Kapitel 22 - Gift für die Aufopferung

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𝒦𝒶𝓅𝒾𝓉𝑒𝓁 𝟤𝟤 - 𝒢𝒾𝒻𝓉 𝒻𝓊̈𝓇 𝒹𝒾𝑒 𝒜𝓊𝒻𝑜𝓅𝒻𝑒𝓇𝓊𝓃𝑔

Valora saß neben Maliks Bett. Mit seinen geschlossenen Augen sah der Leibwächter
friedlich aus. Wie ein schlafender Engel, aber Valora kannte die grausame Wahrheit. Hätte sie den Ernst der Lage nur früher erkannt. Hätte sie sich nicht in ihrem Zimmer eingeschlossen. Hätte sie sich zusammengerissen und das getan, was die Pflicht einer Königin war. Dann wäre es nie soweit gekommen.

Doch in diesem Moment hatte es funktioniert. Als sie in ihrem Zimmer saß, hatte sie sich wie paralysiert gefühlt. Erst Maliks verzweifeltes Rufen hatte sie zur Besinnung gebracht. Er lag ihretwegen hier. Valora hatte die besten Heiler des Reiches gerufen und die Elfen gezwungen, ihre Heilmagie anzuwenden, aber jede Stimme bestätigte, dass er seine Augen nie wieder öffnen würde. Er war nicht tot. Laut Definition war er das nicht. Aber er war wie tot. Sie könnte nie wieder seine Stimme hören, in seine wunderschönen Augen blicken, die Wärme seines Körpers spüren. Das Schlimmste, sie trug die Schuld. Sie hatte Malik in dieses Unglück gestürzt. Sie hatte als seine Freundin und Vertragspartnerin versagt. Jetzt war der letzte Funken an Glück erloschen.

Tränen schossen in ihre Augen, als sie nach Maliks Hand griff. Sie war so kalt. Was würde sie geben, damit er sie in den Armen hielt. Valora brauchte ihn. Sie brauchte ihn mehr als ihr eignes Leben. Er verdiente diesen Tod nicht. Nichts hiervon verdiente er. Das alles, weil sie nicht geschafft hatte, zu funktionieren. Das war das Ergebnis ihres Handels. Ein Schluchzen drang aus ihrer Kehle. Ihre Glieder zitterten. Es tat so unfassbar weh. Es schmerzte fürchterlich. Ihre Augen, die einst blutiges Rot zeigten, glichen einem grauen Sturmhimmel. Sie wollte diese Realität nicht annehmen. Sie konnte diese Realität nicht annehmen, denn es brach sie. Aber kein Flehen, kein Weinen brachte ihn zurück. Wie sollte sie ohne ihn leben? Nie könnte sie sich eine Zukunft ohne ihn ausmalen. Sie würde niemals über ihn hinweg kommen. Niemals würde sie den Mann vergessen, der ihr so viel bedeutete. Sie wollte ihn küssen, mit ihm kuscheln, ihn loben, ihm Komplimente machen, aber ihre Stimme erreichte ihn schon lange nicht mehr. Die Verbindung zwischen ihnen so flach wie die Flamme eines Streichholzes. Die Kraft, die sie ihm schenkte, hielt sein Herz zusammen. Dieses Klopfen war das Einzige, was ihn von einem Toten unterschied.

Valora konnte es nicht länger halten. Sie konnte den Schmerz nicht halten. Würde sie in jenem Moment zerbersten, wäre es ein leichteres Schicksal als an seiner Seite verweilen. Aber sie konnte nicht loslassen. Einmal hatte sie losgelassen und sie würde diesen Fehler nie wieder tun. Nie wieder würde sie von seiner Seite weichen. Auch wenn es bedeutete, sich ins Verderben zu stürzen.

Auf dem Schlachtfeld hatte sie gekämpft. Sie hatte wie ein Tornado gekämpft, doch der Blutregen ihrer Feinde vermochte ihm keine Heilung zu schenken. Der Krieg war gewonnen. Sie hatte die gegnerischen Armeen geschlagen. Das Ziel, was sie sich gesetzt hatte, war erreicht, aber zu welchem Preis? Ihr gehörte die Welt, doch diese Welt besaß keinen Wert, wenn Malik nicht an ihrer Seite stand. Alles was geschehen war, fühlte sich unbedeutend an. Der Grund ihrer Verbitterung, ihr Sinn nach Rache, alles verlor an Bedeutsamkeit. Sie hatte Fehler getan, die sich nicht rückgängig machen konnte. Sie hatte falsche Entscheidungen getroffen, sich blenden lassen und jetzt trug sie die Strafe. Der Göttervater musste sie bestrafen, andernfalls könnte sie sich diesen Schmerz nicht erklären. Wie sie diesen Mann liebte. Wie sie Malik mit jeder Faser ihres Körpers liebte. Jede Zelle verzehrte sich nach ihm. Ein unstillbares Verlangen, das wie ein einsames Irrlicht glühte.

Ihre Lippen küssten seine Fingerspitzen. Ein stummes Gebet, dass er zurückkommen sollte, doch nichts. Keine Antwort, keine Bewegung, Ohnmacht. Ihre Tränen sammelten sich an ihrem Kinn, tropften auf ihren Schoß. Es brannte Narben in ihre Haut. Erinnerungen, die sie niemals vergessen würde. Sie hätte an seiner Seite stehen müssen. Sie hätte diesen Krieg führen müssen. Alles war ihre Schuld. Sie war furchtbar. Sie war eine furchtbare Person. Kein Wort konnte beschreiben, wie sehr sie sich selbst anwiderte. Wenn es etwas gäbe, um ihn zurückzuholen, sie würde alles tun. Selbst wenn es bedeutete, sich selbst und ihr eigenes Königreich auszulöschen. Welchen Unterschied machte es? Ihre Seele war längst verloren. Das Einzige, was ihr das Lächeln zurückbringen könnte, wäre sein Erwachen. Wie sehr sie ihn liebte. Ihr Malik, ihr bester Freund, ihr Leibwächter, ihr einzig wahre Liebe.

Das Gift der Schlangengöttin Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt