33: Wiederauferstehung

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Xiao Xingchens Gesichtsausdruck verändert sich schlagartig, als er begreift, dass er wieder am Leben ist. 
"Wie-"
Wei Ying  schließt die grauen Augenlider. Er stolperte zu mir herüber und lehnt sich an mich. Ich spüre seinen schwachen Herzschlag durch die Kleidungsschichten. Das hier ist sein Triumph, sein Beweis, dass er den dunklen Pfad kultiviert und gemeistert hat. 
Die Schwaden an Seelen sammeln sich um ihn und ich höre sie ihm zuflüstern. Ich ziehe mein Schwert, um sie mit meiner Energie zu verscheuchen, aber sie ziehen sich nicht zurück. 
"Lass mich das machen", sagt Xiao Xingchen und zerschlägt die Ansammlung von Toten mit seinem Schwert. Woher er das hat? Keine Ahnung, Wei Ying hat es ihm zurückgeholt. Ich drücke Wei Ying enger an mich. Seine Stirn ist fiebrig. 
"Aber was mache ich hier?"
"Wei Ying hat dich zurückgerufen." 
"Ich verstehe nicht wieso ihr nicht die Toten in Frieden lassen könnt." Er setzt sich auf einen Felsen und blickt in den Himmel auf. "Gibt es einen bestimmten Grund?"
"Xue Yang ist wieder zurück. Wir müssen ihn aufhalten", schoss es aus mir heraus. Das hätte ich nicht sagen sollen. Es gab keinen Grund, den hatte ich mir ausgedacht. 
"Ich soll helfen ihn zu töten?"
"Nein, eigentlich nicht. Ursprünglich gab es keinen richtigen Grund", löse ich auf und er nickt langsam. 
"Soll ich trotzdem helfen?"
"Ja, solltest du", antworte ich ihm. Keiner kann ihn aufhalten, keiner der lebt, aber jetzt haben wir einen Toten an unserer Seite. Der Gedanke ist so makaber, dass es lächerlich ist. 

"In Ordnung." Seine Gestik scheint nicht damit einverstanden zu sein. Er ist angespannt und sein Lächeln wirkt aufgesetzt. "Ich schaue, was ich machen kann. Aber es gibt da Hindernisse." 
"Was für welche?"
"Nur persönliche zwischen mir und ihm, wobei ich nicht sicher bin, ob er das auch so empfindet." 
Damit kann ich nicht viel angefangen. Ich kann alles möglich hineininterpretieren. 
"Ich war in ihn verliebt, bevor ich gestorben bin", erklärt er ruhig. 
Das hätte ich nicht erwartet. Ich dachte er verabscheut ihn, für das, was er anderen angetan hat. 
"Wei Wuxian war auch nicht viel besser in seinem ersten Leben. Aber er hat sich geändert." 
Immer dieses Vergleichen von Wei Ying und Xue Yang. Es mag sein, dass sie Ähnlichkeit haben, doch Xue Yang wird sich nicht ändern. Dafür ist er bereits zu tief und zu lange in seiner Welt gefangen.
"Aber Xue Yang wird das nicht tun. Ich kenne ihn zu gut. Er ist eine Gefahr." 
"Wirst du uns helfen?" 
"Ich weißt es nicht." 
"Er hat den Yunmeng Jiang Clan unter seine Kontrolle gebracht und Gusu niedergebrannt und er wird nicht aufhören." 
Als er den Schaden hört, nickt er zustimmend. "Ich werde es versuchen. Ich dachte nicht, dass er so wird." 
"Die Menschen haben ihn so gemacht", erwidere ich. "Hilfst du mir Wei Ying und Jin Ling nach Yi City zu bringen?"
"Yi City?" Seine Stimme erzittert. 
"Wei Ying hat die Stadt wieder aufgebaut. Dort leben wieder Menschen." 
"Ihr wollt wirklich die Vergangenheit zurückholen, oder?" 
"Das haben wir schon." Erst Yi City, dann Xue Yang und jetzt Xiao Xingchen. 
"Das ist verrückt", sagt er außer sich und tastet den Boden nach Jin Ling ab. Als er ihn findet, legt er ihn um die Schulter und zieht Shuanghua heraus. "Wir werden fliegen müssen." 
Er stellt sich auf die Klinge und reicht mir die Hand. 

In Yi City angekommen werden wir jubeln begrüßt. Wie Helden. Dabei sind wir es nicht. Die Einwohner machen uns Platz und einige junge Mädchen hängen mir Blumenketten und Anhänger um den Hals. Die letzten paar Krieger, die wirklich in den Wäldern gewartet haben, gehen voraus, um uns Sicherheit zu gewähren. Die belebte heitere Kulisse rast an mir vorbei. Ich muss Wei Ying zu den Heilern bringen, sonst ist es vielleicht zu spät. 
Ich rede nicht mit Xiao Xingchen, der alles interessiert wahrnimmt. Die Leute tuscheln, wenn er an ihnen vorbeigeht. Jeder kennt ihn. Jeder kennt die alte Geschichte aus Yi City. Es ist eine Legende, ein Märchen und er ist die Hauptfigur daraus. 
Als wir den Palast erreichen, übergebe ich Wei Ying und Jin Ling hastig den Heilern, während Xiao Xingchen einfach vor dem Eingang stehen bleibt. 
"Wie sieht es aus?", fragt er mich. 
"Es ist riesig, riesiger als alles andere, was ich gesehen habe. Und es ist majestätisch."
"Das habe ich mir gedacht. Ich bleibe draußen, geh ruhig rein." 

Drinnen scharen sich die Mädchen um mich. Shi Rougang krallt sich in meinen Ärmel fest und hibbelt auf und ab, bis sie mein müdes Gesicht erblickt. 
"Seid Ihr müde, Hanguang-Jun?", fragt sie mich besorgt. 
"Es geht schon", antworte ich ihr und sie lächelt mich fröhlich an. 
"Kommt, wir haben Euch alles vorbereitet." 
Erschöpft gehe ich ihr hinterher. Sie führt mich in Räume, die ich noch nie gesehen habe. Sie unterscheiden sich grundlegend vom Rest des Palast. Sie sind hell gestrichen und schlicht eingerichtet. 
"Wir dachten uns, weil Ihr quasi hier lebt, wäre es gut, wenn Ihr eure eigene Gemächer hättet. Natürlich könnt Ihr auch weiterhin bei dem Herr leben, aber das ist jetzt Euer zuhause." 
Sie verbeugt sich und die anderen Mädchen hinter ihr tun es ihr gleich. Dann geht sie rückwärts hinaus und schließt leise die Türe. 
Schwer atmend lasse ich mich auf den Boden sinken und verberge meinen Kopf zwischen meinen Beinen. Die Luft ist stark von Sandelholz und frischer Wäsche erfüllt. Ich werde schläfrig und gehe durch die Gemächer, die die Mädchen mir hergerichtet haben. Ein Schlafzimmer, ein Bad und ein Arbeitszimmer. 
Die Badewanne ist randvoll mit warmen Rosenwasser gefüllt. Ich lasse das Bad hinter mir und kehre ins Schlafzimmer zurück und entkleide mich bis auf meine Unterwäsche. Dann lege ich mich auf das große weißbezogene Bett und versinke in einen tiefen Schlaf. 

Es ist das erste Mal das ich traumlos schlafe und so fest schlafe, dass ich erst aufwache, als es klopft. 
"Herein." Ich richte mich auf. 
Es ist einer der Heiler. Ernst räuspert er sich und ich weiß nicht, wie ich das deuten soll. "Der junge Herr ist in einen Koma gefallen, weil das Ritual ihm seine restliche Energie aus den Körper gezogen hat." 
Obwohl ich es nicht wahrhaben will, ist mir klar, dass es passieren musste. Irgendjemand musste Opfer dafür bringen. "Wird er wieder aufwachen?"
"Das wissen wir nicht. Er befindet sich in instabiler Lage. Es tut mir leid, Euch diese Nachricht mitteilen zu müssen." 
Ich nicke und er verschwindet wieder, während ich beginne zu schluchzen. Die Angst zerreißt mich. Meine schlimmste Angst ist kurz davor mehr zu werden: Realität. 
All die Jahre ohne dich waren genug. Ich würde es nicht aushalten, wenn du stirbst. Ich werde dem Wahnsinn verfallen und die Kultivierungswelt verlassen und mich irgendwo auf einen Berg zurückziehen, wie es die zurückgelassenen Geliebten in den Legenden immer getan haben. 
Lan Xichen hat mir früher oft solche Märchen zum Einschlafen erzählt. Mein Atem beruhigt sich ein wenig, als ich in den angenehmen Erinnerungen schwebe. 
Oder die ganz klassische Geschichte: Der Gründer unseres Clan, der sich in eine Frau unsterblich verliebt und nach ihren Tod Mönch wird. 
Wie er sich gefühlt haben muss, will ich nicht wissen. Es muss schrecklich sein jemanden Geliebten zu verlieben. Es muss schrecklich sein dich zu verlieren, Wei Ying.

 Es muss schrecklich sein dich zu verlieren, Wei Ying

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Again and Again - WangXian[ABGESCHLOSSEN]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt