Kapitel 7

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Magnus

Wir standen in unserem lichtdurchfluteten Tanzstudio und blickten alle erwartungsvoll zu unserem Trainer, der gerade auf seinem Laptop herum klickte, der mit den Lautsprechern im Studio verbunden war. Ein Lied erklang und reflexartig zählt ich im Kopf sofort die Takte mit. Ich hatte nicht viel Ahnung von Musik und den ganzen Genres, aber ich würde mal vermuten, es war irgendwas in Richtung Electro Pop.

Es war nicht unbedingt wie die anderen Songs, zu denen wir bisher performt hatten, aber mir und auch den Anderen schien es zu gefallen. Nach dem Intro begann der Sänger mit der ersten Strophe. Er sang vom Verlassen werden und mir gefiel der Text wirklich gut. Das Lied klang durch das flotte Playback nicht gerade traurig, dennoch steckte der Sänger viel Emotion hinein, dass ich sogar eine leichte Gänsehaut bekam.

Aber was gerade noch viel mehr meine Aufmerksamkeit auf sich zog, war seine Stimme. Sie hatte irgendwie einen vertrauten Klang, trotzdem konnte ich mich beim besten Willen nicht daran erinnern, wo ich sie schon einmal gehört haben könnte. Ich fokussierte mich wieder auf die Musik und versuchte, mir den Aufbau des Songs möglichst gut einzuprägen. So fiel es mir später beim Tanzen leichter, das passende Tempo zu finden.

In meinem Kopf überlegte ich mir an manchen Stellen bereits Schritte und Moves, die dazu passen könnten. Zwar würde unser Trainer sich wie immer schon eine Choreografie überlegt haben, dennoch gab es immer etwas das geändert wurde und wir Tänzer brachten auch viele unserer Ideen mit ein. Dadurch entstand dann am Ende eine Performance, die einen persönlichen Touch der ganzen Gruppe hatte. Schließlich musste der Tanz uns auch gefallen, denn letztendlich waren wir diejenigen, die auf der Bühne standen und das Publikum begeisterten.

Nachdem das Lied geendet hatte, drehte sich Hodge erwartungsvoll zu uns um.

"Na, wie fandet ihr den Song?", grinste er und lief nach vorne zum großen Spiegel, wo er immer stand, wenn wir trainierten. Meine Gruppe hatte wohl ähnliche Ansichten wie ich. Es war zwar etwas Anderes als sonst, aber jeder war wohl damit einverstanden und gespannt, was sich unser Trainer dazu einfallen lassen hatte. Hodge positionierte uns ich gleichmäßigen Abständen in drei Reihen und erklärte die ersten Schritte, mit denen wir starten würden. Im Intro hatten wir nur ein paar Moves zum Takt, blieben aber an Ort und stelle. Erst, als die erste Strophe begann, wurden unsere Bewegungen fließender und wir wechselten die Reihen durch.

Nach etwa 45 Minuten Training, in denen wir mit der Choreografie schon fast bis zum ersten Hauptrefrain gekommen waren, machten wir eine kurze Trink- und Verschnaufpause. In der Umkleide strich ich mir eine verschwitzte Haarsträhne aus dem Gesicht und griff nach meiner Flasche, um gierig ein paar große Schlucke zu trinken. Eigentlich war das Training nicht so anstrengend gewesen, aber es war schließlich Sommer und die Sonne erwärmte unser Tanzstudio ganz schön. Zwar hatten wir eine Klimaanlage, dennoch war es ziemlich warm in dem großen Raum.

Nachdem wir uns etwas erholt und neue Energie gesammelt hatten, gingen wir die zweite Hälfte des Trainings an. Wir probten immer 90 Minuten, egal wie warm es war. Das Tanzen war für die meisten von uns nicht nur ein Hobby, sondern das halbe Leben. Unser Ziel war es, gemeinsam als Gruppe noch viele Preise zu gewinnen und an Wettbewerben in der ganzen Welt teilzunehmen. Bis es allerdings soweit war, lag noch ein langer Weg mit viel harter Arbeit vor uns. Aber wenn man, so wie ich, wirklich Spaß an der Sache hatte und aus Leidenschaft tanzte, dann schien man diesem Traum doch schon ein ganzes Stückchen näher zu kommen.

Lächelnd dachte ich an einen unserer Nachmittage im Baumhaus zurück. Der Tag, an dem Alec und ich über unsere Zukunftspläne gesprochen hatten. Wer hätte gedacht, dass meine nun tatsächlich Realität waren? Schon damals hatte ich wahnsinnig gerne mit meinen Eltern zusammen im Wohnzimmer getanzt. Sicher hatte ich diese Leidenschaft von meiner Mum übernommen.

Als Hodge in die Hände klatschte und wir uns erneut in der Startposition aufstellten, fokussierte ich meine Gedanken wieder aufs Training und versuchte, mir die Choreo so gut wie möglich einzuprägen. Allerdings würden wir für heute keine neuen Schritte mehr lernen, sondern nur die bisherigen verbessern und ausbauen. Nachdem die Uhr dann verkündete, dass unsere Stunde für heute beendet war, waren wir alle fix und fertig.

Während die Anderen bereits in die Umkleide trotteten, hatte ich noch eine Kleinigkeit vor. Ich lief zu Hodge, der gerade seinen Laptop zuklappte. Als er mich bemerkte, lächelte er.

"Magnus!"

"Ja, ich habe eine Frage an dich..."

Neugierig blickte mein Trainer mich an.

"Ich mag das Lied wirklich sehr gerne und wollte dich mal fragen, von wem es ist?"

Hodge schmunzelte.

"Es freut mich dass dir das Lied gefällt! Der Sänger heißt Alec Lightwood", grinste er, bevor er seine Tasche schulterte und sich von mir verabschiedete. Perplex sah ich ihm hinterher. Hatte ich mich verhört...?

***

Sobald Cat und ich wieder Zuhause ankamen, sprintete ich sofort in mein Zimmer und warf mich mit meinem Laptop aufs Bett. Mit zitternden Händen gab ich den Namen meines ehemaligen besten Freundes in die Suchleiste ein. Eine neue Seite öffnete sich und ich traute meinen Augen kaum.

'Alec Lightwood - Sänger und Songwriter', darunter Bilder eines jungen Mannes. Er hatte rabenschwarzes, verwuscheltes Haar und wunderschöne blaue Augen, genau wie in meinem Traum. Ohne Zweifel. Es war niemand geringeres, als mein bester Freund aus Kindheitstagen. Der Junge, den ich schweren Herzens hinter mir lassen musste.

Ungläubig klickte ich weiter und stieß auf seinen YouTube Kanal. Fast 4 Millionen Abonnenten. Ich kniff mir in den Arm, um sicherzustellen, dass ich gerade wirklich nicht träumte. Wie konnte es sein, dass ich bis jetzt nichts von ihm gehört hatte, wenn er doch mittlerweile ein berühmter Sänger war?!

Zumal ich alles erwartet hätte, aber niemals das. Alec war schon immer eher schüchtern gewesen und hatte sich gerne zurückgezogen. Wie konnte es sein, dass er mittlerweile vor tausenden Menschen auf der Bühne stand und seine Lieder spielte?

Ich klickte eines seiner Musikvideos an, das den Titel 'Days I will remember' trug. Schockiert musste ich feststellen, dass mir der Song bereits aus dem Radio bekannt war. Wieso war mir das davor nie aufgefallen? Doch was mich noch mehr überraschte, war der Text. Alec sang von früher und ich könnte schwören, das Lied handelte von unserer Freundschaft. Hieß das, er dachte nach all den Jahren immer noch an mich??

Den restlichen Tag verbrachte ich damit, mir seine Musikvideos anzusehen. Wieder einmal konnte ich es kaum fassen, was aus ihm geworden war. Zu diesem Zeitpunkt war mir noch gar nicht so richtig bewusst geworden, dass ich ihn nach so langer Zeit endlich wieder gefunden hatte.

Dancefloor - Malec AUWo Geschichten leben. Entdecke jetzt