Kapitel 18

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Kelly

"Killian?!", bringe ich so erschrocken hervor, dass meine Stimme einige Oktaven höher ist, als beabsichtigt. Mir wäre gerade nichts lieber, als einfach im Erdboden zu versinken. Wieso sind Harvey und ich so losgelöst und unvorsichtig gewesen? Weil ihr beide ganz offensichtlich etwas füreinander übrig habt, erklärt mir mein Unterbewusstsein. Ergibt Sinn... Es ist zwar nicht mehr als ein simpler Kuss gewesen, aber für Killian ist das scheinbar Grund genug seine Beherrschung zu verlieren. 

Der Moment ist so schön und perfekt gewesen. Bis Riley und Killian in mein Krankenzimmer gestürmt sind. Während mein Bruder innerlich in diesem Moment wahrscheinlich zu kochen beginnt, hat Riley nur einen verdutzten , überraschten Ausdruck in den Augen. Dennoch erkenne ich das Lächeln dahinter, als ob sie so etwas schon geahnt hat. Ich bin sowas von dran. Ich weiß nur noch nicht, vor was ich mich mehr fürchten soll. Vor dem stundenlangen Verhör meiner besten Freundin oder dem übertriebenen Wutausbruch und der darauffolgenden Rede meines Bruders. Beides wird nicht einfach, ziemlich langwiedrig und extrem anstrengend. Dessen bin ich mir bereits jetzt schon bewusst. 

"Kelly Jones! Was zum Teufel sollte das werden?! Was hast du mit diesem Typen am Hut?!" Die Hände meines Bruders sind schon längst zu Fäusten geballt, als er mit einem angewiderten, aggresivem Blick auf Harvey zeigt, welcher daraufhin ebenfalls beinahe seine Beherrschung verliert. Ich ahne schlimmes. Leider bin ich schon zu spät, als ich vom Bett aufspringe und zwischen die Beiden treten will, da Harvey sich bereits vom Bett erhoben hat.

"Killian! Verdammt! Was soll der Scheiß?!" Panisch und mit verdammt schneller Geschwindigkeit, dass ich beinahe stolpere und den wunderschönen Boden küsse, krieche ich vom Bett und stelle mich vor Harvey. Der Kinnhaken meines Bruders hat ihm - bis auf ein wenig Blut, das ihm aus seiner Nase tropft sowie seiner aufgeplatzten Lippe - nicht weiter zugesetzt. Glücklicherweise! Ich lege schnell eine Hand an seine Wange, als er sich in Bewegung setzen will, um auf meinen durchgeknallten, idotischen Bruder loszugehen. Ich hätte ihn auch auf Killian hetzen können. Im Moment hätte er das echt verdient! Nur bin ich heute nicht unbedingt in der Stimmung, Kindergarten zu spielen und im Anschluss gebrochene Nasenbeine zu verarzten. 

"Harvey, bitte. Beruhig dich. Ich bin hier. Mir geht es gut. Ich regel das schon.", rede ich ruhig und einfühlsam auf den wunderschönen Jungen vor mir ein. Ich muss mir kurz auf die Lippe beißen und mich beherrschen, ihn nicht hier und jetzt zu küssen. Mit seinen, von meinen Händen, zerzausten Haaren, welche ihm in Strähnen in die Stirn fallen, sieht er einfach unverschämt gut aus. Verboten gut. Das Blut in seinem Gesicht ändert an dieser Tatsache nicht das Geringste. Selbst eine gebrochne Nase würde daran nichts rütteln können. Hilfe, was macht dieser Junge nur mit mir? 

"Kelly! Geh weg von ihm! Ich bin noch nicht fertig!" Ich traue den Worten meines Bruders kaum, als sie an mein Ohr dringen. Mit einem letzten, liebevollen und zugleich bittenden Blick zu Harvey, drehe ich mich zu Killian um. Ich kann es nicht fassen, was für einen Aufstand er aus einem einfachen Kuss macht. 

"Killian! Was ist dein Problem, verdammt?! Noch nicht fertig mit ihm? Gotteswillen! Soll das dein beschissener Ernst sein? Harvey hat nichts verbrochen! Gott! Er hat mich nicht verletzt oder etwas getan, was ich nicht wollte! Ich habe ihn geküsst, verdammt nochmal! Komm wieder runter!" Herr im Himmel! Ich weiß nicht, wann, oder ob ich vor meinen Bruder überhaupt schon einmal so aus der Haut gefahren bin! Wann habe ich das letzte Mal so geflucht? Noch nie. Trotzdem! Das ist in diesem Augenblick ziemlich egal. Mein Bruder benimmt sich wie ein kleines Kind, nicht wie ein Erwachsener. Ich merke, wie mein Kopf wieder zu brummen beginnt und ich beschließe, die beiden Jungs - so gut es mir möglich ist, voneinander zu trennen. 

"Harvey?" Ich drehe mich wieder zu ihm um. Auch wenn er es wahrscheinlich verbergen will, erkenne ich das kleine, unscheinbare, stolze Grinsen in seinem Gesicht. Wiedermal wird mir bewusst, wie viel mir dieser Junge eigentlich bedeutet. Und genau das scheint ihm auch gerade klar geworden zu sein, denn er sieht mich mit einem liebevollen und gleichzeitig besorgten Ausdruck in seinen smaragtgrünen Augen an. Er weiß mal wieder genau, was mir durch den Kopf geht. Von den Gedanken über das viele Fluchen bis hin zu meinen pochenden Kopfschmerzen. Verdammt! Dennoch entgeht mir dabei nicht, wie sehr er sich versucht zusammenzureißen, um mich nicht zu berühren. Er weiß, dass das die Situation nicht gerade verbessern würde. 

Find myself - A lie. A love. A mess.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt