16. Kapitel

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„Und dazu hast du auch nichts zu sagen?" ich zuckte leicht zusammen, als ich feststellte, dass mir Finn immer noch gegenüber saß.
„Nein." sagte ich schnell, „also doch. Aber ich weiß nicht was." es stimmte. Ich wusste absolut nichts, was ich dazu sagen konnte. Es überrumpelte mich. Ich glaubte ihm, wünschte mir aber ich täte es nicht.
„Schon okay." er klang leicht genervt. „Ich will dich zu nichts zwingen." er sah mich nicht mehr an. Es schmerzte irgendwie. Er wollte mir nur helfen, oder? Er sorgte sich um mich. Das was ich immer wollte, dass sich jemand um mich sorgte. Er saß hier und tat genau das, aber ich lies es nicht zu. Ich schubste ihn weg. Warum?
„Okay." sagte ich nach einer Weile. Meine Stimme zitterte und ich lies den Löffel los. Finn sah mich an. Ich wurde noch nervöser und spielte mit meinen Haaren. „Es geht um meinen Dad." ich sah auf meine Finger. Wenn ich ihm in die Augen sehen würde, würde es meine Nervosität noch schlimmer machen.
„Was ist mit ihm?" fragte er vorsichtig. Ich spürte sein Interesse und seine Angst, dass es etwas schlimmes sein könnte.
„Naja, eigentlich ist nichts schlimmes passiert, es sind kleine Streitereien über die ich mir den Kopf zerbreche. Er behandelt mich wie ein Kind und verlangt aber von mir mich wie eine Erwachsen zu verhalten. Er sagt Dinge die mich verletzten und merkt es nicht ein Mal." ich nahm Luft und traute mich endlich in die blauen Augen zu schauen. „Weißt du, eigentlich geht das schon ziemlich lange so. Vor einem Jahr waren wir regelmäßig zusammen, mein Dad, meine Mum und ich. Wir gingen zusammen essen oder an den Strand oder unternahmen einfach irgendwas. Jetzt, wo ich meinen Abschluss habe, gibt es für sie nur noch die Arbeit. Unsere gemeinsame Zeit gibt es nicht mehr. Ich wurde immer öfter abgewiesen, wenn ich sie gefragt habe, ob wir zusammen essen wollten. Es tut weh, wenn man merkt, dass die eigenen Eltern besseres zu tun haben, als Zeit mit dir zu verbringen. Und ich glaube das schlimmste daran ist, dass meine Mum nicht mal der gleichen Meinung ist wie mein Dad. Immer schreit er mich an, meckert mit mir, während meine Mum einfach da steht und nichts sagt. Sie beschützt mich nicht, es lässt sie einfach kalt und das tut verdammt weh." mein Herz pochte heftig und ich war außer Atem. Es tat gut all das mal rauszulassen, aber ich war mit nicht sicher ob ich es der richtigen Person erzählt hatte. Finn sah mich Stirnrunzelnd an. Sagte aber nichts. In mir stieg Panik auf. Ich wusste er würde mich nicht verstehen, bestimmt verurteilte er mich, weil ich so über meine Eltern sprach. Der Typ der sonst immer ausspuckte was ihm ins Hirn schoss, saß schweißend vor mir und war offensichtlich sprachlos. Die Panik ergriff mich und ich warf die Haare aus dem Gesicht, schnappte mir die Schüssel und lief ins Haus. Wie konnte ich nur denken, dass er mich verstehen würde? Finn folgte mir ein paar Sekunden später ins Haus und ich nahm ihm seine Schüssel ab.
„Ähm...I-ich muss jetzt los. Ich habe mich mit Evelyn zum Surfen verabredet. Du kannst bleiben oder gehen, wie du willst, ist mir eigentlich egal." sagte ich und war absichtlich sehr kühl und sah ihn nicht an. Ich sprang die Treppen hoch und schlüpfte in Sekundenschnelle in meinen neuen Bikini und zog mir ein Kleid dazu an. Ohne noch mal nach Finn zu sehen verschwand ich.
In meinem Kopf kreisten nur so die Gedanken. Ich war völlig übergeschnappt und wusste nicht was ich machen sollte. Ich wusste nicht ein mal was ich zu Evelyn sagen sollte. Ich versuchte mich auf dem Weg zu meinem Strand etwas zu beruhigen. Aber Finn's beschissene Reaktion ging mir einfach nicht aus dem Kopf. Ich fühlte mich schrecklich, beschämt und ich bereute es sehr. Ich hätte ihn einfach gehen lassen sollen, als er es wollte.
Ich entdeckte Evelyn, die mit ihrem Surfbrett einige Meter von mir entfernt im Sand stand. Ich ging auf sie zu und setzte ein Lächeln auf. Ich wollte nicht den nächsten mit meinen Problemen belästigten. Wir umarmten uns zur Begrüßung, was mich etwas verwirrte, lies es aber dennoch zu. Sie strahlte, ihre geraden weißen Zähne blitzen hervor. Sie trug einen roten Bikini, der sehr viel zeigen lies. Ich fragte mich ob es die richtige Wahl fürs Surfen war, sagte aber nichts.
„Wie geht es dir?" fragte sie mich. Gute Frage.
„Gut, Gut, soweit." ich war so verdammt schlecht im Lügen. Ich versuchte zu lächeln und glaubwürdig zu wirken. Evelyn zog die Augenbrauen zusammen und legte den Kopf schief.
„Marie hat sich nicht gemeldet?" fragte sie dann. Sie sah besorgt aus, was mich erneut verwirrte. Noch jemand der sich um mich sorgte.
„Nein. Sie hat nichts gesagt. Ich weiß nicht ob ich das gut oder schlecht finden soll." gab ich zu. „Wie geht es dir?" ich versuchte von mir abzulenken, ich hatte immer noch zu viel im Kopf und hatte Angst etwas zu sagen, was ich erneut bereute.
„Mir geht es gut. Ich habe die ganze Nacht an einem Rock gesessen für meine Kollektion." sie strich sich über das Gesicht.
„Stimmt, du hast ja die Idee mit der Boutique. Wie läuft es?"
„Echt Gut. Ich habe meinen Katalog, mit den Ideen, fertig. Jetzt fehlen nur noch die Prototypen und ich kann sie losschicken." erzählte sie und war dabei ganz aufgeregt. Ich signalisierte ihr mit einem Finger auf das Meer los zu gehen. Sie sprach noch weiter, berichtete davon, dass sich schon drei Investoren gemeldet hätten, die ihr helfen wollten ihre Boutique zu eröffnen. Sie war völlig in ihrer Welt abgetaucht, was ich sehr bewunderte. Sie brannte richtig für ihre Idee, sie verwirklichte sich ihren Traum. Ich dagegen wusste nicht ein Mal was ich machen wollte, nur sollte.
„Genug geredet. Ich kann's kaum erwarten endlich auf den Wellen zu stehen." sagte sie schließlich und lief in das Wasser.
Evelyn war eine wirklich gute Surferin. Sie hatte super viel Balance und Gefühl. Sie hielt sich sehr lange auf den Wellen und versuchte sogar einen Trick nach zu machen, den ich ihr zeigte. Ich war beeindruckt und klatschte in die Hände als sie wieder zu mir kam.
„Das war echt gut." meinte ich. Evelyn strahlte und atmete schwer.
„Das macht so unglaublich viel spaß." keuchte sie und lies sich auf ihr Board fallen. Ich musste lachen. „Jetzt versteh ich dich. Das reinigt die Seele." ich lachte noch mehr, sodass ich mir den Bauch halten musste.
„Noch eine Runde?" fragte ich, als wir uns wieder eingekriegt hatten. Sie nickte eifrig und wir paddelten los. Gemeinsam surften wir auf einer ziemlich großen Welle hoch und runter, ich schlug sogar einen Salto und landete ganz oben. Ich sah Evelyn an mir vorbei huschen und musste einen Jubelschrei loslassen. Es war ein sehr schönes, freies Gefühl so viel Spaß mit jemandem zu haben. So hatte ich mich schon lange nicht mehr gefühlt. Meine Gedanken um Finn waren verschwunden, es gab nur mich, die Wellen und Evelyn, die echt alles dafür tat, dass ich lachen musste.
„Das müssen wir wiederholen." sagte ich, als wir gerade dabei waren unsere Surfbretter aus dem Wasser zu tragen.
„Auf jeden Fall." sie strahlte und ring ihre Haare aus. „Wie lange hast du das schon nicht mehr gemacht?" fragte sie plötzlich. Ich lies das Brett in den Sand fallen und nahm mein Handtuch.
„Was? Surfen?" ich lächelte unsicher.
„Nein, spaß haben. Es hat sich so angefühlt, als ob du das gebraucht hättest." mein Herz blieb für einen kurzen Moment stehen.
„Keine Ahnung. Surfen war ich regelmäßig, aber so viel spaß hatte ich tatsächlich lange nicht mehr." gab ich zu und mied ihren Blick. Ich setzte mich auf das Handtuch und sah aufs Meer. Weit hinten türmten sich die wellen auf, brachen mit großem Geschäume und türmten sich wieder auf. Wir waren nicht die einzigsten Surfer gewesen. Es tummelten sich eine menge im Wasser und am Strand.
„Würdest du ihr verzeihen, wenn sie sich entschuldigt?" ich sah sie erschrocken an. Ihr verzeihen?
„Natürlich werde ich das." ich zuckte die Schultern. „Das werde ich immer. Sie ist meine beste Freundin, ich kenne sie mein ganzes leben." Marie und ich waren einfach unzertrennlich, egal wie sehr wir uns stritten. Wir sprachen wieder miteinander und vertrugen uns wieder, so wird es diesmal auch wieder sein.
„Du sagst das so, als wäre das selbstverständlich." ich bemerkte den spitzen Unterton sofort in der Stimme von Evelyn. Stimmte das? Nahm ich es selbstverständlich, dass wir uns vertrugen?
„Ist das denn falsch?" fragte ich schließlich.
„Nein, aber ich finde du solltest die Sache nicht einfach vergessen. Schließlich schließt sie dich aus und lässt dich alleine." ich sah auf den Sand und spielte mit den Fingern. Ich hatte noch nie mit jemandem über Marie und mich gesprochen. Noch nie hatte ich mir Gedanken gemacht, ob ich unsere Freundschaft für selbstverständlich hielt. Das was Evelyn sagte ergab Sinn, verwirrte mich aber auch. Ich hatte unsere Freundschaft noch nie anders betrachtet und es machte mir irgendwie Angst.
„Ich denke du solltest mit ihr reden. Sag ihr, dass du ihr verhalten scheisse findest."
„Ja, wahrscheinlich hast du recht." hatte sie das? Normal wartete ich darauf, dass Marie sich entschuldigte oder ich bei ihr. Ich hatte sie noch nie darauf angesprochen wie ich mich fühlte. Ich dachte immer mit einer guten Entschuldigung wäre alles vergessen und verziehen. Evelyn hatte mich zum denken gebracht. Ich dachte über den verlauf unserer Freundschaft nach und mir fielen viele Situationen ein, die ich vielleicht unterschätzt hatte. Als Marie das Herz gebrochen wurde, stieß sie mich quasi weg. Sie ging nicht an ihr Handy, lies mich nicht zu ihr, sie ging sogar einige Zeit nicht in die Schule. Ich hatte alles dafür getan, dass sie mit mir sprach. Sie warf mir etliche gemeine Dinge an den Kopf, aber ich verzieh sie ihr alle, als sie mich endlich wieder bei ihr seien lies. Ich hatte sie in den Arm genommen und ihr versprochen, dass ich immer da sein werden.
„Was denkst du über Sarah und Molly?" hörte ich mich plötzlich fragen. Tat man das überhaupt, mit jemandem über seine Freundinnen sprechen?
„Sarah ist cool, sie ist lässig und ein typisches Kind aus der Stadt. Von ihr hatte ich ein paar als Freunde, als ich bei meiner Mum gewohnt hatte." sie lächelte leicht. „Molly kann ich nicht ganz einschätzen. Sie wirkt nett und freundlich, aber ich glaube sie kann auch anders." sie hatte es voll ins schwarze getroffen.
„Stimmt." meinte ich und musste grinsen. Sie war gut darin, andere einzuschätzen. Ich fragte mich was sie zu mir sagen würde, wenn sie jemand fragen würde. Ich traute mich aber nicht zu fragen.
„Aber ganz im ernst, auch die beiden würde ich zur rede stellen. Sie sind doch deine Freundinnen und lassen dich wegen Marie sitzen. Das würde ich mir nicht gefallen lassen." ich wurde hellhörig.
„Aber sie können doch nichts dafür, dass Marie sie einspannt." verteidigte ich die Mädchen.
„Natürlich könne sie das." Evelyn schüttelte den Kopf. „Sie könnten ‚Nein' sagen und dich fragen, ob ihr etwas unternehmen wollt. Du darfst dir nicht immer alles schön reden. Du hast auch Gefühle, Meinungen und du solltest dazu stehen." plötzlich fiel mir die Situation mit Kelly am Strand ein. Ich stand komplett unter ihrem Einfluss, als ich so mit Tyler geflirtet hatte. Allein wäre ich niemals auf diese Idee gekommen, ich wäre weggerannt und hätte mich versteckt. Evelyn hatte recht, ich musste mehr zu mir selbst stehen. Kurz dachte ich darüber nach ihr von Finn zu erzählen, aber ich entschied mich dagegen. Sie war eine tolle Beobachterin und verteilte gute Ratschläge, aber ich wusste dass ich die Sache mit Finn falsch sah, das musste mir keiner sagen. Ich wusste wie falsch es war, dass ich mich mit ihm traf und ihn dennoch so kalt lies. Es war nicht fair und echt feige.
Gegen halb zwei lief ich zurück zu unserem Haus. Die ganze zeit mit Evelyn hatte ich nicht an Finn gedacht, außer am Ende. Wir hatten noch gemeinsam über alte Zeiten gelacht und sie hatte mir von ihrer Mum erzählt. Ich dagegen erzählte von meinen Eltern, der Arbeit und dass ich eigentlich wieder in die Surfschool wollte.
Jetzt lief ich auf dem Bürgersteig und fragte mich ob Finn wohl noch im Haus war und auf mich wartete. Hatte er ein schlechtes Gewissen? Tat es ihm leid, wie er reagiert hatte oder hatte er es nicht ein mal bemerkt? Was sollte ich zu ihm sagen, wenn er mich darauf ansprach? Oder, sollte ich ihn darauf ansprechen?
Ich öffnete die Tür und spähte hinein. Das Wohnzimmer war leer, wie die Küche und die Terrasse. Auch mein Zimmer war leer. Ein kleiner Teil von mir, der der mich in seiner Nähe den Verstand verlieren lies, war enttäuscht. Der andere war erleichtert, weil ich nicht mit mit kämpfen musste. Ich entschied mich zuerst mein Workout zu machen und dann duschen zu gehen.

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