Kapitel 50

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P.o.V. Rezo

„Was willst du?"

„Ich hoffe du hörst mich klar und deutlich, weil was ich dir jetzt sage, ist wichtig."

„Ich höre."

„Komm in das Polizeipräsidium Im Mariental."

„Wieso sollte ich das bitte tun?"

„Deine Schwester hat meinen Freund angefahren."

Es war still in der Leitung und das einzige, was ich hören konnte war ihr leiser Atem am anderen Ende.

„Woher willst du da wissen?"

„Mexi wurde von einem schwarzen BMW SUV angefahren, am Steuer saß eine blonde Fahrerin, die nach seiner Aussage gelächelt hat."

„Das beweist doch gar nichts."

„Heilige Scheiße Jana, das hier, genau das ist der Moment, wo du endlich aufwachen musst! Deine Schwester hat ein gewaltiges Problem und du musst endlich aufzuhören sie vor allen in Schutz zu nehmen."

„Ich nehme sie nicht in Schutz!"

„Doch und zwar schon dein ganzes Leben, sie ist deine große Schwester und hat dich immer in die Scheiße geritten, wenn sie konnte. Jetzt sind wir hier und wir wissen beide, dass sie es war. Welche Sicherung da bei ihr durchgebrannt ist, weiß ich nicht, aber genau jetzt musst du mir helfen und sie endlich für das büßen lassen, was sie getan hat."

Wieder war es still und ich dachte schon sie hätte aufgelegt, bis sie sich räusperte und antwortete: „Ich bin in fünf Minuten da."

Zwischendurch zweifelte ich kurz, ob sie wirklich kommen würde, aber tatsächlich stand sie gerade mal ein paar Minuten später vor der Tür des Präsidiums. Sie wirkte angespannt und unentschlossen, doch als sie mich erblickte, kam sie zu mir gelaufen und umarmte mich. Zuerst überraschte mich das ein bisschen, da sie nie der physische Typ gewesen war, aber sie schien die Umarmung gerade mehr zu brauchen, als ich, also drückte ich sie an mich. Während meiner ganzen Beziehung mit Julia, hatte sie immer alles getan, um ihre Schwester als Engel dastehen zu lassen und nie etwas zurückbekommen. Stattdessen hatte Julia sie immer als letzte Rettung benutzt. Hatte sie immer wieder Geld geliehen, dass sie nie wieder gesehen hatte oder war nachts vor ihrer Tür aufgetaucht, um bei ihr zu schlafen. Obwohl Jana jünger war, hatte sie immer die große Schwester gespielt und jetzt war ein für alle Mal Schluss damit. Theoretisch hätte ich sie schon viel früher dort herausholen müssen, aber sie hatte sich nie helfen lassen. Jetzt würde ich nicht einfach wegsehen und sie sich selbst überlassen.

Ihre ersten Worte murmelte sie gegen den Stoff meines T-Shirts, aber ich verstand sie trotzdem: „Geht es deinem Freund gut?"

„Es geht ihm besser. Er lag ein paar Tage im Koma, aber er kann bald wieder nach Hause."

„Im Koma?! Oh mein Gott, das tut mir furchtbar leid ich- scheiße ich hätte auf dich hören sollen- hätte ich nichts erzählt dann- dann wäre vielleicht-"

„Irgendwie hätte sie es erfahren, es ist nicht deine Schuld."

„Trotzdem fühl ich mich verantwortlich. Was kann ich tun um zu helfen?"

„Willst du denn helfen? Das könnte deine Schwester in den Knast bringen."

„Das geht mir am Arsch vorbei. Diesen Dreck mach ich schon mein ganzes Leben mit. Sie baut Scheiße und ich muss aufräumen. Davon hab ich endgültig genug."

Gemeinsam kehrten wir in das Büro von Kommissar Geiger zurück und Jana händigte ihm ihren Personalausweis aus, damit er überprüfen konnte, wer sie war.

„So Frau Willecke, also sie sind die Schwester unserer Verdächtigen?"

„Genau, sie hat auch bis vor ein paar Wochen noch bei mir gewohnt."

„Kommen wir zu unserer wichtigsten Frage, die uns überhaupt hierher gebracht hat: Welches Auto fährt ihre Schwester?"

„Einen schwarzen BMW X5 G05."

„Passt dieses Auto zu der Fahrzeugbeschreibung, die von unseren Zeugen abgegeben wurde?"

„Es sollte dasselbe Auto sein ja."

„Hat ihre Schwester ihnen gegenüber etwas über ihren Ex-Freund oder dessen neuen Partner erwähnt?"

„Sie hat quasi von nichts anderem gesprochen."

„Welche Dinge hat sie im Einzelnen benannt?"

„Erst war sie nur sauer, dass Rezo ihr keine neue Chance gab. Also hat sie alle Frauen, die Kontakt mit ihm hatten praktisch gestalkt und alle sozialen Kanäle rausgesucht. Dann haben sie und ihre seltsamen Freundinnen diese Frauen mit tausenden Nachrichten bombardiert und überall fertig gemacht, bis sie sich von ihm ferngehalten haben. Sie hat sich mehrere Schlüssel von seiner Wohnung nachmachen lassen und ist auch öfter dort ein und ausgegangen, wenn er nicht zuhause war. Bis sie an einem Morgen reinkam und Mexi auf der Couch gesehen hat, worauf sie scheinbar beschlossen hat ihn genauer im Auge zu behalten."

„Was genau meinen sie mit ‚genauer im Auge behalten'?"

„Sie hat ihn genauso gestalkt wie die ganzen Frauen, nur schlimmer. Als sie mitbekommen hat, dass die beiden sich näher kommen, hatte sie einen Wutausbruch und hat dabei meinen Fernseher und Couchtisch kaputt gemacht. Dann hat sie ihn regelrecht verfolgt, wann immer sie konnte. Seine Social Media Kanäle genau im Auge behalten und ist ihm auf der Straße hinterher geschlichen. Mir wurde das irgendwann zu gruselig und ich hab sie mehrfach gebeten sich eine eigene Wohnung zu suchen. An dem Abend, als ich aus dem Club zurückkam, merkte sie, dass etwas nicht stimmte, ich hatte ihn und Mexi dort erwischt, als sie sich geküsst haben, also drohte sie mir mich zu schlagen, wenn ich nicht erzählte, was passiert wäre. Sie hatte mich dorthin geschickt, um ein paar Details in Erfahrung zu bringen. Danach ist sie vollkommen durchgedreht."

„Okay Frau Willecke, hatten sie in der Woche vor dem Unfall Kontakt mit ihr?"

„Am Montag war sie im Büro von seiner Firma, was nicht so gut gelaufen war, also stand sie wieder vor meiner Tür und schrie anschließend in meiner Wohnung rum, bis sich die Nachbarn beschwerten. Bevor sie ging, meinte sie, dass er noch bereuen würde jemals mit ihr Schluss gemacht zu haben und, dass, ich zitiere, ‚dieser kleine Hurensohn schon noch sehen würde, was er davon hat'. Dann ist sie rausgestürmt und seitdem habe ich nichts mehr von ihr gehört."

„Können sie sich vorstellen, dass ihre Schwester zu solch drastischen Mitteln greifen würde, um ihren Willen durchzusetzen?"

„Ich würde ihr alles zutrauen."

Die ganze Zeit hatte ich mit offenem Mund neben ihr gesessen und mir jedes Detail genau angehört. Mir war schon lange bekannt, dass Julia dringend Hilfe brauchte, aber nicht, dass sie völlig den Verstand verloren hatte. Plötzlich brummte Janas Handy und sie warf einen schnellen Blick darauf. Sie wollte es gerade wieder in ihre Tasche gleiten lassen, da stoppte sie in der Bewegung.

„Rezo wo genau ist Mexi gerade?" Ihre Stimme hatte einen schrillen Unterton bekommen, der mir gar nicht gefiel.

„Im Krankenhaus , wo denn sonst?"

„Wir müssen sofort da hin!"

Sie hielt mir ihr Handy vor die Nase, auf dem nur eine Nachricht zu sehen war: „Heute bringe ich es zu Ende."

Blue •rezofyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt