Kapitel 23 - Gift für den Göttervater

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𝐾𝑎𝑝𝑖𝑡𝑒𝑙 23 - 𝐺𝑖𝑓𝑡 𝑓𝑢̈𝑟 𝑑𝑒𝑛 𝐺𝑜̈𝑡𝑡𝑒𝑟𝑣𝑎𝑡𝑒𝑟

Der Schnee knirschte unter Valoras Stiefeln. Auf dem Gipfel des Eisbergs wehte ein frostiger Wind, der an ihren Haaren zerrte und eine unheimliche Melodie spielte. Die Vampirin zog den Kragen ihres Pelzmantels höher. Ihr Atmen bildete kleine Wolken. Dem Schneesturm war sie entkommen, ihre Sicht weitestgehend klar.

Zwischen dem Weiß erkannte Valora Ruinen. Ruinen einer uralten Zivilisation. Die spirituelle Kraft dieses Ortes war gewaltig. Es war, als könnte sie die Seelen Verstorbener fühlen. Der Berg, auf dem sie sich befand, galt als höchster Ort ihrer Welt. Wenn sie nach oben blickte, glaubte sie, nach dem Himmel greifen zu können. Die Schneelandschaft war ein Abbild reiner Schönheit. Die Königin stoppte vor einem zugefrorenen See. Das Wasser war schwarz und dunkel, ein Kontrast zu dem Weiß der Außenwelt. Wenn es einen Ort gab, von dem sie den Göttervater erreichen könnte, dann war es dieser. Ein Ort, an den sonst niemand hinkam.

Vorsichtig betrat sie die glatte Oberfläche. Ihre Schritte halten von den Wänden der Ruinen wider. Dem ersten Fuß folgte der Zweite. Es war nicht schwer, das Gleichgewicht zu halten. Die Eisfläche war nicht rutschig. Sie schritt weiter und als sie ging, veränderte sich die Umgebung. Knochen erschienen auf dem See. Skelette, die vergangene Reisende zeigten, welche es gewagt hatten, diesen heiligen Ort zu betreten. Unter ihr, in der Dunkelheit des Wassers glühten Augen auf. Rote Augen, voller Mordlust. Valora starrte zurück. Sie starrte den Wächter an, der den Gipfel des Berges schützte. Ein niederer Gott in der Gestalt eines Meermonsters.

Der See begann zu beben, Risse durchzogen die Oberfläche. Der Mächtigste der Niederen trachtete nach ihrem Leben. Der Kopf einer haifischähnlichen Bestie durchbrach das Eis. Messerscharfe Zähne, dunkle, robuste Haut, Klauen, die sich wie ein Fleischwolf drehten.

Valora betrachtete das Ungetüm. Das sollte ein Gott sein? Erbärmlich. Ihre Schatten breiteten sich aus, überzogen das Eis, wie es die Dunkelheit bei Nacht tat. Das Monster brüllte, fletschte seine Zähne und attackierte Valora in unfassbarer Geschwindigkeit. Im nächsten Augenblick flog der Kopf des Gotts. Sein Blut verteilte sich über dem Boden. Der Rest seines Körpers fiel zurück in die Dunkelheit des Sees. Die Vampirin blickte auf ihre Hand und probierte eine Spur des Blutes. Es schmeckte köstlich. Was hatte sie auch erwartet? Die Schatten formten sich zurück. Ob das genügte, um den Göttervater aus seinem Versteck zu locken?

Ein Seufzen entwich ihrem Mund, bevor sie zu der Leiche des Wächters schritt. Sie machte es sich auf dem abgeschlagnen Kopf bequem und kreuzte ihre Beine. Nicht so gemütlich wie der Thron Zuhause, aber es erfüllte seine Aufgabe.

Valora brauchte nicht warten. Der Göttervater musste sie beobachtet haben. Der Himmel lichtete sich und offenbarte den runden Vollmond. Sein silbernes Licht hüllte den See in geheimnisvollem Nebel. Der Schein war warm und angenehm, ähnlich dem, was sie während ihrer Krönung erlebt hatte. Sie war nicht nervös. Auch besaß sie keine Angst. Es gab keinen Grund dazu. Sie wusste, dass sie siegen würde. Sie musste.

Die Umrisse des Mondes deformierten sich. Erst langsam, dann erkannte Valora die Flügel eines Drachen, wie sie seinen restlichen Körper bedeckten. Der Göttervater hatte den Mond nicht erschaffen. Er war der Mond.

Zwei goldenen Augen öffneten sich. Wunderschöne, klare Seelenspiegel. Der Körper des Göttervaters streckte sich. Ein langer, eleganter Drache mit einer windschnittigen Statur. Fell bekleidete einen Teil seines Körpers. Seine Schuppen glitzerten wie der Schein des Mondes.

Der Drache stieg vom Himmel ab und landete auf der Spitze des Berges. Er war so groß, dass Valora ihn nicht mit einem Blick vollends betrachten konnte. Sein Körper umschlang den Berg wie eine Schlange seine Beute. War sie das für ihn? Ein willkommener Leckerbissen?

Das Gift der Schlangengöttin Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt