Kapitel 9
Hitch
Was war nur mit ihm los? Egal wie voll oder wie leer seine Nachtsitzstunden waren, wie arrangiert die anderen Schüler bei Malen zu sein schienen und wie gut seine eigene Arbeit voranschritt. Er sah nur sie.
Zuerst hatte er gedacht, es wäre nur eine Phase. Eine Art Beschützerinstinkt, weil er die Ungerechtigkeit nicht ertragen wollte, die zu ertragen gezwungen war. Doch umso länger sie in seinem Klassenzimmer stand, umso schlimmer wurde es. Erst gestern, hatte er sich dabei erwischt, wie er sie in den Pausen beobachtet hatte. Sie hatte wieder damit angefangen regelmäßig zu essen und zu seiner Überraschung trug sie mittlerweile ein Skizzenbuch mit sich herum und zeichnete, während sie auf ihrem Handy Tutorials ansah. Sie schien sich in der Kunst zu verlieren und diese schien sie auf eine Art und Weise heilen zu lassen, die er selbst einmal erfahren hatte.
Das Drama in der Schule um ihre Person hatte sich gelichtet und die meisten ihrer Klassenkameraden waren zu sehr mit dem anstehenden Abschlussball beschäftigt, um sich für Veronika zu interessieren. Hitch hatte immer geglaubt, Mädchen wie Veronika würden ohne Aufmerksamkeit nicht klarkommen, aber auch da schien Veronika alles andere als normal zu sein. Sie blühte auf, und zwar direkt vor seinen Augen.
Sie nahm zu und begann selbst beim Malen am Nachmittag immer wieder nebenbei etwas zu essen. Ihre Kleidung schrie immer noch danach, dass sie ein Mädchen aus höherem Hause war, aber der Rest verschob sich komplett. Das Make-up wurde dezenter, manchmal auch wieder mehr, aber das schien eher ihr neu erwachten kreativen Ader zu entspringen. Selbst ihre Kleidung nahm diese Entwicklung mit auf und offenbarte die Komplexität ihres Charakters. Sie schien mittlerweile den Modetrends ein wenig voraus zu sein und zu ahnen, was als Nächstes kam. Die Kunst begann damit, sich in alle Aspekte ihres Lebens einzuschleichen.
„Wie machst du das?", fragte ein Mädchen vom Nachsitzen hinter Veronika, während Hitch an seinen Tisch saß und selbst vor sich hin kritzelt und dabei versuchte zwanghaft ihren Blick auszuweichen.
Veronika hatte ihre Augen heute dramatisch mit einem katzenartigen Lidstrich betont, und die enge Bluse zeigte deutlich, dass ihr Körper die zusätzliche Energie dafür verwendete, ihre körperliche Entwicklung voranzutreiben. Dabei hätte es ihm gar nicht auffallen dürfen, dass sie mindestens eine Körbchengröße dazu gewonnen hatte.
„Was den?", fragte sie ihre Schulkameradin und zog sich dabei den Hörer aus dem Ohr. Eigentlich wunderte er sich schon seit Tagen, was sie da jetzt hörte, denn er hatte nur dieses eine Mal für sie etwas aufgenommen, zur Einführung. Und er sah deutlich, dass sie diese Grundkenntnisse bereits verinnerlicht hatte. Dennoch steckte jedes Mal beim Malen die Kopfhörer seines Mp3-Player in ihren Ohren.
„Gesichter zu malen, ohne sie zu malen", meinte das Mädchen und deutete auf eines der aktuellen Gemälde von ihr. Als sie diese Frage stellte, horchte Hitch auf, denn auch er was von dieser Technik fasziniert, die eigentlich nur verwendet wurde, um Ferne auf Bildern darzustellen, dass sie so unverfroren dafür verwendete, Gesichter auszublenden und nur hier und da scharfe Einstellungen zuließ, damit man ein Gefühl für die Sinnlichkeit bekam, die ihre Bilder ausdrückten.
So etwas hatte er noch nie zuvor gesehen und er war sich sicher, dass sie viel Zeit in ihre Übungen und Studien steckte, denn die Fortschritte, die sie machte, waren keine Schritte, sondern ganze Sprünge. Sie hatte zudem eine Vorliebe für Anatomie entdeckt.
„Ich hab keine Ahnung, ich nehme diesen dicken Puder-Pinsel, um alles, wenn es noch leicht feucht ist, zu verwischen. Musst du aber aufpassen, wenn es zu feucht ist verschmiert dir alles, wenn es zu trocken ist passiert nichts", sagte sie hilfsbereit und deutete auf einen Verblendpinsel, der tatsächlich leichte Ähnlichkeiten mit einem Puder-Pinsel hatte.
Sie zeigte ihrer Schulkameraden wie sie den halten sollte und auch wie sie mit dem Finger testen konnte, ob die Farbe trocken genug ist. Andere Schüler blickten über ihre Staffeleien und sofort bildete sich eine kleine Traube, die ihr allerdings nicht nur bei dieser Hilfestellung Aufmerksamkeit schenkte, sondern auch beim Malen zusehen wollte, wobei sich Veronika sichtlich unwohl fühlte, denn ihre Laune sank rapide.
„Geht wieder an eure eigenen Staffeleien!", befahl Hitch streng und die Traube löste sich, während Veronikas Schulkameradin, der sie gerade geholfen hatte, sie dankbar anlächelte. Veronika würde sich schnell neue Freunde machen, da war er sich sicher. Diese Frau war einnehmend, wenn man über ihr Auftreten hinweg sah.
Als Veronika sich wieder umdrehte, huschte dieser vom Lidstrich intensivierter Blick zu ihm und traf ihn wie eine Faust in den Magen.
Sie war schön und sinnlich und der Mann in ihm wollte plötzlich nicht lieber, als eine Hand um ihr Kinn zu legen, sie auf die Knie zu zwingen und ihr zu sagen, dass sie ihm mit diesen sinnlichen Lippen einen blasen sollte, denen er bereits ein eigenes Bild gewidmet hatte. Er liebte ihre Lippen. Und er ahnte, dass diese Augen, mit diesem Lidstrich, eines seiner neusten Werke sein würden, vielleicht aber auch die Silhouette ihrer neuen Figur, die immer fraulicher wurde. Verdammt, er was sowas von am Arsch.
Hitch hielt ihren Blick gefangen und bemühte sich, nicht der Erste zu sein, der wegsah. Das war nicht sein Ding. Er war in der Regel nicht derjenige, der sich einschüchtern ließ, auch wenn es ihm eine Warnung sein sollte, was dieses Mädchen in ihm auslöste. Veronika war schließlich seine Schülerin und langsam aber sicher hatte er den Verdacht, dass sie das gleiche Interesse haben könnte.
Sie war keine Jungfrau mehr und schüchtern schon gar nicht. Sie strahlte so viel Selbstbewusstsein aus, dass es fast unerträglich war, vor allem weil er sich fragte, woher das kam. Veronika wurde von ihren Eltern nur enttäuscht und nichts in ihrem Leben, hatte ihr je einen Grund gegeben so selbstbewusst zu sein. Aber es schien fast so, als wäre sie mit einer unermesslichen Stärke auf die Welt gekommen, die dafür sorgte, dass sie auf natürliche Art jeden überlegen schien. Selbst jetzt, wo diese Lisa die neue High-School-Queen zu sein schien, wurde Veronika von den meisten respektiert. Ein Blick von ihr aus diesen Augen und einigen Männern verkümmerten die Hoden vor Angst.
Das war sie. Das war die pure Aura, die sie ausstrahlte und Hitch konnte nicht anders, als sich ebenfalls davon angezogen zu fühlen. Er liebte Frauen wie sie. Respektvoll, schön, stark und dennoch mit diesem latenten Wunsch ein gutes Mädchen zu sein.
„Blick auf Ihr Bild, Miss Woodhall!", entgegnete er streng, weil er ahnte, dass niemand von ihnen dieses Blickduell wirklich gewinnen würde. Und sie gehorchte. Veronika Woodhall schlug den Blick nieder und sah dabei so süß aus, dass es in seinen Lenden verzog. Verdammte scheiße, sie sollte ihn nicht so gehorchen. Das machte ihn an und das richtig. Er wollte sie.
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Let me Deep, Kitten - Seven Sins
RomanceSie war nie die Protagonisten in ihrer eigenen Geschichte gewesen. Nicht, als die Klischee Neue ihr, dem beliebtesten Mädchen der Schule, den Freund ausspannte und dann auch noch, sie selbst die Böse in dem Spiel sein sollte, und auch nicht als sie...