Am Abend saßen Amala und ich vor dem Laptop und hatten einen Videocall mit Mom, die immer wieder beteuerte, wie sehr sie sich wünschte, dass sie schon am nächsten Tag zu uns fliegen konnte, so dünn und traurig, wie wir aussahen. Unterernährung war bei uns aber nicht wirklich ein Problem. Wir aßen die meiste Zeit so ungesund, dass ich zugenommen hatte, seitdem wir hier wohnten und unsere ausgezehrten Gesichter rührten nur daher, dass Amala und ich zu viel über uns selbst und unsere Entscheidungen nachdachten.
Ich hatte den beiden bereits erzählt, wie heute mein Treffen mir Taehyung abgelaufen war und war erneut in Tränen ausgebrochen, aber nicht, weil ich traurig war, sondern, weil Erleichterung mich überschwemmte und ich mir wünschte, das alles schon viel früher rausgelassen zu haben. Mom freute sich für mich und war ganz versessen darauf, Taehyung nächste Woche selbst wiederzusehen. Vorausgesetzt, er war zu dem Zeitpunkt schon bereit für ein Treffen.
"Ich wusste, das Taehyung das alles gut verkraften würde. Er war schon früher immer so ein netter Junge. Mach dir nicht so einen Kopf darum, dass er etwas Zeit zum Nachdenken braucht, Norang, das ist ganz normal. Und wenn er dann wieder einen Schritt auf dich zumacht, sorg dafür, dass du ihn so gut behandelst, wie du kannst. Ich wünsche mir keinen anderen Schwiegersohn."
"Mom", rief ich aus und erschreckte damit Amala, die in Gedanken versunken war. "Hör auf so weit zu denken. Alles, was in Richtung Verlobung, Heirat und den Aufbau eines Eigenheims geht, ist noch so weit entfernt!"
"Aber nicht unmöglich. Lass mich nächste Woche mit ihm reden, dann werden wir ja sehen, wie lange das ganze noch dauert."Ich ließ mich in mein Kissen zurückfallen und schnaubte. Immerhin gab es jetzt ein anderes Thema, als mein Gespräch heute mit Tae. Allerdings war ich gerade stark am Überlegen, Mom doch noch nicht auf ihn loszulassen.
Amala neben mir rührte sich und stieg dann aus dem Bett.
"Wo willst du hin?", fragte ich verwundert. Amala grübelte und schien selbst nicht zu wissen, was sie gerade tat.
"Ich habe eine Idee. Ich muss sie aufmalen. Und dann muss ich zu Jungkook. Ich glaube, er hat auch eine riesige Entschuldigung von mir verdient und ... ein ehrliches Geständnis."
Sie sprach halb in Gedanken versunken und verabschiedete sich gar nicht erst, als sie ging und die Tür leise hinter sich zuzog.
"Amala hat auch Liebesprobleme?", fragte Mom und ich nickte bedrückt.
"Ich weiß nicht genau, worum es geht, aber sie und Jungkook sind sich in den letzten Monaten ziemlich nah gekommen und ich hatte den Eindruck, es könnte etwas festes werden, weil sie ihn nicht so schnell abgewimmelt hat, wie alle anderen und sogar bereit war ihn kennenzulernen, bevor irgendetwas anderes passiert. Aber letzte Woche haben sie sich zerstritten und Amala hat bisher nicht wirklich darüber geredet."
"Sie sagt es dir schon, wenn sie dazu bereit ist."
"Ich weiß", seufzte ich. "Ich bin froh, dass sie das Ganze erst einmal mit ihm klären will."Mom und ich telefonierten noch eine Stunde. Nachdem wir aufgelegt hatten, war Amala im Flur zu hören. Sie rannte die Stufen hinunter und ich schälte mich aus dem Bett, um ihr hinterher zu gehen.
"Ich bin weg, vielleicht die ganze Nacht." Sie sagte das mit einer Energie, die ihr die letzten Tage deutlich gefehlt hatte. In der einen Hand hielt sie eine mit Packpapier bedeckte Leinwand und mit der anderen versuchte sie ihre Schuhe überzustreifen.
"Sag mir nur Bescheid, sollte etwas sein."
Amala schaute auf und strich sich die voluminösen Locken zurück. Es klebte noch ein Rest Farbe an ihren Fingern und auf ihrer Kleidung, aber sie sah so bereit aus, zu tun, was sie tun musste, dass man das Gefühl hatte, sie wollte gleich die Welt erobern. Vielleicht war das auch irgendwie der Fall.
"Mache ich, aber warte nicht darauf. Du siehst selbst ziemlich fertig aus."
"Ich bin nur müde und überfüllt mit Emotionen. Aber vor allem Erleichterung. Also mach dir keine Sorgen und schnapp dir endlich deinen Mann!"
Amala grinste, aber ich sah ganz deutlich auf ihrer braunen Haut, dass sie ein wenig errötete.
"Schon gut, ich versuche ja schon das Happy End zu bekommen, das du dir seit Jahren für mich wünschst."
"Das will ich auch hoffen."
Wir warfen uns gegenseitig in die Arme und ich wünschte Amala alles Glück der Welt, dass ihr Gespräch mit Jungkook genauso gut verlief, wie meines mit Tae an diesem Nachmittag.
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Yellow Skies || kim taehyung
FanfictionNachdem die talentierte Jungjournalistin Park Norang mehr als ihr halbes Leben in den USA gelebt hat, kehrt sie nun nach Südkorea zurück, um ein Praktikum in der Onlineredaktion eines High Fashion Magazins anzutreten. Nur kurz nach ihrem Eintreffen...