Kaptiel 9

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Kelly

Scheiße! Scheiße! Scheiße! Was hab ich mir nur dabei gedacht, als ich letzten Freitag Mo's Angebot zugestimmt habe, im Diner zu singen? Vor so vielen fremden Leuten?! Ich habe ihm in seiner unangenehmen finanziellen Situation helfen wollen und es geschafft, ihn wieder zum Lächeln zu bringen. Sobald ich zugestimmt habe, hat mich Mo in eine seiner väterlichen Umarmungen gezogen. Dabei habe ich versucht, meinen mit Panik erfüllten Herzschlag zu ignorieren und die Umarmung irgendwie zu erwidern. Mittlerweil jedoch denke ich, dass der Bankrott des Diners weit hergeholt ist und nur die Funtion gehabt hat, mich zu überreden. Vor einer Woche ist das alles noch so weit weg gewesen. Aber jetzt? 

Ich stehe im Bad meiner Wohnung und betrachte meine Augenringe, welche tiefer zu sein scheinen als der Marianengraben. Nachdem ich gestern Abend mit Mo den heutigen Abend durchgegangen bin, habe ich diese Nacht kaum ein Auge zu tun können. Zum Einen bin ich mehr als aufgeregt, zum Anderen habe ich eine nicht messbare Angst, so vielen Augenpaaren ausgeliefert zu sein und mich durch plötzlich auftretendes Lampenfieber zu plamieren. Eigentlich habe ich versuchen wollen, meinen Freunden von dem heutigen Abend nichts zu erzählen. Wie auch immer, hat es Riley vorgestern doch geschafft, diese Information aus mir herauszukitzeln. Also plamiere ich mich vor knappen dreißig fremden Menschen und meinen Freunden. Genial, Kelly! Genial! 

Ich bin gerade dabei, meine Panda-ähnlichen Augen mit etwas Make-up zu kaschieren, als mein Handy ein nerviges Klingeln von sich gibt. Ich laufe schnellen Schrittes zu meinem Bett und nehme ab. Riley. Wer auch sonst? 

"Hi Süße! Und bist du schon aufgeregt wegen heute Abend? Hast du dir schon ein Outfit rausgesucht? Oder besser zwei oder drei, wenn du dich dann umziehst, weil du so verschwitzt bist?!" 

"Dir auch einen wunderschönen guten Morgen." 

"Jaja, alles Förmlichkeiten. Also, spuck schon aus!"

"Da gibt's nichts auszuspucken. Ich versuche gerade den Marianengraben unter meinen Augen wegzuschminken.", erzähle ich ihr übermüdet und leicht genervt, weil das Ergebnis meines Versuchs ernüchternt ist. 

"Oh Süße, dass ist nur die Aufregung. Das ist völlig normal. Und was ist nun mit deinen Outfits?" Wie kann man nur so früh am morgen - an einem Samstag! - so gute Laune haben und vor Energie nur so sprühen? Das kann unmöglich gesund sein! 

"Riley, komm mal wieder runter. Ich singe ein paar Songs in einem überschaulichem Diner und spiele Klavier. Da bin ich höchstens mal außer Atem und habe eine trockene Kehle, weil ich es ewig nicht gemacht habe. Aber verschwitzt bin ich ganz sicher nicht! Immerhin gebe ich kein riesiges Konzert. Drei oder vier Songs, das war's.", gebe ich meiner Freundin zu verstehen, während ich erneut dazu ansetze, die dunklen Schatten meiner Augen zu bedecken.

"Oh man! Du bist echt ein hoffnungsloser Fall! Ich bin im übrigen immer noch sauer, dass du uns das verschweigen wolltest und mir dann noch nicht einmal was vorsingst. Immerhin bin ich deine beste Freundin! Und dass du nicht mit mir shoppen gehen wolltest, ist eine genau so große Schande!" Dieses Mädchen macht mich verrückt. Riley hat versucht mich zum Shoppen zu überreden, nachdem ich ihr - ich habe immer noch keine Ahnung wie - von meinem kleinen Auftritt im Mo's erzählt habe. Sie ist der Meinung, ich bräuchte ein überwältigendes, auffallendes, neues Outfit dafür, da ich ja nun ein Star werde. Ich weiß allen Ernstes nicht, wie sie sich das hat zusammen reimen können, aber bei diesem Mädchen und ihrer Denklogik durchzublicken, habe ich sowieso schon aufgegeben. 

"Es ist nur ein Diner, Riley. Apropos, ich muss in drei Stunden schon da sein. Mo wollte mit mir nochmal alle Songs durchgehen, damit ich mich mit den Klavier vertraut machen kann." 

"Weißt du was? Ich komme jetzt zu dir und wir machen dich gemeinsam fertig für heute Abend. Wenn du den ganzen Nachmittag üben willst..." 

"Riley, mach mal einen Punkt." Ich muss mir ein Lachen verkneifen, eh ich weiter reden kann. "Ich soll gegen Mittag nur kurz für eine Stunde vorbei schauen. Das Nachmittagsgeschäft läuft doch heute trotzdem. Wenn du mir beim "fertig machen" also helfen willst, reicht das heute Abend gegen sieben. Ich soll erst um acht mit Spielen anfangen." 

Find myself - A lie. A love. A mess.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt