ich war einfach so enttäuscht und fühlte mich verraten". Als ich wieder in Carls Gesicht blicke, sieht er auf einmal gar nicht mehr so wütend aus. „Elle, es tut mir echt leid, ich weiß das war scheiße von mir. Es gibt keine Entschuldigung dafür". Ich lächele schwach. „Vielleicht sind wir einfach quitt?" Er dreht den Kopf weg. „Ich... ich also... ach verdammt. Ja eigentlich schon. Aber ich weiß nicht, ob ich dich noch zurückwill. Also du hast ganz schön Drama gemacht. Ich... muss jetzt los." Er dreht sich um und stapft die Treppe hinauf. Tränen treten mir in die Augen, meine Stimme bebt. Er lässt mich hier stehen, ich kann es nicht fassen. Mein Herz droht zu brechen. „Warte!", entfährt es mir. Carl bleibt stehen, dreht sich aber noch nicht um, den Kopf gesenkt. „Warum? Nenn mir einen guten Grund, warum ich bleiben soll!" So leise sind seine Worte, ich hätte sie beinahe nicht gehört. „Weil... weil..." Meine Stimme bricht. Ja, warum? „Siehst du? Du weißt es nicht". Er öffnet die Tür, da schreie ich mit Inbrunst und Panik in der Stimme: „Weil ich dich liebe, du Arschloch!" Er fährt herum und starrt mich ungläubig an. „Ach ja? Tust du das?" Ein leises Lächeln spielt um seine Lippen, er kann es nicht ganz verstecken. Ich nicke atemlos, ich habe solche Angst vor seiner Reaktion. Doch Carl springt in zwei Sätzen die Treppe hinunter, rennt auf mich zu und schließt mich in seine Arme. Und endlich, endlich, finden unsere Lippen zu dem langersehnten Kuss zusammen und die Welt scheint wieder in Ordnung. „Ich vergebe dir", flüstere ich als wir uns voneinander lösen. „Ich dir auch", murmelt er lächelnd. Dann führt er mich ins Haus, durch den Flur und dass Wohnzimmer, die Treppe hinauf in sein Zimmer. Wortlos wirft er mich auf sein Bett und zieht mir und sich selbst das Oberteil über den Kopf. Erneut werden meine Lippen für einen Kuss beansprucht, der so voll Verlangen und gestillter Sehnsucht zu gleich erzählt, dass es uns beiden den Atem raubt. Es dauert nicht lange, da sind wir beide vollends entkleidet und liegen keuchend auf einander, küssen uns, berühren uns, verlieren uns ineinander. Diese Nacht zeigt Carl keinen Hauch von Vorsicht und ich spüre auch kaum noch Schmerz. Wir lieben uns heiß und innig, endlich wieder vereint. Die zwei Puzzleteile, die zusammengehören. Schließlich liegen wir erschöpft nebeneinander und ich schmiege mich an seine heiße Brust, er vergräbt die Nase in meinem strähnigen Haar. „Du bist Meins", flüstert er. „Für immer", bestätige ich und meine es auch so. Ich will ihn nie wieder loslassen.
Als ich aufwache, muss ich mich erst wieder daran erinnern, wo und bei wem ich bin. Als die Erinnerungen an den gestrigen Abend wieder in mir aufsteigen, umspielt ein Lächeln meine wundgeküssten Lippen. Ich drehe mich zu Carl um, doch er ist nicht da. Irritiert stehe ich auf und tapse nach zu seinem Kleiderschrank. Ungefragt nehme ich mir eines seiner riesigen T-Shirts von einem Regalbrett und ziehe meinen Slip, der auf dem Boden liegt wieder an. Ich tapse erschöpft die Treppe hinunter und sehe Carl dort neben Ian in der Küche stehen. Wieder ein Deja Vu. Mein erster Morgen im Haus der Gallaghers. Ich muss lächeln. Als Carl mich entdeckt, breitet sich ein Strahlen auf seinem Gesicht aus. „Elodie!" Endlich sagt er wieder meinen vollen Namen. Wie ich das vermisst habe. Er eilt auf mich zu und begrüßt mich mit einem innigen Kuss und einem liebevollen Blick. „Hey Elle, schön, dass du wieder da bist. Jetzt kotzt Carl zumindest nicht mehr rum wie eine schwangere Frau", freut sich Ian. Verwirrt sehe ich zu Carl, während ich ihm in die Küche folge. „Du bist schwanger?", scherze ich. Er wird doch tatsächlich rot. „Naja, sagen wir, es ging mir während deiner Abwesenheit nicht so gut. Aber darüber reden wir nicht!" Er wirft Ian einen strengen Blick zu. Ich lächele liebevoll und drücke ihm einen Kuss auf seine Lippen, die ebenso wund sind wie meine, und setze mich an den Küchentisch. Es gibt einen gravierenden zu meinem Deja Vu von meinem ersten Besuch in dieser Küche. Ich fühle mich hier so zuhause und willkommen, als würde ich die Gallaghers schon ewig kennen. Carl fängt meinen Blick auf und grinst schief. „Was?" Ich schüttele peinlich berührt den Kopf und ein paar Strähnen fallen mir ins Gesicht. „Ach nichts... ich bin nur so froh dich zu haben". Er kommt auf mich zu, ich stehe auf und wieder schließen wir uns in die Arme. Ich kann gar nicht genug von der zurückgewonnenen Nähe bekommen. Gierig sauge ich seinen Vanille-Kippen-Shampoo- Duft ein, der so einmalig ist, dass er mich berauscht. „Ich hab dich so vermisst", murmele ich, die Augen selig geschlossen. Er nickt und ich spüre, wie eine Träne meinen Nacken benetzt. „Ich dich auch". Ich lächele. „Wie süß, er weint". Energisch wischt er den winzigen Anzeichen von Schwäche von seiner Wange, aber ich habe ihn gesehen und werde nie vergessen, dass Carl trotz harter Schale einen weichen Kern hat. „Niemals, was eine Frechheit! Für diese Unverschämtheit musst du später mit gutem Sex bezahlen", maßregelt er mich scherzhaft und ich werde rot, als ich Ian glucksen höre. „Carl!", beschwere ich mich und gebe ihm einen Klaps auf dem Arm. Er löst sich von mur und sieht mich mit einem aufgeregten Gesichtsausdruck an. „Wir haben etwas versäumt, Elodie!" Ich runzele die Stirn. „Und was bitteschön?" Er grinst und holt eine Flasche Tequila und Shotgläser aus dem Schrank. „Na feiern, dass du nicht schwanger bist!", verkündet er. „Was?", erschrickt Ian und wir erklären ihm in wenigen Worten, was vor unserem Streit alles passiert ist. Das scheint mir alles in so weiter Ferne zu liegen. Verrückt. Carl füllt drei Gläser mit der glasklaren Flüssigkeit und schiebt mir und Ian eins zu, das Dritte hebt er selbst. „Darauf, dass wir noch nicht Eltern werden", skandiert er und alle kippen ihre Shots hinunter. Erneut schüttele ich mich, aufgrund des brennenden Geschmacks, Ian lacht mich aus. Wir trinken noch zwei weitere und rauchen zusammen eine Zigarette. Seltsamerweise, finde ich es irgendwie schön, hier mit den beiden Gallaghers zu sitzen und unvernünftige Dinge wie Alkohol und Nikotin zu konsumieren. „Aber, nur das das klar ist", verkündet Carl laut und hebt erneut ein Shotglas, „in acht, neun Jahren oder so, mach ich dir ein Kind". Er grinst und ich grinse zurück. Ja so wird es sein. Unsere Zukunft wird gemeinsam ablaufen. Und ich bin überglücklich deswegen.
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Different worlds- Shameless
FanfictieElodie Mellore ist eine typische Streberin und eine eindeutige Außenseiterin. Ihr Lebensinhalt besteht aus Lernen, Hausaufgaben machen und Eltern im Haushalt helfen. Allein der Gedanke an Drogen, Sex, Alkohol und Partys, alles was der Großteil ihrer...