Kapitel 26

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P.o.V. Mexi

Obwohl ich schon vor ein paar Minuten aufgelegt hatte, starrte ich immer noch auf den schwarzen Bildschirm meines Handys. Diese zwei Sätze hatten mich direkt ins Herz getroffen, was wahrscheinlich nicht einmal beabsichtigt gewesen war. Mittlerweile wusste ich, dass Rezo immer genau das sagte, was er gerade im Kopf hatte, auch wenn es manchmal keinen Sinn ergab. Er würde bald da sein, je nachdem wie sehr er sich beeilte, her zu kommen. Ein Blick an mir herunter ließ mich genervt stöhnen. Natürlich hatte ich ein Shirt mit Flecken und eine ausgeleierte Jogginghose an. Da der Pennerlook nicht gerade repräsentabel war, raste ich zu meinem Schrank und schnappte mir ein frisches Oberteil und schwarze Chinos aus dem Fach daneben. Die Kombination bewährte sich vor dem Spiegel schon eher und ich schaltete schnell noch Musik im Wohnzimmer an und legte das Buch ordentlich hin, sodass es nicht so aussah, als hätte ich nur auf ihn gewartet. Auch wenn das genau genommen stimmte.

In meiner Hektik hatte ich völlig vergessen eine Info an Jasmin zu schicken und mir zur Beruhigung lieber ein Glas Whisky eingeschenkt. Als es klingelte, war ich bei meinem zweiten Glas und noch kein Stück ruhiger. In einem Gang, der sich nicht verzweifelt anhören sollte, ging ich zur Tür und öffnete, nachdem ich noch einmal tief durchgeatmet hatte. Bei seinem Anblick schmiss ich allerdings meine guten Vorsätze alle über Bord. Das Rauschen in meinen Ohren, hätte sie wahrscheinlich sowieso übertönt. Einige Augenblick sagte niemand von uns etwas und wir starrten uns nur dumm an. Dann schlich sich ein Lächeln auf seine Lippen, kein freches oder gemeines, sondern eines das verzauberte. Jasmin hätte jetzt gesagt, ich solle unbeeindruckt wirken, unnahbar agieren und ihn zappeln lassen. Das konnte ich nicht. Ein Wort aus seinem Mund und ich würde dahinschmelzen, auch wenn er mir eröffnen würde, wovon ich ausging.

„Hei Kleiner."

„Hei," mehr bekam ich beim besten Willen nicht heraus.

„Ich weiß, dass du wahrscheinlich noch sauer bist, weil ich Scheiße gebaut habe, aber ich halte das nicht mehr aus. Bis jetzt hat es mich nie gestört, wenn jemand sauer auf mich war, aber jetzt plötzlich schon und ich wusste nicht, was ich tun soll. Also hab ich dir Süßkram gekauft, weil ich ehrlich gesagt keine Ahnung habe, wie man sich richtig entschuldigt. Bei dem Brief hab ich fast aufgegeben, weil sich alles dämlich angehört hat und selbst die letzte Version war ziemlicher Müll."

Er stoppte und wartete scheinbar drauf, dass ich etwas erwiderte. Bestimmt hätte ich das auch tun sollen, wäre ich nicht so damit beschäftigt gewesen mich davon abzuhalten ihm um den Hals zu fallen und gerade stehen zu bleiben. Meine Lunge weigerte sich auch von selbst ein und aus zu atmen, weshalb ich das manuell tat und gleichzeitig versuchte jedes Wort, das er sagte, zu verstehen. 

„Wahrscheinlich lässt du mich jetzt so lange vor mich hin quatschen, bis ich das sage, was du hören willst und da ich mich in Entschuldigung verbessern will, werde ich das machen. Also- ich kann dir nicht genau sagen, was ich will. Denn ich war immer der Meinung, dass ich hetero bin, und das verwirrt mich alles sehr. Ju hat mir vor Augen gehalten, wie viel von meinem Verhalten nicht zu dieser Einstellung passt und langsam verstehe ich, was er meint. Trotz allem, kann ich keine Versprechungen machen oder dir Hoffnungen machen, genauer gesagt will ich dein Gesicht nie wieder so sehen wie an diesem Abend. Bis zu diesem Zeitpunkt wusste ich nämlich nicht, dass die Emotionen von anderen Leuten mich mehr mitnehmen können als meine eignen. Ich mag dich wirklich und ich will dich nicht verlieren, auch wenn Ju und alle anderen sich irren sollten. Das Einzige, dass ich mit Sicherheit sagen kann, ist, dass du mir was bedeutest, aber was genau, kann ich dir nicht sagen. Falls du jetzt sagst, dass ich ein totaler Idiot bin und verschwinden soll, kann ich das verstehen, aber- „

Da unterbrach ich ihn mit einer einzigen Handbewegung und legte ihm einen Finger an die Lippen. So hatte ich es in Filme gesehen und es war ziemlich aufregend sowas mal selbst zu machen. Seine Stimme verstummte und er sah mich unsicher an. Am liebsten hätte ich ihn geküsst, aber wir mussten kleine Schritte machen, deshalb legte ich meine Hand auf seine Schulter und zog ihn in eine Umarmung. Zuerst wollte ich ihn nur kurz drücken, aber als ich seinen vertrauten Duft wahrnahm und seine Arme um meinen Rücken spürte, konnte ich nicht mehr loslassen. Diese Berührung nahm mir so viel Last von den Schultern, die ich unbemerkt mit mir rumgetragen hatte. Glücksgefühle überrannten mich und ich sank ein wenig ein, sodass wir in den Flur meiner Wohnung stolperten und Tränen meine Wangen herunterliefen. Er versuchte sich zu befreien und mir ins Gesicht zu schauen, aber ich umklammerte ihn noch mehr und schließlich gab er auf und drückte mich fester an sich. 

Als wir uns dann schließlich losließen bemerkte ich auch auf seinem Gesicht nasse Spuren und wir begannen beide zu lachen. So viele Emotionen stiegen in mir hoch und überschatteten die Traurigkeit, die ich über die ganze Woche verspürt hatte.

Meine Zunge hatte sich auch aus ihrer Starre befreit und gab mir meine Fähigkeit zu sprechen wieder: „Du kannst ruhig hierbleiben, wenn du willst. Du kannst auch gerne so lange weiterreden, wie du willst."

Rezo lachte erstickt auf und blickte mir direkt in die Augen: „Dann musst du auch mit dem Nonsens klarkommen, der dabei zustande kommt."

„Damit hab ich gar kein Problem," vor lauter Freude, lief mir eine weitere Träne aus dem Auge und er wischte sie weg, bevor ich es konnte.

„Man ey, hör bitte auf zu weinen, das macht mich fertig, dann kann ich auch nicht aufhören," er rieb sich eine weitere Träne aus dem Augenwinkel.

„Okay, aber nur wenn du auch aufhörst."

„Einverstanden."

Jetzt standen wir etwas unschlüssig im Flur, bei offener Tür und ich wägte meine Möglichkeiten ab. Würde er mein Angebot zu bleiben, annehmen? Naja, es gab nur einen Weg das herauszufinden: „Willst du hierbleiben?"

„Wenn du möchtest, kann ich das gerne tun."

Zur Antwort drückte ich die Tür ins Schloss und bedeutete ihm mir ins Wohnzimmer zu folgen. Mein Herz war wieder leicht und vollkommen, aber wirklich gänzlich an ihn verloren. Irgendwie würde ich es schon schaffen, dass er sich für mich entschied. Auch wenn ich Nachhilfe im Flirten nehmen musste.

Blue •rezofyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt