Harvey
Ganz ehrlich? Ich habe keinen blassen Schimmer, warum ich das gerade tue. Ich habe mir vorgenommen, mich von ihr fernzuhalten. Es würde nicht funktionieren. Ich bin nicht für eine Beziehung gemacht. Ich kann setwas schlicht und einfach nicht.
Und dennoch knie ich hier auf dem Boden von Kellys Wohnung, sie in meinen Armen und spüre ihre weichen und vollen Lippen auf meinen. Kelly erwidert den Kuss, ohne auch nur einen Moment zu zögern, was mich unweigerlich dazu bringt, in den Kuss hinein zu grinsen. Mir ist nunmal keine andere Möglichkeit eingefallen, wie ich dieses hübsche, kluge und unschuldige Mädchen hätte sonst unterbrechen sollen. Um nichts in der Welt habe ich gewollt, dass Kelly denkt, ich würde sie nur als eine Art Trophäe, einen bescheuerten Teil irgendeiner Wette ansehen. Das könnte ich niemals. Das hat sie nicht verdient. Und dieses Arschloch von Football Captian sollte sich hüten, mir über den Weg zu laufen. Anderenfalls kann ich nicht garantieren, dass diese Begegnung mit einer gebrochenen Nase seinerseits enden wird. Allein die Vorstellungen, Hände eines anderen auf ihrem perfekten Körper zu sehen, ihre perfekt geschwungenen, einzigartigen Lippen auf anderen als meinen sehen zu müssen, machen mich verrückt. Ich würde alles dafür tun, der Einzige sein zu dürfen, der das Recht besitzt, sie so berühren zu können. Und... Schnell schlage ich mir die weiteren Bilder, welche gerade vor meinen Augen auftauchen, aus dem Kopf. Ich könnte dieses wunderschöne Mädchen ewig so in meinen Armen halten. Meine Lippen auf ihre pressen, wohlwissend, dass sie es erwidern wird. Aber irgendwann muss ich leider doch nach Luft ringen, was Kelly ganz offensichtlich nicht anders geht. Ohne etwas zu sagen, pressen ich meine Stirn gegen ihre und schließe wieder die Augen, bevor ich wieder Gefahr laufe, in diesem tiefen Blau zu ertrinken.
"Es tut mir leid." breche ich zuerst die Stille zwischen uns. Am liebsten hätte ich meine Worte sofort wieder zurück genommen. Warum kann ich Idiot manchmal nicht einfach meine Klappe halten?
"Ich, ich hätte das nicht tun sollen." Die Wörter fließen einfach aus meinem Mund. Ich merke sofort, wie ich den Moment zerstöre. Aber vielleicht muss es so sein. Kelly und ich, die wunderschöne Engelsstimme und irgendein Typ mit baldigem Alkoholproblem. Das kann nicht gut gehen. Niemals. Der Kuss muss ein Fehler gewesen sein. Auch wenn ich es noch nicht wirklich schaffe, das zu realisieren.
"Nein, bitte. Bitte nicht du auch. Ich... ich. Bitte nicht." Am liebsten hätte ich sorfort wieder meine Arme um sie geschlungen, die winzige Lücke zwischen uns geschlossen und sie so fest an mich gedrückt, wie es meine Kraft und die Stabilität ihrer Knochen zulassen. Ihre flehende, leise und so zerbrechliche Stimme schmerzt viel zu sehr, als das ich diese Situation noch viel länger aushalte. Ich tue ihr weh. In diesem Moment bin ich nicht besser als dieses Aschloch, von dem sie mir vor keinen fünf Minuten erzählt hat. Aber lieber jetzt. Später würde ich sie nur noch mehr zerstören. Die Tränen, welche bereits in ihren Augen glitzern, machen es mir nicht unbedingt leichter.
"Es tut mir leid. Kelly, doch ich bin kein Mann, wie du ihn verdienst. Früher oder später breche ich dir das Herz, ob ich es will oder nicht. So bin ich nunmal gestrickt. Der Kuss... ich..." Ich bringe es nicht übers Herz, ihr ins Gesicht zu sagen, dass der Kuss wohl oder übel ein Fehler gewesen sein muss. Dafür habe ich mich in diesem verzauberten Moment viel zu wohl gefühlt. Doch ganz offensichtlich muss ich nichts mehr sagen. Der Engel vor mir findet ihre Stimme wieder, sieht mir in die Augen und rückt von mir ab. Das Glitzern, dieses wunderschöne hoffnungsvolle, optimistische Funkeln ihrer Augen ist verschwunden. Sie wirken stumpf. Leer. Verlassen. Genauso wie die Tränen, welche ihr jetzt ungehindert über die Wangen rennen.
"Raus! Bitte, verschwinde."
Ihre Stimme ist ruhig, aber dennoch bestimmt. Ich will es mir anders überlegen, gehe einen Schritt auf sie zu. Ich will sie wieder in meinen Armen spüren. Fest an mich pressen. Ihr sagen, dass ich ein riesiger Idiot bin. Fuck! Ich bin mehr als ein verdammter Idiot! Aber sie tritt nur noch ein Schritt zurück, sieht kurz zu Boden und dann wieder zu mir auf. Doch das, was sich jetzt in ihren meeresblauen Augen wiederspiegelt, ist nicht leer. Diese, einzig und allein durch Tränen glänzenden Augen, welche mich nun anschauen, sind geschüllt von unermesslicherer Enttäuschung. Enttäuschung und noch etwas. Etwas, das ich erst erkenne, als sie die Hände vor ihrem Körper ausstreckt und noch einen Schritt nach hinten geht, sodass ihr Rücken mittlerweile die Wand neben ihrem Bett berührt.
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Find myself - A lie. A love. A mess.
Teen FictionKelly ist nun 19 Jahre und steckt mitten in ihrem Studium für Architektur. Als sie durch ihren Nebenjob jedoch ihre Leidenschaft für die Musik und den Gesang wieder aufleben lässt, treten ihr plötzlich Erinnerungen ins Gedächnis, welche sich allerd...