4: Gedanken an Wei Ying

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Kaltes Wasser, kalte Glieder, kalte Gedanken. Winter, Schneeflocken die auf dem Wasser tanzten. Die eisige Kälte, die du immer verabscheut hast, drängt nicht einmal bis unter meiner Haut. Sechs Jahre habe ich hier gelebt, gewartet bis die Wunden der Peitsche zu Narben verblassen.
Das Wasser schwappt um mich, Wellen steigen von den Punkt aus, an dem ich stehe und die lebenden kräftigen Pflanzen am Ufer ansehe, die zwischen den glitschigen Steinstufen wachsen und immer größer werden. Der Mond über mir steht hoch am Himmel, halb und unvollständig, in einem blassen leuchtenden Weiß das vor Reinheit strahlt.
In den Quellen zu gehen ist schwerer, anstrengender, es müdet ab, man muss gegen das Gewicht der Wellen ankämpfen.

Vor vielen Jahren warst du ebenfalls hier, hast dich beschwert das Wasser wäre zu kalt und steif, wie ich, wie mein Onkel, wie meine Vorfahren. Aber eine Flamme gehört nicht an Orte wie diesen, sonst geht sie ein und deine Schönheit und deine bizarren Ideen gegen dieses bisschen Quellwasser einzutauschen, könnte ich mir nicht vorstellen, es wäre grausam. Die Menschen fürchten dich vielleicht, sie reden über deine Macht die du angeblich hast.

Übermenschliche göttliche Kräfte, die dazu imstande wären das Meer umzuwälzen und zu teilen, die Berge zu glätten, aber hinter all dem, steckt ein Kind, mit Träumen und Wünschen. Dein Wunsch Macht zu haben wird deiner Kindheit entstammen, die du damit verbracht hast auf der Straße vor Hunden und Händlern zu flüchten, denen du einfache Sachen, Lotuskerne und Lehmpuppen gestohlen hast. Für ein Kind muss es tragisch sein seine Eltern und sein Zuhause zu verlieren.
Wo soll ich nur anfangen dich zu suchen? Meine Idee dich in dem Dorf zu suchen, das du vermutlich zuletzt vor einem halben Jahrzehnt durchstrichen hast, kommt mir riskant vor.

Vielleicht ist es Zeitverschwendung und in der Zeit entfernst du dich noch weiter von mir und alldem was mit Gusu verbunden wird. Den großen Fluss, der durch die Stadt fließt, die Mädchen auf den Booten, die um ihre Ware feilen, das sanfte Wetter mit den hellen Wolken.

Die Treppen unter meinen bloßen Füßen sind rutschig. Mit einen Händegriff werfe ich mir meine Robe über, die ich vor meinem Bad am Rand des Wassers abgelegt habe, ordentlich pedantisch gefaltete, ohne Makel oder Wassertropfen.
Ein Handgriff den ich schon auswendig kenne, so selbstverständlich wie Lebensmittel oder meine Liebe zu dir.

In der Wasseroberfläche schaut mich mein Gesicht streng an, Wassertropfen hängen in meinem langen offenen Haar, die chaotisch durcheinandergeraten sind, etwas was mir fast nie geschieht.
Meine Hände wandern automatisch durch mein Haar, ordnen die Strähnen, binden sie zusammen und bei meinem Stirnband verweilen sie etwas länger, richten es gerade. Das Stirnband hat eine sehr besondere Bedeutung, nur Familienmitglieder dürfen es berühren und Wei Ying, natürlich Wei Ying. Ihn es zu verbieten wäre komisch falsch, würde dem widersprechen was ich fühle.

Was wäre, wenn er wüsste, wie ich fühle; was ich fühle? Würde er mir in die Arme fallen, wie es ich mir wünsche, oder mich mit einem angewiderten Blick bedenken und vor mir flüchten.

Das war meine Angst: Loszuziehen, ihn zu finden, zu gestehen und nicht bloß abgewiesen, sondern gehasst zu werden. Dann wäre alles umsonst und ich hätte es nicht geschafft, hätte mein Lebensziel nicht erreicht. Ist es übertrieben Liebe als Lebensziel zu bezeichnen? Andere - Jiang Cheng, Ling Jin - wollen zu Gottheiten aufsteigen und ich, der näher an Gottsein ist, als sie, möchte die Liebe haben. In deren Augen wird Liebe keinen Wert haben, sie werden sagen, sie sei einfach zu erringen, ohne viel Arbeit und Mühe, doch in meinen - unserem - Fall, stimmt das nicht. Wie weit ich für uns schon gegangen bin, ist manchmal erbärmlich skandalös und entsetzt mich selbst, aber aufgeben werde ich nicht.

Sollen andere Götter werden wollen, die Liebe werden sie niemals bezwingen. Liebe ist schwieriger zu erringen als das Gottsein. Für einige ist sie fern und unerreichbar, ihr ganzes Leben lang. Worin und wie man Liebe findet ist sehr unterschiedlich. Manche finden sie in der Leidenschaft für die Sterne, das beruhigende erfüllende Gefühl ihnen beim Leuchten zu zusehen, manche finden sie im Schreiben, in den Geruch von altem zerknittertem Papier.

Einige wie Jiang Cheng finden sie im Anderssein, in den Opfergaben ihrer Anhänger auf ihren vollen goldverzierten Altären. Die meisten finden sie in einer anderen Person, zu der Mehrheit gehöre auch ich und mein Sohn, der erfährt was es heißt jemanden mit Herz und Seele zu lieben, sich ihm hinzugeben. Der Unterschied zwischen der Liebe, die uns beide erfüllt ist, seine wird erwidert und meine höchstwahrscheinlich nicht. Warum unnötig Hoffnung machen, er würde mich ebenso stark und selbstlos lieben? Wäre er nicht bei mir geblieben und hätte gebeten das heilige Versprechen vor den Göttern abzulegen? Das hat er nicht und das spricht davon, dass er nicht das spürt, was mich befallen hat.

Trotzdem suche ich dich Wei Ying, wegen dieser winzigen Hoffnung die in der Finsternis, zwischen Dämonen und Teufelchen leuchtend, wie du und deine reine weiße Seele. Meine verlangt nach deiner, mein Stück tut es, denn dass wir Seelenverwandte sind, hast du selbst gesagt und an diese Worte binde ich meine Hoffnung.

Die Hoffnung das die Seelenverwandtschaft nicht eine plantonische, brüderliche bleibt. Das sie mehr wird, dass wir irgendwann in demselben Bett liegen.

Die kalten Schneeflocken fallen auf die Oberfläche, wo sie sich mit dem Wasser schmelzend vermischen. Ich starre auf die Oberfläche, bin in Gedanken und toten Momenten versunken, Moment einsam, oder in Zweisamkeit mit dir.
Morgen werde ich in das Dorf zurückkehren, ihn die zarte zerbrechliche Hoffnung überlassen, hoffen es wird Mitleid mit einem Liebenden haben, der seinen Geliebten verzweifelt sucht.

Der Gedanke verfolgt mich seit ich mit A-Yuan. Ich werde ihn bitten mich zu begleiten und mir zu helfen, denn nur jene, die Liebe erfahren, können mich ansatzweise verstehen und mein Vorhaben nachvollziehen. Zwar hat er noch nicht den Schmerz, der mit Liebe verbunden ist, durchgemacht, doch er wird es irgendwann und zurzeit reicht es mir, dass er bloß jemanden kindlich und unschuldig liebt.

Er wird mir helfen, dich zu finden und dich zu mir zurückzubringen. Das Dorf wird der Anfang von deiner Rückkehr sein und sollte es Hinweise geben, wird die Glut der Hoffnung zu einem Feuer entflammen und meine Brust erhellen, mir den Weg zu dir leiten.

Schicksal wird von den Göttern bestimmt und nur sie können darüber entscheiden, ob wir uns wiederbegegnen werden. Die Begegnung, wie wird sie aussehen und ablaufen? Werden wir uns in einer Flamme der Leidenschaft aufeinander stürzen oder werden wir förmlich, wie mit einer Fremden miteinander umgehen und das ganze langsam beginnen lassen? Oder bist du überhaupt nicht mehr hier, sondern schon im Tod, deine kalte Hände nach mir aufschreckend.

Ich bin nahe daran dich zu finden, Wei Ying.

Ich bin nahe daran dich zu finden, Wei Ying

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Again and Again - WangXian[ABGESCHLOSSEN]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt