Kapitel 1 - Gift für das Training

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𝐾𝑎𝑝𝑖𝑡𝑒𝑙 1 - 𝐺𝑖𝑓𝑡 𝑓𝑢̈𝑟 𝑑𝑎𝑠 𝑇𝑟𝑎𝑖𝑛𝑖𝑛𝑔

Valora wusste um ihre Stärke. Sie wusste um die Magie, die in ihrem Herzen schlummerte. Andernfalls hätte Ethan sie um eine Kopflänge kürzer gemacht. Das Training ihres kleinen Bruders hatte sich ausgezahlt. Inzwischen kontrollierte er seine Schatten wesentlich besser. Wenn er  in dieser Geschwindigkeit weiter lernte, würde er als König sicher in die Geschichte eingehen.

Leichtfüßig wich sie der Sense aus, welche Ethan führte. Kaum bohrte sich die Klinge in den Boden anstelle ihres Fleisches, veränderten die Schatten ihre Form und formten einen Bogen. In Ethans Hand erschien ein Pfeil, bevor er die Sehne spannte und Valora abermals attackierte. Die Vampirin schmunzelte, als sich der Pfeil auflöste, kurz bevor er sein Ziel erreicht hätte. Heute hatte er sich wirklich verausgabt. Bereits seine letzten Angriffe hatten an Stärke verloren. Deswegen wunderte sie es nicht, dass Ethan seine Schatten nicht länger aufrecht erhalten könnte.

»Ich kann nicht mehr, Vally.« Kaum war der Bogen verschwunden, ließ sich Ethan auf den Boden fallen. Seinen Schweiß putzte er an den Saum seines ärmellosen Oberteils ab. »Ich werde es nie schaffen, dich zu treffen.«

Valora ging über den Übungsplatz zu ihrem kleinen Bruder und setzte sich neben ihn hin. Dann grinste sie breit und wuschelte ihm flink durchs Haar. Ethan begann zu nörgeln. »Von wegen. Wenn ich nicht aufpasse, hast du mich bald eingeholt. Dein Hieb mit der Sense war großartig.«

Ethan richtete seine Frisur. Er hasste es, wenn sie durch seine schwarze Haarpracht wuschelte. Anschließend funkelte er seine Schwester aus roten Augen wütend an. »Machst du dich über mich lustig?«

»Ich würde mich niemals über den zukünftigen König lustig machen.« Valora legte einen Arm um ihren Bruder. Dann zog sie ihn zu sich. Ethans Blick erweichte. »Ich könnte nicht stolzer auf dich sein. Du arbeitest jeden Tag hart, um in Vaters Fußstapfen treten zu können. Irgendwann wirst du der Stärkste der fünf großen Könige sein. Das verspreche ich dir.«

Ethan lehnte seinen Kopf an ihrer Schulter ab. Dann seufzte er laut und starrte auf seine Hände. Seine fahle Haut war von etlichen Schrammen besetzt. Es waren keine schlimmen Verletzungen, aber sie zeigten, dass Valora es mit seinem Training ernst meinte. »Ich verstehe nicht, warum du nicht Königin wirst. Du wärst ein besserer Herrscher als ich.«

»Leider bin ich kein Mann, Eth. Du weißt, dass nur ein Mann den Thron besteigen darf.«

»Das ist eine dämliche Regel.« Ethan schüttelte den Kopf. »Du bist stärker als die meisten Vampire nach ihrer Volljährigkeits-Zeremonie. Wenn eine Frau würdig ist, den Thron zu besteigen, dann bist du es.«

Ein Lächeln schlich sich auf Valoras Lippen. Dann löste sie ihr rotes Haar, das sie zu einem Zopf zusammengebunden hatte. Sanft fiel es bis zu ihrer Taille. Ethan hatte schon immer beteuert, dass sie die nächste Königin werden sollte. Ihr Herz fühlte sich warm an, wenn sie hörte, wie viel Wertschätzung er gegenüber ihr besaß. Deswegen glaubte sie auch, er würde ein guter König werden. Stärke allein machte jemanden nicht zu einem guten Führer. »Ich muss nicht Königin sein, um glücklich zu werden. Wenn du ein guter Herrscher wirst, bedeutet mir das viel mehr. Was denkst du, warum ich dich so hart trainiere?«

»Weil du ein Sadist bist.« Valora brach in lautes Gelächter auf, bevor sie ihrem Bruder einen leichten Stoß in die Seite gab. Ethan jammerte auf, angesichts des blauen Flecks, den er sich gestern zugezogen hatte. Möglicherweise hätte sie ihn sanfter auf den Boden befördern sollen. Obwohl, wenn sie darüber nachdachte, konnte er das wegstecken. Schließlich waren sie noble Vampire. Spätestens nach dem Abendessen würden seine Wunden verschwinden. Zumal heute Valoras letzter Tag vor ihrer Volljährigkeit war. Deswegen würde es nur das beste und schmackhafteste Blut geben.

Das Gift der Schlangengöttin Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt