74.~Urteil und Offenbarung~

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Jen sitzt neben mir und scheint nervöser als Marry zu sein. Immer wieder fixieren ihre Augen diesen Anwalt. Seit er in diesem Ton mit ihr gesprochen hat ist sie wie ausgewechselt. Schon als wir den Gerichtssaal betreten haben und sie ihn gesehen hat war sie so komisch. Irgendwie scheinen sie sich zu kennen. Der Mann ist kaum älter als ich. Vielleicht 30 Jahre alt. Jen hat Lilly mittlerweile auf den Arm genommen, das scheint sie etwas zu beruhigen. Anthony macht seine Aussage und verlässt den Saal wieder. Als die Männer dann nach und nach ihre Aussage machen, wird auch Marry immer nervöser. Ich kenne sie gut genug, um zu wissen, dass sie kurz davor ist zu gestehen. "Baby?" Ihr Kopf schnellt in meine Richtung. "Alles gut?" Sie winkt ab und sieht weiter starr gerade aus. 3 Stunden sitzen wir bereits hier und jetzt endlich scheinen wir vorwärts zu kommen. "Das ist interessant. Dürfte ich dieses Video sehen?" Der Mann nickt und steht au, um dem Richter sein Handy zu bringen. Es wird an einen Fernseher angeschlossen und das Video abgespielt. Darauf ist Marry zu sehen und die Männer, wie sie alles für die Entführung klären. Dazu redet Marry davon, dass es nicht mit der Vergiftung geklappt hat und dass sie bei uns eingebrochen ist. Marry wir in die Ecke gedrängt und gesteht endlich. Ich lächle zufrieden, triumphierend. Der Richter und die Anwälte verziehen sich zum besprechen des Urteils und im Saal ist es still, zumindest, bis Nick sich meldet und vermutlich Hunger hat. Da Lilly schläft legt Jen sie schnell in den Wagen und nimmt Nick heraus. Vorerst ist er ruhig in ihrem Arm aber vermutlich wird das nicht lange anhalten. Wenn er Hunger hat, dann richtig. Die Anwälte und der Richter kommen zurück und er verkündet das Urteil. 4 Jahre Gefängnis und Schmerzensgeld in Höhe von 100.000€. Um das Geld geht es mir nicht, Hauptsache sie hat ihre Strafe. "Wollen sie noch etwas sagen?" Marry sieht hoch, direkt zu uns und sieht dann zu Nick und Lilly. "Es tut mir leid." Ihr kullern Tränen über die Wangen. Sie meint es mit der Entschuldigung ernst aber das ist mir egal. Vor dem Saal umarmt Jen Anthony ganz stürmisch. "Miss Cromwell." schnurrt jemand und ich drehe mich um. Jen löst sich von Anthony und sieht den Anwalt an. "Sir." nickt sie. "Immer noch ganz die Alte. Immer ein braves Mädchen." Jetzt bekommt ihr Gesicht wieder Farbe, denn sie wird richtig rot. Ich sehe verwirrt zwischen ihnen hin und her. "Gut gespielt. Schade, dass wir nicht mehr spielen. Scheinbar sind sie wieder in festen Händen, Miss Cromwell." "Ja, die guten alten Spiele. Das war einmal, Sir, und es wird Vergangenheit bleiben. Und ja, ich bin in festen Händen. Allerdings nicht so fest wie die ihre. Diese Hände sind viel sanfter." Er sieht sie schmunzelnd an. "Schön zu hören. Haben sich ihre Interessen etwa geändert?" "Sieht ganz so aus. Sie wollten mir meinen Wunsch ja nicht erfüllen." Jetzt lacht er richtig. "Ihren Wunsch nicht erfüllen? Also suchen sie sich einen anderen Mann mit Geld, der ihren Wunsch erfüllen konnte?" Sie presst die Lippen aufeinander, sie ist gereizt. "Um Geld geht es nicht, davon habe ich alleine bereits genug." "Wie geht es ihrem Freund Erik?" "Das sollten sie nicht fragen. Er würde an die Decke gehen, wenn ich ihm von ihnen erzähle." "Ihr vorlautes Mundwerk sollte gezügelt werden." "Das liegt nicht mehr in ihrer Hand. Schon lange nicht mehr. Schönen Tag, Sir." Jen dreht sich um und schiebt den Kinderwagen Richtung Aufzug. Ich starre sie mit offenem Mund an und dann ihn, den Anwalt. "Passen sie gut auf sie auf. Und weisen Sie sie zurecht. Scheinbar hat sie schon lange keinen richtigen Arschvoll mehr bekommen." Er macht auf dem Absatz kehrt und geht, die Aktentasche fest in der rechten Hand. "Was war das denn?" fragt Anthony entsetzt. "Ich habe keine Ahnung." sage ich mit dem gleichen Entsetzen. Wir gehen Jen hinterher und fragen sie, doch sie antwortet darauf nicht. Im Auto löchern wir sie weiter, aber sie weicht unseren Fragen geschickt aus. So kann das nicht weiter gehen! Das macht mich richtig sauer! Zuhause stillt Jen erstmal Nick und Lilly und dann bringen wir sie eine Weile ins Bett. "So, und jetzt rede mit mir!" Jen sieht mich unsicher, sogar etwas ängstlich an. "Marco ich..." "Nein, Jen! Ich will, dass du jetzt mit mir redest! Was ist das mit dir und diesem Kerl? Hast du was mit dem?" Sie reißt die Augen auf und sieht mich entsetzt und gleichzeitig erschrocken an. "Du denkst, dass ich dir fremdgehe?" fragt sie ganz leise. "Ja... Nein! Ach, ich weiß doch ich nicht! Rede mit mir. Ich will es wissen, jetzt!" Sie sieht nach unten auf ihre Hände. "Ich kann nicht. Du würdest mich hassen." "Hassen? Jen, ich liebe dich! Und ich habe verdammt nochmal keine Lust auf Geheimnisse!" "Ich weiß, es tut mir leid. Gib mir bitte etwas Zeit, dann werde ich es dir sagen, okay?" Ich seufze. "Okay. Du kannst mit mir über alles reden, okay?" Sie nickt und sieht weiter traurig auf ihre Hände. Anthony ist bereits in seine Wohnung, da er mittlerweile eine eigene hat. "Du hast mich nicht entjungfert." flüstert sie und ich fahre herum. "Was?" "Du warst nicht der Erste mit dem ich geschlafen habe." "Ach nein?" Sie schüttelt den Kopf. "Vielleicht ist die aufgefallen, dass ich immer blute, wenn wir miteinander schlafen. Das war sozusagen ein Vorteil, um weiter behaupten zu können, dass du der Erste bist." Ich sehe sie entsetzt an. "Ich war damals etwas schwierig und brauchte Halt. Henryk hat mir den gegeben. Als ich 15 war sind meine Eltern gestorben und mein Bruder war weg. Ich war alleine. Als ich 17 war habe ich Henryk kennen gelernt, der Anwalt von vorhin. Er hat mir eine andere Welt gezeigt." Langsam dämmert es mir. Immer wieder sieht sie sich diesen Film an, immer wieder liest sie diese Bücher. "Ich war ein Jahr lang seine Sklavin, dann hatte ich keine Zeit mehr für ihn und habe die Beziehung beendet. Immerhin wollte ich etwas erreichen." So was aus ihrem Mund zu hören ist schrecklich! "Er hat dich geschlagen?" "Ja." haucht sie und ein leichtes Lächeln breitet sich auf ihren Lippen aus. "Und das hat dir gefallen?" Sie nickt und sieht mich unsicher an. "Es hat mich befreit. Ich wollte es. Und es war befriedigend. Er hat mich entjungfert und mich fast jeden Tag gefickt. So wie er es wollte." "Du hast mich also die ganz Zeit belogen? Ich war nicht der Erste?" Sie schüttelt den Kopf und eine Träne läuft ihr über die Wange. "Das ist krass. Das ist einfach viel zu krass. Ich geh kurz zu Mats, ich brauche etwas Zeit, um das zu verdauen." Sie sagt nichts, also gehe ich in den Flur und ziehe meine Schuhe an.

Wenn das Schicksal zum Arschloch wirdWo Geschichten leben. Entdecke jetzt