Varied OneShots

foray >Daryl<

Ich packe gerade die leeren Dosen weg und lecke mir die Fingerkuppen ab, als ich das unverkennbare Geräusch eines Motors höre. Schnell rapple ich mich auf, verwische meine Spuren auf dem Laubboden und schleiche mich näher an das Geräusch.

Keine fünfzig Meter von meinem kurzen Rastplatz entfernt ist eine Hauptstraße. Das Geräusch wird lauter, bis es plötzlich erstirbt. Glücklicherweise bin ich gerade an der Straße angekommen und blinzle angestrengt durch die dichten Büsche, um etwas zu erkennen.

Ich erspähe Daryl sofort. Er sitzt auf seinem Bike, hat den Motor abgestellt, aber der Schlüssel steckt noch im Zündschloss. Daryl sieht sich aufmerksam um, dann steigt er von seinem Motorrad und kippt den Ständer nach unten, damit es stehen bleibt, während er sich langsam entfernt und die Straße nach etwas absucht.

Ich bin seit wenigen Tagen auf Erkundungs- und Beutetour; alleine, weil ich so am besten arbeiten kann. Daryl und ich sind zwar zusammen losgezogen, aber wir haben uns schnell darauf geeinigt, getrennt zu suchen, denn wir kommen beide gut alleine klar. Ich bin in den Westen gegangen, während er in südliche Richtung gefahren ist. Was er jetzt hier sucht, in meinem Suchradius, ist mir schleierhaft.

Mir kommt eine Idee, wie ich den griesgrämigen, schweigsamen Mann mal ein bisschen auf Trab kriege und unterdrücke ein Grinsen. Er hat seinem Motorrad und mir den Rücken zugedreht, und das nutze ich aus, um in Windeseile zu seinem geliebten Bike zu huschen.

Möglichst geräuschlos setze ich mich auf den noch warmen Sitz, als Daryl gerade am Straßenrand in die Knie geht und durch die vielen Bäume schaut.

Ich kicke den Ständer im selben Moment nach oben, wie ich den Schlüssel im Zündschloss drehe und der Motor heftig vibrierend unter mir aufheult. Oh, ich liebe solche Motorräder.

,,Fuck, das ist mein Bike!", brüllt Daryl wütend, während er schnell herum wirbelt.

,,Du musst besser auf deine Sachen aufpassen, Daryl", erwidere ich grinsend und lasse den Motor ein zweites Mal aufheulen, dabei springt das Motorrad zwei Meter nach vorne.

,,He, Mann. Weißt du überhaupt, wie man damit fährt?"

Täusche ich mich oder höre ich da Sorge in seiner Stimme? Wegen mir oder seinem Bike?

Er kommt ein paar Schritte näher, die braunen Strähnen hängen ihm im Gesicht und ich frage mich zum hundertsten Mal, wie er dadurch überhaupt etwas erkennen kann.

,,Willst du es herausfinden?", frage ich frech und strecke ihm die Zunge heraus.

,,Nicht mit meinem Bike", sagt er warnend. ,,Aber ich kann dich mitnehmen und wenn wir einen Schrotthaufen finden, kannst du es mir zeigen."

Ich bin früher ein paar Mal mit meinem älteren Bruder Motorrad gefahren, aber es waren nie solche Maschinen wie das, auf dem ich jetzt gerade sitze. Allein die Vibration des Motors ist so machtvoll, dass es mich komplett durchschüttelt und ich unbewusst meine Haltung verändere, damit meine Mitte gezielter massiert werden kann. Dabei bemühe ich mich um ein ausdrucksloses Gesicht, denn Daryl starrt mich noch immer mit wachsamen Augen an, während er sich langsam immer näher heran pirscht.

,,Na schön. Es wird ohnehin langsam dunkel, also lass uns einen Unterschlupf suchen", gebe ich klein bei und seine Schultern sacken entspannt nach unten.