19. Kapitel

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Das Holz trug mein Klopfen als dumpfes Geräusch in das Innere des Holzhauses. Es stand leicht erhöht mitten im Wald. Viele Laubbäume und Palmen umgaben es. Man konnte das Meer hören, die Möwen kreischen und den Wind in den Blättern schweifen. Das einzigste was man nicht hören konnte waren die Stimmen der Menschen, die sich auf der Insel befanden. Es war ruhig und friedlich. Bis hier hin konnte kein Problem der Welt kommen. Hier war es immer still.
Die Tür knarzte als sie geöffnet wurde. Eine kleine alte Dame, mit weißen langen lockigen Haaren stand vor mir und strahlte mich an.
„Grams." entfuhr es mir und ich umarmte sie fest. Sie strich liebevoll meinen Rücken hoch und runter und drückte mich fest an sie.
„Liebes, was ist denn mit dir passiert?" sie drückte mich von ihr weg und sah mich an. „Du siehst gar nicht gut aus." sie umfasste mein Gesicht mit beiden Händen und strich die überlaufene Träne weg. Ihre hellen Augen sahen mitfühlend und besorgt in meine und ich wusste, dass sie alles, was in mir vorging zu wissen schien. Mit nur einem Blick wusste sie, was mich bedrückte und wie ich mich fühlte.
„Komm rein, komm rein." sie zog mich am Handgelenk in das kleine Holzhaus. Von Innen war es wie eine kleine Inselhütte aus vielen alten Möbeln zusammengestellt worden. Überall standen Fundsachen, die Grams am Strand gefunden hatte oder an der Promenade gekauft hatte. Sie setzte sich auf die blaue Couch und klopfte neben sich. Ich verkroch mich in die Ecke und suchte den Blick nach meinem geliebten Meer. Es hatte mich hier her gebracht. Es wusste genau wen ich jetzt brauchte.
„Na also dann, schieß mal los." sie lächelte etwas, was ihr eh schon faltiges Gesicht noch mehr Falten aufschlagen lies. Sofort übermannten mich wieder die Tränen und nur unter schluchzen erzählte ich meiner Grams, die Mum meiner Mum, was passiert war. Ich erzählte ihr von dem Streit mit Marie und das ich deshalb total fertig war. Als dann mein Dad erzählt hatte, was mit meiner Mum gewesen war, wusste ich nicht mehr wohin mit mir.
„Oh Liebling." Grams nahm mich in den Arm und drückte mich fest. Sie küsste meine Harre und strich sanft darüber. „Alles wird gut. Du wirst schon sehen." hörte ich sie unter meinem schluchzen sagen. Ich konzentrierte mich auf eine ruhige Atmung und mir gelang es aufzuhören zu weinen.
„Deine Mum ist stärker als du denkst. Sie schafft alles." lächelnd strich sie meine Haare aus dem Gesicht. „Sie hat alles geschafft was sie wollte, sie schafft auch eine kleine Operation."
„Was ist wenn sie stirbt?" brach es aus mir heraus.
„Sie stirbt nicht, Claire. Dafür hat sie noch viel zu viel vor." wie konnte sie nur so ruhig und gelassen über ihre Tochter sprechen, die Meilenweit entfernt in einem Krankenhaus lag und operiert wurde, weil sie in Lebensgefahr war?
„Wie kannst du dir da so sicher sein?" fragte ich und sah wieder auf das Meer. Es lag direkt vor dem großen Bodentiefen Wohnzimmerfenster. Es spiegelte die Schatten der Bäume und Palmen wieder und glitzerte in der Untergehenden Sonne. Nicht weit von hier lag der See, an dem ich die letzte Nacht verbracht hatte. Schon ein Gedanke reichte, und mein Körper kribbelte und sehnte sich nach der Nähe von Finn. Aber ich musste dem Gefühl stand halten und mich, vor allem in meiner jetzigen Verfassung, von ihm fern halten. Er durfte mich keinesfalls so verletzlich sehen und mir helfen wollen. Er durfte nicht der Mensch sein, der mich aus meinem Tief herausholte. Sonst würde er immer der sein, der mir half als ich von dem Unfall meiner Mum gehört hatte. Bei meiner Grams war ich sicher. Sie war gut für mich. Sie liebte mich und das brauchte ich. Sie brachte mir einen Tee und gab mir etwas zu essen. Als ich fast einschlief, mit einer Kolter umwickelt auf der Couch, auf ihrem Balkon, küsste sie mich und strich langsam meine Wang auf und ab. Das Rauschen vom Meer beruhigte mich und ich schlief ein.

       ****

Am nächsten Morgen fand ich mich pünktlich um kurz vor acht vor dem Hotel wieder. Die Sonne war vor wenigen Stunden aufgegangen und erhellte die Insel in ihren sanften Tönen des Oranges. Ich hatte von meinem Dad mitgeteilt bekommen, dass er so auf die Schnelle keine Vertretung für das Hotel bekommen hatte, also musste ich die Aufgaben meiner Mum übernehmen. Für das Restaurant war jemand zuständig, der meinen Dad schon sehr gut kannte. Sein Name war Ryan. Er war fast Ende 40, hatte eisblaue Augen und war bestimmt vier Köpfe größer als ich. Er war ein ziemlich guter Geschäftsmann und wusste wie man Umsatz machte. Ich kannte ihn schon aus meiner Kindheit, wusste also, dass man ihm trauen konnte. Er hatte meinen Eltern geholfen das Hotel, die Ferienhäuser und das Restaurant zu planen, zu finanzieren und zu bauen. Trotz seines beängstigten Aussehens war er ein netter Mann, der gut mit Kindern konnte.
Ich stieg die Treppen hoch und betrat das dunkle Foyer des Hotels. Als ich eintrat erhellten sich die Lichter und eine Dame kam um die Ecke gelaufen.
„Guten Morgen." sie lächelte mich an. Unter ihren Augen lagen dicke dunkle Ringe, offenbar hatte sie die Nachtschicht an der Rezeption gehabt. Um acht müsste ihre Kollegin kommen und sie ablösen.
„Möchten Sie einen Kaffee?" fragte ich sie höflich und lief in den Gang hinein. Ich hörte ihre Absätze auf dem Holzboden.
„Oh ja, sehr gerne." ich stellte also zwei Tassen unter die Kaffeemaschine und lies die Brühe hineinlaufen. 
„Wie geht es Ihnen?" die Frau mit den lockigen schwarzen Haaren sah mich mitfühlend an. Auf diese Frage hatte ich gewartet. Den ganzen morgen hatte ich darüber nachgedacht was ich auf diese Frage antworten sollte. Ich hatte keine Ahnung wie es mir ging. Ich war furchtbar in sorge und hatte angst um meine Mum, auf der anderen Seite war ich sauer auf meinen Dad, dass er mich nicht holte und mich alleine lies. Dann spürte ich einen Druck, das sich das Hotel führen musste und meine Eltern nicht enttäuschen durfte. Ich wollte Ihnen beweisen, dass ich kein schlechter Mensch war und ich etwas gelernt hatte. Durchhalten! Ich musste durchhalten. Auch wenn es mir schwer fiel sah ich der Frau in die dunklen Augen.
„Den Umständen entsprechend gut. Ich hoffe sehr, dass sie bald nach Hause kommen." zum Glück reichte ihr das als Antwort und ich konnte dem Kaffe weiter zusehen.

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