Tanz

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Kapitel 28

Veronika

Sie stand am Rand des Tanzsaales und war überrascht, wie stimmungsvoll diese Feier trotz der wenigen Gäste verlief. Der kleine Kreis hatte seinen eigenen Charme und während Melody sich schon seit fast einer Stunde von Elija herumwirbeln ließ und Luna immer wieder von Zeds zu Coles Schoß wechselte - und umgedreht, saß Veronika selbst nahe an der Getränke-Ausgabe.

Der Kuchen, der Hummer und all die anderen Leckereien auf ihrem Teller waren ein Genuss, den sie mit Hochprozentigem herunterspülen musste, sonst würde sie durchdrehen.

Ihr Kopf raste.

Ihre Mutter, ihr Vater, Hitch. Das alles eroberte immer wieder ihren Verstand, obwohl sie sich fest vorgenommen hatte, das alles in sich einzuschließen, bis Melody ihren großen Tag hinter sich hatte. Doch das war leichter gesagt als getan, wenn vor allem Hitch sie immer wieder ansah, als wäre sie ein verletztes Tier. Es fiel ihm sichtlich schwer, nicht zu ihr kommen und sich um sie zu kümmern, wie er es für richtig hielt, doch egal wie Veronika diese Fürsorge auch schätzte: Sie würde es nicht ertragen.

"Mir tun die Füße weh, Darling", stöhnte Elija genervt als eines der Lieder endete, aber seine Braut blieb so gnadenlos, wie es eben Melodys Art war.

"Dann krieche", entfuhr es ihr immer voller rachelust wegen der Knutschflecken in ihren Dekolletee. Doch Elija, er trug sein Schicksal nicht mehr, packte ihre Hand und zog sie zu der Überraschung aller zu Zed.

"Tanz' einen Walzer mit ihr, das will sie schon den ganzen Abend", meinte Elija und Melodys Augen wurden riesig. Elija war alles andere als ein begnadeter Tänzer und Melody hatte es während der gesamten Verlobungsphase nicht geschafft, ihn dazu zu bringen, mit ihr Tanzkurse zu besuchen. Die hatte die zukünftige Braut mit Luna besucht und war seitdem unfassbar scharf auf Walzer.

Veronika exte ein weiteres Glas eines guten Whiskys und nahm sich vor, sich aus der folgenden Diskussion herauszuhalten.

"Du kannst Walzer?" fragte Luna und Melody gleichzeitig etwas entsetzt, Veronika grinste nur und Zed blickte böse zu Elija auf.

"Na danke auch. Ihr habt geschworen, das für euch zu behalten!", maulte er, aber Cole gluckste nur und wiegte Lunas Hintern weiter auf seinen Schoß.

"Ich habe es dir geschworen, Zed. Elija hat nach meinem Wissen gar nichts dazu gesagt und der da," Cole deutete mit den Daumen auf Hitch, der ebenfalls mit am Tisch saß,

"Hat gerade herausgeschrieben, dass er es verrät, sobald er für ihn günstig ist", meinte Cole und zur Bestätigung hielt Hitch kurz ertappt die Kuchengabel nach oben und grinste dreckig, bevor er sich ein weiteres Kuchenstück in den Mund schob.

"Geschrieben? Ihr habt diese dämliche Chat-Gruppe immer noch?", fragte Veronika und erinnerte sich daran, dass die Männer vor Monaten eine Gruppe mit dem Namen "Weiberfreie Zone" gegründet hatten und sich dort pausenlos über ihre Frauen beschwerten. Melody und Luna beobachteten die Aktivitäten ihrer Männer dort mit Argusaugen.

"Männer brauchen ihre Spielwiesen", meinte Zed nur verschwörerisch und Elija stöhnte genervt, ließ sich aber ziemlich dankbar auf einen der Stühle fallen, nun da Melody an Zeds Arm zerrte.

"Tanz mit mir! Los! Ich bin die Braut! Das ist mein Tag! Du tust, was ich sage!" stellte sie kurz und sehr deutlich klar und Zeds Blick glitt Hilfe suchend zu Luna, die aber keinen Einwand erhob.

"Das sah bei Elija nicht so aus, als würdest du dich führen lassen, Brautzilla. Ich habe keine Lust, mir das anzutun", meinte Zed ebenso entschieden, aber da mischte sich Luna ein.

"Melody führt gut, vielleicht kannst du dein Ego für knapp drei Minuten herunterschlucken und sie führen lassen", fiel sie ihm eiskalt in den Rücken und Melody grinste wieder.

Für einen kurzen Moment glaubte Veronika, Zed würde sich geschlagen geben, aber er hatte noch ein Ass in der Hinterhand und wandte sich an Elija.

"Du willst wirklich, dass ich deine hübsche Braut eng umschlungen an mich drücke und über diese Tanzfläche wirbelte?", fragte er und traf dabei einen Nerv bei Elija, der sicherlich dazu geführt hätte, dass Elija seine Bitte wieder zurückgenommen hätte, wenn Melody ihm nicht sofort dazwischen funken würde.

"Hör auf, an seine pathologische Eifersucht zu appellieren! Es ist ein verdammter Tanz und wir alle wissen, dass du eh nur Augen für Luna hast!", fauchte sie ihn an und Elija beruhigte sich sofort wieder.

Veronika war regelrecht erstaunt. Elija war tatsächlich pathologisch eifersüchtig und konnte es kaum ertragen, wenn Melody im Club auch nur angesprochen wurde. Dabei war es ihr Job, den Gästen zuzuhören und Probleme zu lösen. V konnte ihn verstehen. Sehr gut sogar, denn ihr ging es ähnlich, wenn Hitch einmal mehr von einer Frau angesprochen wurde und dabei hatte sie nicht einmal das Recht dazu, sich dermaßen besitzergreifend zu verhalten. Das zwischen ihr und Hitch war vorbei. Schon so lange, dass es für sie keine Rolle mehr spielen sollte.

Mittlerweile hatte sich Zed seinem Schicksal ergeben und ließ sich von Melody auf die Tanzfläche ziehen, wo ein relativ schneller Walzer begann.

"Wo hat er den tanzen gelernt?", fragte Veronika das offensichtliche und Cole zuckte mit den Schultern, wobei Lunas Brüste nahe an seinem Gesicht kurz wippten, weil sie ihren Arm auf seine Schulter gelehnt hatte und seine Antwort verzögerte, weil er kurz wie hypnotisiert aussah.

Auch Cole war absolut verrückt nach Luna, aber er hechelte sie weniger auffällig an. Zed kannte da allerdings kein Schamgefühl.

"Er stammt aus einem spießbürgerlich guten Elternhaus, also hatte er als Junge Tanzunterricht", meinte Cole und Hitch durchbohrte Veronika mit seinem Blick.

"Hast du dann nicht auch Tanzen gelernt?", fragte er und als Veronika sich an Hitch wandte, geriet ihre Welt wieder ins Trudeln. Ja, sie hatte Tanzen gelernt, aber nicht im Unterricht. Ihre Mutter hatte es ihr als Kind beigebracht. Das waren die wenigen wirklich guten Erinnerungen an ihre Kindheit und ...

bevor das Brennen in ihrem Magen und in ihrer Kehle sie drohte zu ersticken, erhob sich Veronika schnell und rannte förmlich in eines der nahegelegenen Badezimmer.

Alle sahen ihr entsetzt nach und natürlich hörte V hinter sich einen weiteren Stuhl über den Boden scharren, weil Hitch keine Sekunde zögerte, ihr zu folgen.

Dieser Idiot konnte wirklich keine Zeichen lesen!

"Bleib da!", rief sie ihm entgegen und hörte selbst, wie gebrochen ihre Stimme dabei klang. Sie wahr ehrlich bemüht gewesen, keine Erinnerungen in sich hochkommen zu lassen. Das war der Tag ihrer Freundin, nicht ihrer! Warum also konnte Hitch sie nicht in Ruhe lassen? Nichts an seiner Anwesenheit machte irgendetwas besser, ganz im Gegenteil. Wenn er ihr Trost spendete, würde sie heulen wie ein Schlosshund!

"Keine Chance, Kitten!", antwortete Hitch im gehen und Veronika beschleunigte ihre Schritte, stürmte in die Damentoilette und schloss sich dort in einer der zwei Kabinen ein.

Sie wollte nicht dass er ihr folgte, dass er sie tröstete, sie wollte nicht dass irgendwer sah, was passiert war, wie sehr sie verletzt wurde, wie gewaltig der Schmerz drohte ihr den Magen zu zerreißen, als die Erinnerungen an ihr und ihrer Mutter hochkamen und damit die Gewissheit, dass dies alles ist, was sie jemals von ihr haben würde. Es würde keine Gelegenheit geben, das alles zu wiederholen und egal wie kompliziert ihre Beziehung zu ihrer Mutter gewesen war: Bei ihr hatte sie zumindest nie daran gezweifelt, dass sie geliebt wurde. Nicht so tief und mütterlich, wie es hätte sein sollen, dafür war ihre Mutter zu selbstbezogen gewesen, aber sie hatte sich bemüht, Veronika das nie spüren zu lassen. Während Veronika sie ihrerseits immer mehr geliebt hatte, als sie zugeben wollte. Immer.

 Immer

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Let me Deep, Kitten - Seven SinsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt