27: Die zweite Schlacht

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TW!: Tod, Blut, explizite Gewalt

Wei Ying führt die gesamte Stadt auf einen schwarzen Hengst an und ich reite neben ihn auf einen weißen Hengst. Das rot-schwarze prachtvolle Geschirr rasselt bei jedem Schritt. 
Ich schaue zu Wei Ying herüber, der mit stolz erhobenen Haupt voranreitet. 
 Nach ihm gibt es keine Ordnung mehr, eine riesige Schlange an Mischwesen und Menschen folgt ihm mit Kriegsgeschrei und bösen Blicken. Einige rufen laut Flüche gegen Xue Yang heraus und einige Frauen und Mädchen, die sich entschieden haben, mitzugehen, versuchen neugierig einen Blick auf uns zu erhaschen. 
"Wenn wir da sind, müssen wir A-Yuan und Jin Ling finden", sagt Wei Ying zu mir. 
"Warum willst du sie unbedingt beschützen?", frage ich ihn. 
"Keine Ahnung, ist nur so ein Instinkt von mir." Er zuckt mit den Achseln und drückt seine Fersen leicht in die Flanke des Pferds und beschleunigt. "Außerdem sind wir fast zu spät - wegen dir." Er wirft mir einen zweideutigen Blick zu. 
"Mhm, du hast dich drauf eingelassen", erwidere ich und grinse ihn an. 
"Mann." Er senkt seine Stimme. "Hör auf mit dem Grinsen, jetzt ist nicht die richtige Zeit für." Er grinst ebenfalls und räuspert sich dann. 

Den restlichen Weg schweigt er und richtet seine Aufmerksamkeit starr nach vorne. Der Wind wirbelt seinen langen Pferdeschwanz durch die Luft. Regen trommelt auf die Köpfe der Meute. Die Erde weicht auf und wird matschig. Der Matsch spritzt von allen Seiten auf uns. 
Ich begreife nicht, was hier vor sich geht. Nach all den Jahren des Friedens wieder Schlachten zu führen, fühlt sich surreal an. Es ist als würde sich eine nie geendete Geschichte von selber weiter entfalten, weil man sie davon abgehalten hat, genau das zu tun: zu enden. 
Wie diese Geschichte ausgeht, ist unklar und wie unsere ausgeht - Wei Ying - ist ebenfalls unklar. Mein Kopf hat wahrscheinlich schon alle Ende einmal durchgespult und welches es wird, ist letztendlich den Göttern überlassen. Ich kann nichts tun außer abzuwarten und jeden Atemzug an deiner Seite zu meinen besten zu machen. 
Aus den letzten Reihe erklingt ein uraltes Kriegslied, dass man uns damals im Gusu Lan Clan beigebracht hat. Die anderen stimmen mit ein, während Wei Ying keine Reaktion zeigt. 

Sie hören erst auf zu singen, als das Schlachtfeld ins Blickfeld rückt. Es wird schwierig sein darauf zu kämpfen, denn durch den Regen ist alles rutschig und schlammig geworden. Weit im Hintergrund ragt der Palast des Lanling Clan auf. Die Wolken verdecken ihn fast vollkommen, nur die höchsten Türme sind zu erkennen. Die Einwohner von Yi City mischen sich unter die restlichen Kultivierenden. 
Wei Ying sieht mich kurz an. "Ich gehe Jin Ling suchen." 
"Pass auf dich auf." Er nickt nur und mit einem Schnalzen lenkt er den Hengst in Richtung Lanling Clan, oder das, was davon übrig geblieben ist. 

Da alle Clane vermischt sind, ist es schwer A-Yuan zu finden. Meine einzige Hoffnung ist, dass er mich erkennen wird, weil ich auf einem Hengst reite. 
Es dauert eine Ewigkeit. Ich spüre Augenpaare auf mir, aber keins gehört A-Yuan und er ist auch nicht aufzufinden. 
Als ich einen seiner Freunde treffe, halte ich an und beuge mich zu ihm. 
"Hanguang-Jun." Er verbeugt sich. 
"Hast du Lan Sizhui gesehen?"
"Nein, er kommt mit der zweiten Truppe, aber ich weiß nicht, ob sie schon da sind." 
"Danke." 
"Gerne, Hanguang-Jun!", ruft er mir nach. 
In der Ferne steigt Wei Ying von seinem Pferd ab und führt es ein wenig abseits des Schlachtfelds. Seine Diener kommen ihn wie immer hinterher und sie führen das Pferd in den Wald. Wei Ying verschwindet in der Masse und meine Furcht, das ihm etwas zustößt wächst. Ich schlucke und umreite das Schlachtfeld, um einen besseren Überblick zu bekommen. 
Auf der anderen Seite haben sich bereits einige Gegner sauber aufgereiht. Die meisten tragen Erkennungsmerkmale ihrer Clane, allerdings sind sie zu unrelevant, als das sie jemand kennt.

Xue Yang sitzt in einer kahlen Baumkrone und grinst mich verächtlich an. Seine scharfen Eckzähne schießen dabei hervor, als wäre er ein Dämon.
Noch immer trägt er dieselbe pechschwarze Robe und er hat seine Haare mit einem einfachen Band aus Segeltuch zurückgebunden. Es ist gut möglich, dass er nie seine Kleidung wechselt. Seit wann brauchen Leichen überhaupt Kleidung? Ich drehe mich weg, unsere Wege werden sich heute Nacht noch oft genug kreuzen, öfter als mir lieb ist.
"Suchst du Jin Ling?", ruft er mir hinterher mit diesem kalten, sarkastischen Unterton, den er immer hat. 
"Das geht dich nichts", antworte ich. Woher weiß er das? Kann er Gedankenlesen? Das würde sein Image als grausamen kalten Herrscher festigen. Wahrscheinlicher ist, dass auch er seine Spione hat. Beide Möglichkeiten sind genauso beunruhigend.

Again and Again - WangXian[ABGESCHLOSSEN]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt