Staying busy

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Der Tacho zeigt 133.
Eine Hand am Lenkrad, in der anderen die vierte Zigarette.
Ein erneuter Versuch die Musik lauter zu drehen, denn selbst die maximale Lautstärke reicht nicht aus, um die Gedanken in meinem Kopf zu übertönen.
Sie wummern gegen meine Schädeldecke wie der Bass gegen die Karosserie.
Wohin ich dieses Mal fahre spielt schon lange keine Rolle mehr.
„Keep yourself busy" ,denn dann tuts nicht so weh.
Und es funktioniert erstaunlich gut.
Zumindest für den Moment, vielleicht auch für zwei.
Aber die kleinen Momente dazwischen sind die, die dich völlig unerwartet und mit so einer Wucht treffen, als würdest du dich mit ausgebreiteten Armen mitten auf eine Straße stellen und auf das nächste Auto warten.
Es sind die kleinen Momente zwischen dem Beschäftigt-Sein, die dich aus deiner sorgfältig errichteten Bahn werfen, dir den Boden unter den Füßen wegziehen und dir die Luft zum Atmen nehmen.
Es sind die Momente, die sich einfach nicht vermeiden lassen. Sie holen dich ein, wie das nächste Auto, auf das du mit ausgebreiteten Armen auf dieser Straße wartest.
So auch jetzt.
Ich dachte wirklich, es sei alles in Ordnung.
Ich dachte, ich kriege das hin.
Doch entgegen meiner ganzen Bemühungen holt er mich erneut ein. Der Moment zwischen dem Beschäftigt-Sein. Ungebremst kommt er auf mich zu und überrollt mich, wie der schwerste Lastwagen, den ich in meinem Leben gesehen habe. Er drückt mir jeglichen Sauerstoff aus meinen Lungen und es müssen wohl meine vom Aufprall gebrochenen Rippen sein, die sich in mein Herz bohren, denn der Schmerz in meiner Brust ist nahezu unmöglich auszuhalten.
Aber ich stehe nicht auf der Straße.
Und da ist auch kein Lastwagen, der mich überrollt hat.
Und ebenso wenig wird mein Herz von Rippen durchbohrt.
Ich sitze einfach nur im Auto.
Die Straßenlaternen erleuchten in regelmäßigen Abständen meine zittrigen Hände, die das Lenkrad so fest umklammern, als könnte es sich jeden Moment in Luft auflösen. So wie du es getan hast.
Es sind keine gebrochenen Rippen, es sind die Gedanken an dich, die sich ihren Weg zu meinem Herzen bahnen und all die alten Risse und Wunden wieder zum Bluten bringen.
Und während ich versuche, mich auf das Fahren zu konzentrieren, habe ich das Gefühl, diese Straße sei unendlich. Ich weiß nicht mehr, wann sie angefangen hat und wie lange ich hier schon fahre, aber in diesem Moment bin ich mir sicher, dass sie nie wieder enden wird.
Und ich denke, was wenn es so auch mit dir ist. Was wenn es einfach kein Ende gibt. Was wenn ich auf ewig auf dieser Straße weiterfahren muss. Die stetig sinkende Tankanzeige, das Wummern meiner Gedanken im Takt der Musik und der Rauch in meinen Lungen als einzige Begleiter.
Keine Abzweigung in Sicht, keine andere Menschenseele auf dieser Straße, kein Schild, keine Ampel, keine Zivilisation.
Keine Hoffnung.
Nur die Leitpfosten im regelmäßigen Abstand, die mich daran erinnern, dass ich mich doch irgendwie vorwärts zu bewegen scheine und dazu dienen sollen nicht die Orientierung zu verlieren und von der sicheren Straße abzukommen. Doch an was soll ich mich noch orientieren, wenn die einzige Richtung die ich kenne, die zu dir ist und wo soll ich noch sicher sein, wenn nicht in deinen Armen. Sag mir, welches Ziel soll ich in mein Navi eintippen, wenn du dort nicht auf mich wartest. Wie viele Lieder muss ich noch in die Warteschleife reihen, bis ich vergesse, wie es sich anhört, wenn du mitsingst.
Du sagst mir, du fühlst das gleiche und dass es dir genauso gehe. Und ich möchte dir glauben. Doch der Unterschied zwischen uns beiden ist, dass ich einfach nur ein Ort auf deiner Reise war. Ein kleines, gemütliches Dörfchen. Schön genug, um Urlaub zu machen, doch nicht ausreichend, um zu bleiben. Du bist durch jede einzelne meiner verwinkelten Gassen geschlendert, hast überall deine Fußspuren hinterlassen und deinen Namen in Baumstämme und Holzbänke geritzt. Und ich frage mich, ob dir das bewusst war.
Ich war dein Urlaubsort.
Und du meine verdammte Weltkarte.

GedankenmutWo Geschichten leben. Entdecke jetzt