Part 22: Sehr viel reden

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Point of view: Rewi

Beruhigend strich ich über Elifs Rücken und hielt sie ganz fest. Sie krallte sich in meine Schulterblätter und schluchzte immer wieder auf, während ihr Tränen durchs Gesicht liefen. Ich fühlte mich schuldig. Ich wollte nicht, dass sie sich Sorgen macht oder dass sie jetzt weint. Und ich hätte dran denken sollen. Wieso hab ich nicht einfach kurz Bescheid gesagt? Einfach kurz angerufen oder eine Nachricht geschrieben. Das hätte gereicht. Und doch hab ich es nicht getan.

,,Es ist alles in Ordnung. Es ist nichts passiert. Wir waren vorsichtig." Sie zitterte. Beruhigte sich kein bisschen und wurde nur hysterischer. Atmete unregelmäßiger und erweckte den Eindruck gleich zu hyperventilieren. Das geht nicht gut! ,,Warte, warte, warte. Beruhige dich. Bringt keinem was, wenn du jetzt hyperventilierst. Atme mit mir. Ein. Und aus." Ich setzte sie aufrecht hin und hielt sie dabei an ihren Schultern fest, während sie ihre Hände an meine Arme legte und sich nun dort festkrallte. Am Anfang Probleme damit habend, atmete sie viel zu kurz ein und dann zu schnell aus. Doch mit der Zeit wurden wir synchroner beim Atmen und sie schluchzte immer seltener auf. Ihr einatmen wurde immer tiefer und intensiver und beim Ausatmen lies sie sich genug Zeit.

,,Danke.", murmelte sie und schloss dabei ihre Augen. Sie lies sich nach hinten Fallen, gegen die Fahrersitzlehne, und strich ihre Haare nach hinten. Krallte dann ihre Hände in die Lehne hinter sich. Eine Zeit lang starrte sie nun an die Decke und schien nachzudenken. Die Gedanken zu sortieren und Dinge Revue passieren lassen. Würde sie jetzt ein Fremder bemerken, würde er vermuten es ginge ihr gut und sie denke nur nach. Aber ihr ging es nicht gut. Sie wahr wirklich verzweifelt. Und überfordert. Die Art, wie der Blick war, sagte vieles, denn der war leer. ,,Ich hatte Angst, dass sich alles wiederholt. Dass euch das selbe passiert. Ich kann das immer noch nicht so wirklich verarbeiten. Ich hätte da sein müssen."
,,Elif."
,,Ich hätte nicht nach Hause gehen sollen."
,,Elif!"
,,Ich hätte bei ihm sein müssen. Ich-"
,,ELIF!"

Tränen rannten ihr wieder übers Gesicht und ihre Stimme zitterte gegen Ende ihres kleinen Monologes. Sie drückte ihre Handballen auf die Augen und versuchte sich wieder zu beruhigen, was sogar ganz gut klappte. ,,Du bist nicht schuld daran, dass es so passiert ist. Niemand wusste, dass das passieren wird und da hätte sich auch nichts dran geändert, wenn du mitgekommen wärst. Du wärst auch nur gestorben." ,,Ich hätte Anstelle von ihm am Steuer gesessen." ,,Das hätte nichts geändert. Er war nicht schuld. Elif, du musst endlich verstehen, dass in dem Moment nichts mehr Christian retten konnte. Da war es schon zu spät. Wäre er eine Minute früher oder später losgefahren, dann hätte ihn das vielleicht noch retten können, aber da ging nichts mehr. Hör auf dir die Schuld zu geben."

Ich zog sie zurück in meinen Arm und strich ihr vorsichtig über den Rücken. Kraftlos lies sie es zu und schniefte nur ab und zu. Sie war eindeutig traumatisiert. Vor nun knapp 3 Jahren passierte dieser Unfall. Sie war mit Christian, ihrem Cousin, und ein paar weiteren Freunden seinen Geburtstag nachfeiern und sind dafür in einen Club gegangen. Dort haben die dann gefeiert und es ging auch soweit gut, bis Elif entschieden hat nach Hause zu fahren, weil wir am nächsten Tag nach Berlin mussten. Ein paar Stunden später bekam sie dann einen Anruf in dem es hieß, dass Christian bei einem Autounfall gestorben ist. Der Gegenfahrer war betrunken und ist auf der Gegenspur gefahren. In der Kurve. Auf dem Weg ins Krankenhaus ist Christian dann im Rettungswagen gestorben. Der besoffene überlebte aber. Seitdem hat sie panische Angst, dass sowas nochmal passiert. Und das wir uns jetzt nicht gemeldet haben, hat sie wahrscheinlich zurück in die Gefühlslage des Moments versetzt.

Es vergingen Minuten in denen wir uns nur umarmten und die Welt komplett ausblendeten. Nur wir beide existieren. Definitiv anders, als wenn Tobi und ich nur existierten, aber trotzdem nicht befremdlich. Eher angenehm wohlig und nah. Warum dacht ich eigentlich schon wieder an Tobi? Ich strich ihr über den Rücken und summte leise vor mich hin. ,,Weist du. Ich hätte direkt angerufen, wenn etwas nicht stimmen würde. Wenn auch nur das leiseste Unwohlsein aufgetreten wäre. Sobald irgendwas nicht gestimmt hätte, hätte ich dich sofort angerufen. Tut mir leid, dass ich vergessen hab Bescheid zu geben. Ich wollte dich nicht aufwühlen."

Was auf Madeira passiert bleibt auf Madeira... || RewiskationWo Geschichten leben. Entdecke jetzt