Kapitel 18

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P.o.V. Mexi

Aus Gründen, die ich nicht so wirklich nachvollziehen konnte, hatte meine Chefin mir wegen des Todes von Kiara ganze zwei Wochen frei gegeben. Im ersten Moment hatte ich es für einen schlechten Scherz gehalten, allerdings hatte sie mir versichert, dass meine Arbeit in letzter Zeit, trotz meines Urlaubs, beispiellos gewesen war und sie mir Zeit geben wolle, den Tod meines Hundes zu verarbeiten. Also hatte ich gegen neun Uhr eine Nachricht für den Gruppenchat verfasst, den Ju eröffnet hatte, und alle darüber informiert. Sofort wurde beschlossen am Freitagabend erneut das Nightlife zu besuchen und dort den riesigen Auftrag für Rezos und Jus Firma zu feiern, womit sie mich gleichzeitig ablenken wollten. Die einzige Person, die bis jetzt nichts dazu gesagt hatte, war Tim, mit dem ich nach dem letzten Streit nicht mehr gesprochen hatte. Irgendwie wollte ich meinem besten Freund vergeben, aber er hatte klar eine Grenze übertreten und mich behandelt wie ein Kind, was ich so nicht auf mir sitzen lassen wollte. Ebenfalls erwartete ich von ihm, dass er den Groll gegen Rezo endlich ablegte.

Mein Handy klingelte und ich erblickte Jasmins Namen auf dem Bildschirm:

„Hey, wie kann ich dir helfen?"

„Ähm, eigentlich wollte ich eher dir helfen, aber wenn du schon so nett fragst, ich könnte ein neues Handy brauchen."

„Haha zum Totlachen, lass es dir von deinem Freund schenken."

„Nein danke, ich kauf es mir lieber selbst. Spaß beiseite, wo bist du grade?"

„War eben spazieren, bin aber gleich Zuhause."

„Perfekt, dann zieh dich fix um, ich bin in 20 Minuten da."

„Was, wieso das denn?"

„Weil ich ein neues Outfit für morgen brauche und du mich begleiten musst."

„Ist das wieder so ein wenig subtiler Versuch mich abzulenken?" Seit dem Moment, als bekannt wurde, dass ich unfreiwillig Urlaub hatte, wurde ich jeden Tag auf wundersame Weise zu einem Ausflug oder einer Aktivität abgeholt. Allerdings störte mich das nicht weiter, es rührte mich eher wie viel Mühe sich alle für mich gaben.

„Möglich, allerdings brauche ich wirklich etwas Neues zum Anziehen, wir gehen doch schon morgen in den Club und mein Kleiderschrank gibt einfach nichts her."

„Schon gut, ich bin gleich fertig und warte auf dich."

„Du bist der Beste Mex, danke."

„Jaja, bis gleich." Seufzend legte ich auf, ohne eine Verabschiedung abzuwarten und beschleunigte meine Schritte etwas. Eigentlich könnte ich mir auch mal ein paar neue Sachen zulegen.

Also fand ich mich kurze Zeit später in der Männerabteilung von TK Maxx, während Jasmin unten durch die Reihen der Frauenabteilung huschte. Auf meinem linken Arm hingen bereits ein paar Hoodies und T-Shirts, die normalerweise sicher über 300 Euro gekostet hätten. Jedoch waren das eher Alltagsklamotten, die ich nicht für den Club gebrauchen könnte. Deshalb zahlten wir ein paar Minuten später und verließen den Laden in Richtung Zara, wo wir uns gegenseitig Outfits heraussuchen wollten. Also machte Jasmin jetzt einen Streifzug durch die Männerabteilung und ich begnügte mich in der wesentlich bunteren Welt der Frauenabteilung. Von Rezo hatte ich erfahren, dass das Thema diese Woche R&B war, also suchte ich eher nach dunkleren Farben. Beim Gedanken an Rezo kribbelte es in meinem Bauch und ich musste unwillkürlich Lächeln. Zwar hatten wir noch nicht herausgefunden, weshalb ich am Sonntag auf seinem Sofa aufgewacht war, aber ich war mir relativ sicher, dass ich wegen der Todesnachricht bei ihm aufgetaucht war. Vielleicht würden die genauen Umstände immer ein Rätsel bleiben, jedenfalls waren wir beide brutal betrunken gewesen. Trotzdem machte mich jeder Gedanke an ihn glücklich, besonders als er gestern vor der Tür gestanden und mich zu einem Besuch ins Kino mitgenommen hatte. Schnell schlug ich mir die Gedanken wieder aus dem Kopf. Rezo war hetero und wenn ich das jeden Tag hundert Mal runterbetete, begriff es mein Herz vielleicht auch mal irgendwann.

Schlussendlich hatte ich circa fünf Outfits für sie herausgesucht, während sie drei farbliche Variationen von Hemd mit Stoffhose in den Händen hielt. Gerade als ich mich beschweren wollte, grätschte sie dazwischen: „Ich will nichts hören, das wird dir wunderbar stehen und du wirst grandios aussehen, probier das zuerst an." Sie schob mich mit der dunkelblauen Kombi zuerst in die Kabine und verschwand selbst mit ihrem Stapel nebenan.

Als ich mich in das Outfit gezwängt hatte, drehte ich mich ein paar Mal unschlüssig hin und her: „Jasmin, ich glaube das hier isses nicht, das passt auch gar nicht richtig."

Sofort riss sie den Vorhang zur Seite und begutachtete mich: „Da stimme ich dir zu, versuch das hier." Sie zeigte auf die cremefarbene Kombi, deren Funktionalität im Club ich von vorneherein stark bezweifelte. Obwohl sie wesentlich besser passte, entschieden wir uns auch diesmal einstimmig dagegen und sie wies mich an das Schwarze anzuprobieren, während sie bereits eine Wahl getroffen hatte und die Kabine neben mir freiräumte.

Diesmal traute ich mich nicht wirklich in den Spiegel zu schauen, also öffnete ich den Vorhang und fragte nach ihrer professionellen Meinung. Ihre großen Augen und der zum „Uh" verzogene Mund halfen mir leider auch nicht weiter. 

„Warte mal kurz," meinte sie dann, stürzte aus dem Umkleidebereich und kam kurze Zeit später mit einem schwarzen glänzenden Gürtel wieder, „hier zieh den noch an." Also tat ich wie geheißen und sie fummelte in der Zeit an meinem Hemdkragen herum.  Dann trat sie ein paar Schritte von mir weg und betrachtete ihr Werk: „Es ist perfekt, du siehst heiß aus, er wird dir nicht wiederstehen können."

Genervt rollte ich mit den Augen: „Ja klar, wers glaubt wird selig."

„Mexi dreh dich bitte mal um und schau länger als zwei Sekunden in den Spiegel," ordnete sie an und ich tat wie geheißen.

Der Anblick überraschte mich tatsächlich, denn Jasmin hatte Recht gehabt. Selten hatte ich in Klamotten so gut ausgesehen, allerdings wollte ich das nicht zugeben: „Ja es ist ganz okay schätze ich."

„Ganz okay? GANZ OKAY? Du siehst aus wie der Traum jeder Frau und jedes Mannes natürlich, er müsste blind sein, um das nicht zu sehen."

„Okay übertreib nicht, ich werds mitnehmen, wenn du dann zufrieden bist."

Also kauften wir die Sachen und sie bestand darauf morgen am Mittag zu mir zu kommen und sich gemeinsam fertig zu machen. Wieso fühlte ich mich gerade wie ihre beste Freundin? 

Blue •rezofyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt