Kapitel 21

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P.o.V. Mexi

Es war so still, dass ich mein Herz schlagen hören konnte. Erst als meine Lunge rebellierte, merkte ich, dass ich die Luft anhielt. Vorsichtig atmete ich aus und wieder ein, als hätte mein Körper verlernt, wie das geht. Was war in mich gefahren? Irgendwie fühlte es sich gut an, ihm das alles an den Kopf zu werfen, andererseits, konnte ich jetzt nicht mehr zurücknehmen, was ich gerade gesagt hatte. Jasmin wirkte nur milde überrascht, während Lisa mich geschockt anstarrte. Aus irgendeinem Grund wagte ich mich nicht Ju anzusehen, jedoch ergriff er jetzt das Wort und richtete sich an Rezo: „Ich hatte dich gewarnt mein Lieber." Scheinbar erweckte das Rezo aus seiner Starre, denn er blinzelte ein paar Mal, bevor er antwortete: „Ja- aber ich hab doch nicht- ich bin ja gar nicht- ich weiß nicht was ich- welcher Kuss- was?" Dieses Mal war Jus Stimme lauter und überdeutlich: „Du wusstest es und trotzdem hast du das eben auf der Tanzfläche veranstaltet."

Scheinbar hatte Lisa jetzt auch ihre Stimme wiedergefunden und stellte etwas undeutlich, ein paar Fragen in den Raum: „Okay, ganz langsam. Wer hat wen geküsst, wer hat mit wem rumgemacht und was ist hier los?" Eigentlich wollte ich ihr antworten, aber kein Wort wollte über meine Lippen kommen. Stattdessen hielt mein Blick Rezo fest. Zum Glück nahm mir Ju die Beantwortung der Fragen ab: „Schätzungsweise hat Rezo unseren Mexi geküsst, kann sich allerdings wohl nicht mehr daran erinnern. Dafür hat er ihn vorhin auf der Tanzfläche ziemlich heftig angemacht und obwohl ich ihn mehrfach gewarnt hatte, scheint Rezo mal wieder nicht auf mich gehört zu haben."

„Ja, aber ich konnte ja nicht- ich wusste nicht-," da sah ich etwas in seinen Augen aufblitzen, eine Erkenntnis, die ihm zum Gesamtbild noch gefehlt hatte, der Kuss im Treppenhaus. Er schlug sich die Hand vor den Mund und starrte mich mit großen Augen an: „Oh mein Gott, das- ich- scheiße."

„Ist es dir endlich wieder eingefallen," die Worte kamen aus meinem Mund, sie klangen aber nicht wie meine Stimme. Sie waren bitter und zynisch.

„Das war nicht- ich wollte nicht- wie hätte ich wissen sollen- du hättest es mir sagen können. Ich steh auf Frauen und das- war aus Versehen," er versuchte scheinbar eine Art Entschuldigung zu stammeln, versagte jedoch auf ganzer Linie.

„Ach stimmt, das scheint mein Fehler gewesen zu sein. Ich war der irrtümlichen Auffassung, dass auch ein besoffener Kuss etwas bedeutet, aber bei dir scheint ja fast alles bedeutungslos zu sein. War eigentlich alles, was du gesagt hast gelogen? Dann wüsste ich zumindest, woran ich bin." Tränen stiegen in meinen Augen auf, aber ich blinzelte sie weg. Niemals würde ich mir die Blöße geben vor ihm zu weinen, diesen Triumph hatte er nicht verdient.

„Natürlich nicht, ich- das war nicht böse gemeint, nur- ich war betrunken und-," stotterte er erneut, wurde aber von Jasmin unterbrochen, die Jus Hand hielt. „Ich glaube es wäre besser, wenn du jetzt gehst." Hilfesuchend wandte er sich an Ju, der nickte jedoch und legte eine Hand auf ihre Schulter. Ein letztes Mal öffnete er den Mund, um etwas zu sagen, schloss ihn dann aber wieder und verließ anschließend den Balkon.

In dem Moment, als die Tür hinter ihm zu schwang, brachen die Tränen aus mir heraus. Alles, was ich die letzten Minuten hartnäckig unterdrückt hatte, traf mich nun mit voller Wucht. Blitzschnell stand Jasmin bei mir und zog mich in ihre Arme. Dort brach ich weinend zusammen. Normalerweise würde ich solche Ausbrüche nie vor meinen Freunden zeigen, dies war allerdings eine Ausnahmesituation. Am Rande bekam ich mit wie Lisa und Ju flüsternd etwas besprachen, es interessierte mich aber nicht. Beruhigend strich Jasmin mit ihrer Hand über meinen Rücken und brachte ein bisschen des warmen Gefühls von vorhin zurück. In meinem Herzen klaffte gerade ein großes Loch, dass drohte mich zu verschlucken und ich hatte das starke Bedürfnis einfach drauflos zu quatschen.

„Ich bin- so ein Idiot. Ich hab's ihm einfach zugeschrien- als wärs- gar nichts und- jetzt weiß er es. Wie- wie soll- wie soll ich ihm jemals wieder- in die- in die Augen schauen? Ich wusste es- die ganze Zeit und- und trotzdem- trotzdem hab ich mich- drauf eingelassen, weil- weil ich Hoffnung hatte und- und jetzt- jetzt ist alles- schiefgelaufen."

„Du bist kein Idiot. Es war eine Reaktion auf sein Verhalten und eher sollte er sich fragen, wie er dir je wieder unter die Augen treten soll. Außerdem hattest du Grund dazu dir Hoffnungen zu machen, nach dem was er gemacht hat," Jasmin redete sanft auf mich ein, um zumindest meine lauten Schluchzer, die immer wieder meine Sätze unterbrachen, zu bändigen.

Da legte sich eine weitere Hand auf meine Schulter und Ju, dem man mittlerweile den Alkohol wieder anmerkte, sprach zu mir: „Hör zu Mexi. Du hast keine Schuld an dem Ganzen. Ich habe mehrfach mit ihm gesprochen, um ihm klarzumachen, dass er dich nicht so behandeln kann. Er hat nicht auf mich gehört und das ist das Resultat daraus, also mach du dir keine Vorwürfe. Morgen werde ich mich in Ruhe mit ihm unterhalten und ihm klipp und klar aufzuzeigen, welche Scheiße er gebaut hat. Bis dahin schlage ich aber vor, dass Jasmin dich nach Hause bringt, okay?"

Erneut ging die Tür auf und es kam jemand zu uns, den ich nicht sehen konnte. „Hey Leute, wasn hier los?" natürlich war unsere längere Abwesenheit am Tisch nicht unbemerkt geblieben und T hatte sich auf die Suche nach uns gemacht. „Was ist mit Mexi?" das war Tim, Besorgnis in der Stimme. Sofort wies Ju beide an still zu sein und führte sie ein Stück von uns weg. Langsam fühlte ich mich wie auf dem Präsentierteller, auch wenn all diese Menschen meine Freunde waren. Es zog mich nach Hause in mein Bett, wo ich mich verkriechen und die nächsten Tage nicht herauskommen konnte. Mit dünner Stimme richtete ich mich an Jasmin: „Gib mir bitte eine Zigarette und bring mich nach Hause. Ich kann nicht mehr." Sie nickte nur, drückte mich nochmal fest und zog ein Päckchen aus ihrer Handtasche.

Blue •rezofyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt