Regenwolken

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Die Erinnerungen prasseln auf mich ein, wie ein Regenschauer, der über meinen Kopf zieht.

Manchmal, da sind es sanfte Tropfen, kaum spürbar, nahezu unsichtbar. Aber dennoch weißt du, dass sie da sind. Sie kommen von weit weg und doch haben sie sich ihren Weg zu dir gebahnt.

Manchmal sind die Tropfen dick und schwer und laufen in kalten Rinnsalen über meine Haut. Sie hinterlassen eine Gänsehaut auf meinem ganzen Körper und geben mir das Gefühl, dass selbst meine Knochen noch davon nass werden.

Und manchmal prescht der Regen in Form von harten, schonungslosen Hagelkörnern hinab. Ungebremst und schmerzhaft treffen sie auf meine Haut und ich würde mich gern unterstellen, suche nach einem Unterschlupf, der mich davor schützt. Doch zwecklos.

Vor Erinnerungen kann man nicht flüchten.

Und während es mal wieder mit zunehmender Stärke auf mich einprasselt, frage ich mich, ob es die gleichen Wolken über meinem Kopf sind, wie über deinem.

Treffen dich die gleichen Tropfen? Erzählen sie dir dieselben Geschichten? Zeigen sie dir die gleichen Bilder?

Ich möchte wissen, wo die Wolken über mir anfangen und wo sie enden. Ich will wissen, wie lang sie gereist sind, woher sie kommen, wo ihr nächstes Ziel liegt und was passiert, wenn sie sich in Nichts auflösen, denn das einzige, dass mir noch mehr Angst macht, als Hagelkörner auf meiner Haut, ist, dich zu vergessen.

Absurd, nicht wahr?

Doch Regen ist nicht immer schlecht. Wir brauchen ihn. Er hält uns am Leben, nährt uns, bewahrt das Grün in unseren Gärten.

Ohne die Wolken am Himmel würden wir früher oder später vertrocknen, verbrennen, zu Asche zerfallen.

Hagelkörner tun weh. Aber sie erinnern mich daran, lebendig zu sein. Sie erinnern mich an ein Leben mit dir.

Es wird immer Tage geben, an denen ich die kalten, süßen Regentropfen nicht von meinen warmen, salzigen Tränen unterscheiden kann. An denen mich die Erinnerungen bis auf meine Knochen durchnässen und sich gemeinsam mit dem Blut in meinem Körper ihren Weg zu meinem Herzen bahnen, um auch daran zu erinnern, wie es sich angefühlt hat, als es für dich geschlagen hat.

Doch genau so wird es auch immer Tage geben, an denen ich im Regen tanze. Mit ausgebreiteten Armen, nackten Füßen und einem Lächeln im Gesicht. An denen ich jeden Tropfen auf meiner Haut genieße und mich nach keinem Unterschlupf umsehe, weil ich mich gern erinnere.

Und wenn die nächste Wolke über deinen Kopf zieht und dich der nächste Tropfen berührt, hoffe ich, dass du an mich denkst und dass auch dich der Regen manchmal tanzen lässt.

Und wer weiß, vielleicht tanzen wir irgendwann noch einmal gemeinsam.

GedankenmutWo Geschichten leben. Entdecke jetzt