*Luan*
Unglauben stand in meinem Gesicht geschrieben, als ich ihn ansah. Was hatte er gerade gesagt? Würde er sie nach all dem, was sie durchmachen musste, gehen lassen? Würde Amelie das wollen? Nein, das würde sie nicht, das wusste ich. Er konnte ihr das nicht antun, nicht so.
„Das kannst …“, hob ich an, bis er mich unterbrach und mich ansah, mit schmerzerfüllten Augen. Seine Stimme bebte, als er zu sprechen begann. „Ich muss, sie wird nie geschützt sein, wenn sie bei mir ist. Ich will das nicht tun, aber …!" Er brach den Satz ab, das kann doch jetzt nicht wahr sein, langsam werde ich sauer. Ich atme mehrmals tief ein und aus, beruhige meine Gefühle und spreche im ruhigen Ton mit ihm. „Aber was? Du hast nicht mal nach ihrer Meinung gefragt, du weißt, dass ich dich auf den Tod nicht ausstehen kann, aber dass du jetzt aufgibst hat sie nicht verdient. Sie liebt dich."
„GENAU DESWEGEN MUSS ES SO SEIN!“ Er brüllt mich an und ich sehe wie eine Träne seine Wange hinab rinnt. Er wischt sich sofort über das Gesicht und hebt zum Sprechen an, doch bevor er einen Ton sagen kann, geht die Tür zum Krankenzimmer auf.
Wir sind alle sofort auf den Beinen, doch so schnell wie Eljas ist keiner. Er stürmt auf den Arzt mit geballten Fäusten zu und wartet wie eine Schlange, die sich noch entscheiden muss, ob die Maus vor ihm seine Beute sein wird.
Der Arzt räuspert sich, bevor er zu sprechen beginnt und ich erwarte das schlimmste. „Sie ist bei Bewusstsein, jedoch ist sie sehr entkräftet.“
„Wie schwer ist sie verletzt?“ Fast zaghaft fragt Eljas und wirkt auf einmal nicht mehr wie der harte Kerl, den wir alle kennen.
Der Arzt blickt genauso verwirrt drein wie wir uns alle fühlen, angesichts dessen, dass dieser knallharte Mafiosi fast zu heulen beginnt. Er fängt sich jedoch schnell und beginnt zu erzählen. „Die Wunde am Hals musste mit 10 Stichen genäht werden, Gott sei Dank wurden dabei weder die Luft- als auch Speiseröhre sowie die Halsgefäße schwer verletzt. Die Wunde an ihrer Fußsohle wurde gereinigt, es waren keine Nähte notwendig. Was mir eher Sorgen bereitet, ist …" Er bricht mitten im Satz ab und sieht womöglich noch besorgter aus.
„WAS?“, schnauzt Eljas den Mann vor uns an. Ich legte ihm eine Hand auf die Schulter und er entspannte sich ein wenig. Ich nicke dem Arzt zu und er fährt mit seinen Erläuterungen fort. „Sie hat mir von den Misshandlungen und dem Vergewaltigungsversuch erzählt, nun ja viel mehr der Schwester, daher mache ich mir mehr über ihre psychischen Verletzungen Sorgen als um ihre physischen, denn die wären schnell verheilt.“
„Was schlagen sie vor?“, kommt es mit fester und entschlossener Stimme von meinem kleinen Bruder.
„Eine Therapie wäre wohl das Beste, denn es ist anzunehmen, dass sie das Erlebte einholen wird. Ich werde morgen noch einmal nach ihr sehen, bis dahin benötigt sie unbedingt Ruhe und regelmäßig zu trinken und zu essen. Sie hat nach ihnen gefragt." Er wand sich Eljas zu, der nur stumm nickte und meinen Blick für kurze Zeit streifte. „Überleg es dir gut, sie wird dir keine dritte Chance geben“, sagte ich mit Nachdruck in der Stimme.
„Das habe ich.“ Mit diesen Worten ging er hinein und schloss die Türe. Ich kann ihn nicht leiden, das kann ich nicht bestreiten, aber für Amelie wünschte ich mir nur das Beste, auch wenn er das war.
_________________________________________
*Amelie*
Als ich meinen Cousin auf dieser Lichtung erblickte und er mich danach weinend im Arm hielt, wurde mir eines klar, er hatte alles gewusst. Das Mafiazeugs und alles was dazu gehört. Wie konnte er mir das verheimlichen? Und das bedeutete auch Luan und meine Tante und Onkel müssen irgendetwas wissen. Als ich ihn fragend ansah und die Frage stellte, die mir auf der Zunge brannte, war das mein letzter bewusster Gedanke, bevor ich das Bewusstsein verlor.
Wach wurde ich durch Geräusche, die ich nicht zuordnen konnte, auch die Stimmen um mich waren fremd. Meine Lieder fühlten sich schwer an und ich fühlte, wie mir jemand etwas um den Hals band. Sofort beschleunigte ich meine Atmung und riss die Augen auf, ich befürchtete das Schlimmste, doch ich blickte in ein freundliches Augenpaar. Sie erklärte mir, wo ich war und was geschehen ist. Sie versicherte mir, dass ich in Sicherheit war.
In Sicherheit, wie sich das anhörte. Sie erklärte mir, dass der Arzt gerade sich meiner Wunde am Fuß widmete und sie mir nur noch den Verband um den Hals binden musste und ihm dann helfen werde, die Wunde zu säubern. Ich entspannte mich und ließ sie gewähren. Als der Arzt auch mit meinem Fuß fertig war und ein sauberer Verband darum geschlungen war, kam die Schwester auf mich zu, streckte mir ein Glas Wasser hin und wartete geduldig.
Ich weiß nicht mehr wann und warum, aber es brach alles aus mir heraus, was ich in den letzten Tagen erlebt hatte. Ich erzählte ihr alles, es tat gut und befreite mich ein Stück. Sie war sichtlich geschockt, hielt sich aber daran, mir zuzuhören. Als ich mich erschöpft in die Kissen zurückfallen ließ, sprach sie einen kurzen Moment mit dem Arzt.
„Kann ich Eljas sehen?“ Meine Stimme war rau und kratzte noch beim Sprechen, ich war sehr müde, aber ich wollte ihn noch einmal sehen, bevor ich schlafen konnte.
„Sie sollten sich ausruhen, Miss Sinclair“, sprach der Arzt, dessen Namen ich leider nicht wusste, mit sanfter Stimme. „Noch nicht, ich muss ihn sehen“, gab ich von mir und hoffte meine Bitte würde bei ihm ankommen.
„Gut, ich werde den Herren vor der Türe Bescheid geben, dass sie wach sind und ihn zu Ihnen schicken, aber nur für einen kurzen Moment, denn Sie brauchen dringend Ruhe.“ Mit diesen Worten drehte er sich um und ging in die Richtung davon, in der ich die Türe vermutete. Ich hörte leises Stimmengemurmel und dann stand er vor mir, der Mann den ich liebte.
DU LIEST GERADE
Dunkle Sehnsucht
Teen Fictionℳ𝒶𝒻𝒾𝒶𝓇ℴ𝓂𝒶𝒸ℯ: 𝒟𝓊𝓃𝓀𝓁ℯ 𝒮ℯ𝒽𝓃𝓈𝓊𝒸𝒽𝓉 Wenn eine One-Night-Stand dein Leben verändert, wird es reichen über seine dunkle Seite hinwegzusehen? Oder wird es dich noch mehr zerstören? Textauszug: „Nun gut, Süße, bist du bereit, die Nacht de...